WEIN AUS DEM BEAUJOLAIS
Wer kennt ihn nicht, den Ausspruch: Le Beaujolais Nouveau est arrivé? Dieser Beaujolais Nouveau hat die Region, die zwischen Burgund und der Rhône liegt, bekannt gemacht, reich und dann wieder arm. Es war ein trügerischer Erfolg mit dem jungen Beaujolais, der immer am dritten Donnerstag im November veröffentlicht und in die ganze Welt verschifft wird. Die große Welle ist längst vorbei. Diese Welle schwappte auch nicht aus dem ganzen Beaujolais über die Welt, sondern nur aus dem südlichen Teil. Und die Winzer des nördlichen Beaujolais, also dort, wo die ganzen bekannten Cru-Gemeinden zu Hause sind, auf die wir später noch zurückkommen, hatten es satt. Sie hatten den jungen nach MAOAM, Banane und Fruchtjoghurt schmeckenden Wein satt, auch die Billigpreis-Politik und vor allem, dass man dafür die Landschaft des Beaujolais mit exorbitanten Mengen an Herbiziden und Pestiziden verschandelte. Sie waren kurz davor, den Namen Beaujolais von ihren Etiketten zu entfernen. In letzter Sekunde hat man sich dann aber doch noch geeignet und arbeitet zusammen weiter.
ABER WAS IST DAS EIGENTLICH, DIESES ODER DIESER BEAUJOLAIS?
Das Beaujolais ist eine Region, die verwaltungstechnisch zu Burgund gehört. Sie grenzt an das Mâconnais, und tatsächlich hat sie ihren Namen von einem burgundischen Adelsgeschlecht aus dem Mittelalter erhalten, den Beaujeu. Und die haben damals jene Rebsorte angepflanzt, für die das Beaujolais heute steht: den Gamay. Okay, es gibt auch noch ein bisschen Chardonnay, aber mehr als 95 % sind mit Gamay bestockt. Die Geschichte ist die, dass der Gamay damals, also nach 1395, aus dem Burgund herausgeworfen wurde. Es ist die erste Rebsorte, von der bekannt ist, dass sie den Oberen des Landes nicht in den Kram passte. Damals ließ der Herzog von Burgund, Philipp der Kühne, in Dijon mitteilen: »Es ist eine sehr schlechte und illoyale Sorte namens Gaamez, aus der reichlich Wein kommt. […] Und dieser Gaamez-Wein ist von solcher Art, dass er für die Menschen sehr schädlich ist, so sehr, dass viele Menschen, die ihn in der Vergangenheit getrunken haben, von schweren Krankheiten befallen wurden, wie wir gehört haben; denn der Wein aus dieser Pflanze ist voll von erheblicher und schrecklicher Bitterkeit. Aus diesem Grund befehlen wir euch feierlich, […] alle Weinstöcke des Gaamez zu fällen oder fällen zu lassen, wo immer sie auch sein mögen.« Das war es dann im Wesentlichen für den Gamay im Burgund. Und ehrlich gesagt, er passt auch viel besser zu den Böden des Beaujolais. Im Burgund herrschen Kalk und Kalkmergel vor, im Beaujolais gibt es viel mehr vulkanisches Gestein, Granit, Schiefer oder Sandstein.
Lange blieb das Beaujolais als Weinbaugebiet unbemerkt, obwohl die Römer am Mont Brouilly schon Wein angebaut hatten, später dann auch die Klöster. Erst als der Briare Canal 1642 eröffnet wurde, änderte sich das; denn die Weine konnten direkt nach Paris geliefert werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dann ein Wein populär, der später als Beaujolais Nouveau extrem erfolgreich werden sollte. Ursprünglich war dieser Wein nur für die Winzer selber und für die (Ernte-)Helfer im Weingut gedacht; denn in den 1920er und 1930er Jahren hatten die Winzer es gar nicht nötig, eine neue Weinform zu entwickeln. Beaujolais verkaufte sich gut, und die besten Weine aus den Cru-Lagen waren etwa so teuer wie Burgunder aus guten Ortslagen. Doch immer mehr Kunden wollten den extrem frischen jungen Beaujolais trinken, und so durfte er ab Mitte Dezember verkauft werden.
