CHAMPAGNE 

Wie heißt die Region, in der man aus der Not eine Tugend und aus einem Weinfehler ein äußerst erfolgreiches Produkt gemacht hat? Genau, Champagne! In der Champagne wurde die modernste und feinste Form des Schaumweins entwickelt. Deshalb und weil sie ein gutes Marketing entwickelt hat, ist sie heute das Synonym für Schaumwein schlechthin.
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WIE DER CHAMPAGNER ENTSTANDEN IST 

Als Champagne bezeichnet man die Region um Reims und Épernay bis in den Süden nach Troyes. Sie war bis in die 1950er Jahre hinein eine bitterarme Region, zumindest für die meisten Bauern dort. Lediglich einige wenige Champagnerhäuser konnten davon profitieren, dass ihr Produkt von Adeligen und Reichen gekauft wurde. Wein wurde in der Champagne schon seit vielen Jahrhunderten erzeugt, und das auch durchaus erfolgreich. Lange Zeit buhlten die Weine der Champagne zusammen mit denen aus dem Burgund um die Gunst der französischen Königshäuser, deren Oberhäupter traditionell in der Kathedrale von Reims gekrönt wurden. Diese Weine waren Stillweine – ohne Bläschen. Dass sich das verändert hat, ist dem schon angesprochenen Weinfehler zu verdanken. Oder sagen wir es so: Da war etwas nicht ausgegoren, was es hätte sein sollen. Im Klartext: Der Adelige Monsieur de Saint-Evremond ging am Hofe Ludwigs XIV. ein und aus. Er war bekannt für sein loses Mundwerk, und irgendwann hatte er es mit Spott und Sarkasmus übertrieben. Er hatte nämlich den Kanzler des Königs verspottet, und der König schickte ihn daraufhin ins Exil nach London. Nun mochte der Monsieur die Weine aus der Champagne sehr gerne. Da man im 17. Jahrhunderte die Weine noch nicht in Flaschen füllte, ließ er sich ein paar Fässer kommen. Diese Fässer hielten aber Winterschlaf und waren noch nicht durchgegoren. Als Saint-Evremond sie im Frühling in London entgegennahm, fingen sie an zu sprudeln, und er bot den Wein in dieser Form seinen Gästen an. Der »Sparkling Champagne« wurde alsbald zum letzten Schrei. In der Champagne begann man umgehend damit, halbvergorene Weine auf Flaschen zu füllen. Da aber die Glasqualität noch unzureichend war, knallte es in den Kellern bald wie bei einem japanischen Hanabi. Es waren wiederum die Engländer, die dem Ganzen ein bisschen Abhilfe schaffen konnten, weil sie besseres Glas produzierten. Und doch sollen damals rund die Hälfte der Flaschen in den Kellern der Champagne explodiert sein. Daher stiegen die Preise, doch dem Erfolg tat das keinen Abbruch. Champagne wurde schnell zum Getränk des Adels, und es wurde immer weiter verfeinert. Einer, der sich unter anderem darum kümmerte, war der Benediktinermönch Dom Pérignon, dem in der Abtei Saint-Pierre d’Hautvillers die Weingärten und der Keller unterstanden. Zu Lebzeiten Dom Pérignons wusste man noch nichts von Hefen, daher gab es auch noch keine kontrollierte zweite Gärung. Aber man konnte den Prozess des Weitergärens auf der Flasche optimieren. Dom Pérignon verbesserte die Flaschenverschlüsse, er erfand die Agraffe, die Sicherung des Korkens durch eine Kordel und heute durch Draht. Auch kam man auf das Rütteln und das Dégorgement, das übrigens auf die Witwe Clicquot zurückgeht, die ihre Champagner nicht mehr trüb verkaufen wollte und mit ihrem Kellermeister das Rüttelpult und das Vereisen des Flaschenhalses erfand. Mit der Entwicklung der Reinzuchthefe im deutschen Geisenheim Ende des 19. Jahrhunderts konnte dann auch die zweite Gärung entwickelt werden, die früher Méthode champenoise und heute Méthode traditionelle genannt wird. 1919 hat der Anbauverband schließlich die erlaubten Rebsorten festgelegt, und zwar Pinot-Rebsorten inklusive Chardonnay, Petit Meslier und Arbanne. 

VOM BITTERARMEN LANDSTRICH ZUR REICHEN PROVINZ 

Die Champagne war früher kein gesegneter Landstrich. Der Erfolg musste hart erarbeitet werden. Das Anbaugebiet liegt nämlich so weit nördlich, dass viele Jahrgänge in der Vergangenheit nicht ausreiften. Daher entwickelte man aus der Not eine Tugend, weshalb Champagner nicht nur aus den Trauben eines Jahrgangs, sondern aus den Erträgen mehrerer Jahre erzeugt werden darf. Auch kann man Champagner aus der Ernte unterschiedlicher Ortschaften zusammengefügen, weil nicht in jedem Jahr jeder Ort und jede Rebsorte in gleicher Weise mit Qualität gesegnet ist. Dieser Non-Vintage-Style ist typisch geworden für Champagner und später allgemein für Schaumwein. Die nördliche Lage der Champagne hat aber in guten Jahren einen großen Vorteil: Die Trauben besitzen eine besonders frische Säurestruktur, die von den Böden der Champagne noch unterstützt wird. Am bekanntesten ist die Kreide, doch auch Kalk und verschiedene Kalkmergelarten sorgen für Spannung im Wein. Die Champagner-Erzeuger haben sich dann ab dem 19. Jahrhundert für einen ganzen Maßnahmenkatalog an Richtlinien entschieden, um dem Produkt Champagner einen Markenkern zu verleihen und die Qualität zu sichern. Ab dem 20. Jahrhundert ging es dann außerdem darum, den Markennamen zu schützen; denn bis dahin hatten auch deutsche, russische, spanische und amerikanische Erzeuger ihre Schaumweine Champagner genannt. 