Der erste große fail aber war nicht der Beaujolais Nouveau, sondern zwei Blockbuster-Weine aus den Jahren 1945 und 1947. Das waren zwei extrem reife Jahrgänge mit Weinen über 15 %. Die waren so beliebt, dass viele Winzer sich gezwungen sahen, in den kühleren Folgejahrgängen gleichfalls solche Weine zu erzeugen, und daher schütteten sie ordentlich Zucker in dem Most, um den Alkohol zu verstärken. Der Stil des Beaujolais veränderte sich dadurch erheblich. 1951 kam dann offiziell der Beaujolais Nouveau hinzu. Und einer nutzte die Veränderungen, um den großen Reibach zu machen. Sein Name? Georges Dubœuf. Der Mann war ein Marketing-Genie und verkaufte den Beaujolais Nouveau nicht mehr nur nach Paris, sondern in die ganze Welt. Und das tat er nicht nur mit seinem eigenen Wein, sondern er baute ein ganzes Imperium auf, indem er alles zukaufte, was möglich war. Mitte der 1990er Jahre wurde mehr als die Hälfte der gesamten Beaujolais-Produktion von 1,2 Millionen Litern als Beaujolais Nouveau verkauft. Eigentlich alles super, dachte man. Aber der Wein wurde irgendwann immer mehr zum Kunstprodukt der Kellertechnik, dessen Hauptmerkmal eine Bananennote wie in der Müllermilch war. Und natürlich kam es so, wie es kommen musste: Der Ruf des Nouveau färbte auf das gesamte Beaujolais ab, und die Qualitätswinzer bekamen ein großes Image- und Absatzproblem.
Es ist ja oft so, dass sich zu einem großen Pendelausschlag auch eine Gegenbewegung bildet. Der Vorbote dieser Gegenbewegung war ab den 1950er Jahren der Winzer und Wissenschaftler Jules Chauvet. Der war Winzer in der vierten Generation. Vor allem aber war er Wissenschaftler und forschte zeitweise mit dem Nobelpreisträger Otto von Warburg in Berlin an Mikroben im Wein. Zudem beschäftigte er sich wissenschaftlich mit Hefen, mit malolaktischer Gärung und Kohlensäuremaischegärung. Der Wein, den Chauvet zu Hause vinifizierte, bezeichnete Charles de Gaulle einmal als perfektes Beispiel eines frischen, leichten Beaujolais, den er jeden Tag trinken wollen würde. Chauvet hat ab den 1950er Jahren auf chemischen Dünger und Pestizide verzichtet. Nicht zuletzt war der Schwefel sein großes Thema; denn in der Beaujolais-Nouveau-Produktion wurde geschwefelt, was das Zeug hielt. Chauvet zeigte, wie unterschiedlich sich Weine mit viel, wenig und gar keinem zugesetzten Schwefel entwickeln oder verändern können. Ein paar weitere Winzer schlossen sich ab den frühen 1980er Jahren Chavets Methoden an, die der amerikanische Importeur Kermit Lynch als die gang of four und später als die gang of five bezeichnete. Es waren die Winzer Marcel Lapierre, Jean Foillard, Guy Breton, Jean Thévenet und Joseph Chamonard aus Villié-Morgon. Und die wurden so etwas wie die Urväter des Vin Naturel.
Bis das Ganze in den Köpfen der Leute angekommen war, dass es so etwas wie zwei Beaujolais gab, dauerte es allerdings noch mal deutlich länger. Die eigentlich so frischen, feinwürzigen und durchaus haltbaren Weine aus Brouilly, Chénas, Chiroubles, Fleurie, Juliènas, Morgon, Moulin-à-Vent oder Régnié, die früher so teuer waren wie ein 1er-Cru aus dem Burgund, verkauften sich wie Sauerbier. Allerdings ist auch Sauerbier heute wieder gefragt – und so war es auch beim Beaujolais. Das hatte mit veränderten Essgewohnheiten zu tun und mit anderen Anforderungen an die Weinbegleitung, das hatte auch mit Sommeliers zu tun, die diese Region für sich entdeckten. Und es hatte mit Winzern und Häusern aus dem Burgund zu tun, die damit begannen, im Beaujolais zu investieren. Louis Jadot zum Beispiel. Oder Mommessin, Thibault Liger-Belair, Bouchard Père et Fils, Michel Lafarge, Jacques Prieur oder Philippe Pacalet. Und dann gibt es natürlich eine weitere, junge Generation, die die Idee des terroirgeprägten Naturweins noch klarer und noch konsequenter umsetzt. Paul Janin & Fils oder Julien Sunier zeigen die Vielfalt der Weine aus den Cru-Lagen vom säuregeprägten Juliénas über den duftigen Fleurie, den charmanten Chiroubles und den geschmeidigen Régnié bis hin zu dem kraftvolleren Moulin à Vent oder dem Morgon.