 Vom Erfolg des Champagners haben lange nur die bekannten Häuser profitiert. Die Weinbauern, die ihnen die Trauben geliefert haben, wurden nicht reich. Zwei Kriege, die auch auf dem Boden der Champagne ausgetragen wurden, und eine Wirtschaftskrise taten ihr Übriges. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg verbesserte sich ihre Lage, weil zum einen Champagner immer stärker nachgefragt wurde und die Traubenbauern daher für ihre Ware höhere Preise verlangen konnten und weil zum anderen immer mehr Traubenerzeuger damit begannen, selbst Champagner zu erzeugen und zu vermarkten. 

DIE CHAMPAGNE DER DREI WEGE 

Heute gibt es drei Wege der Erzeugung und der Vermarktung. Der erste wird beherrscht von Großkonzernen wie Louis-Vuilton-Moët-Hennessy (LVMH), einem Giganten, dem zig Champagner-Häuser gehören, ferner von einigen großen Häusern wie beispielsweise Roederer, Bollinger oder Taittinger. Daneben gibt es große Genossenschaften, wo allein bei Nicolas Feuillatte – ja, das ist eine Genossenschaft – gleich mehrere tausend Winzer vereinigt sind. Schließlich gibt es die Winzer, die ihre eigenen Weine erzeugen und vermarkten. Sie haben gerade in den letzten zwei Jahrzehnten den Champagner verändert, indem sie stärker auf Jahrgangs-Champagner, reinsortige Champagner und Champagner aus einzelnen Lagen gesetzt haben. 

TYPIZITÄT 

Champagner wird heute zu rund 98 % aus Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier erzeugt und in kleinen Mengen auch aus Pinot Blanc, Pinot Gris (dort auch Fromenteau genannt), Arbanne und Meslier. Die Anbaufläche der Champagne erstreckt sich dabei über 34.000 Hektar, die rund 19.000 Besitzern gehören. Sie ist also ähnlich kleinteilig strukturiert wie das Burgund. Wer davon ausgeht, dass alle Böden in der Champagne von Kreide bestimmt seien, liegt falsch. Für die Montagne de Reims sind vor allem von Sandstein und Ton auf Kreidefelsen typisch. Dort werden Chardonnay, Pinot Noir und Meunier erzeugt. Das Vallée de la Marne besteht hingegen überwiegend aus sandigem Lehm und Ton. Dort wächst vor allem Meunier. Die Côte des Blancs ist neben einer kleinen Ecke in der Montagne de Reims (Bouzy und Ambonnay) die einzige Gegend mit purer Kreide und leichten Sand- und Tonauflagen. Dort steht fast nur Chardonnay. Die Côte de Sézanne bietet Mergel und Sand auf Kreidefelsen mit viel Chardonnay, und wenn man dann eine Stunde durch Rübenäcker fährt, kommt man kurz vor dem Chablis zur Côte des Bar mit Kimmeridge-Kalk, wo es Pinot Noir, Pinot Blanc und Chardonnay gibt. 

Die Visitenkarte der großen Häuser sind bis heute der Champagne Brut mit meist 6 bis 12 Gramm Süße. Der ist oft eine Cuvée der drei Hauptrebsorten. Dazu gibt es Rosé, Blanc de Blancs (nur Chardonnay oder nur Pinot Blanc), Blanc de Noirs (weiß gekelterter Pinot Noir und/oder Meunier) und heute auch oft Jahrgangs-Champagner. Tendenziell werden die Champagner immer trockener. Winzer, kleine Häuser, aber auch so manche großen Häuser setzen auf Extra Brut, also 0 bis 6 Gramm Dosage oder Brut Natur mit 0 Gramm. 

HERAUSFORDERUNGEN 

Die Herausforderungen, vor der die Champagne steht, sind immens. Neben dem Burgund ist die Champagne die Region, in der bis heute am meisten chemische Mittel gespritzt werden. In 2016 waren 77 % aller Weinberge betroffen. 2025 will die Champagne offiziell herbizidfrei sein und auch sonst deutlich auf Nachhaltigkeit setzen. Immerhin hat sich der biologische Anbau von 2016 bis 2020 mehr als vervierfacht, wenn auch auf niedrigen Niveau von 1,4 % auf 5,8 %. Der Klimawandel macht auch der Champagne zu schaffen, in der es immer mehr Extremwetter gibt. Allerdings muss auch die über Veränderungen bei Rebsorten nachgedacht werden. Schließlich konzentriert sich die Vermarktung auch in der Champagne immer mehr auf immer weniger Großkonzerne, zu denen manch kleiner Winzer anmerkt, dass die Champagne inzwischen nur noch Teil eines industriellen Komplexes sei. Gegen diesen Ruf wehren sich viele kleine Erzeuger.