PROVENCE 

Wenn die Toskana der italienische Sehnsuchtsort für Natur- und Kulturbegeisterte ist, dann ist die Provence das französische Pendant. Und das gilt für den einfachen Rucksacktouristen genauso wie für den internationalen Jetset. Es gibt dort die Côte d’Azur und Saint-Tropez, Cannes und Nizza, aber eben auch Aix-en-Provence, Avignon und Arles, ferner das gleißende Licht des Südens, Lavendelfelder, den Mont Ventoux – und natürlich Wein. Und beim Wein gibt es in der Provence eine Besonderheit; denn kaum irgendwo sonst sind die Rosés in einer ganzen Region populärer als Weißweine oder Rotweine.
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VIELE HERRSCHER, VIELE REBSORTEN 

Wo sich heute die Stadt Marseille befindet, sind vor rund 2.600 Jahren Griechen an Land gegangen und haben eine Kolonie gegründet. Sie haben Rebstöcke mitgebracht und angepflanzt. Damals waren aber auch schon die Kelten aktive Weinbauern, und vielleicht gab es ja auch einen Austausch. Ab 154 v. Chr. nahmen die Römer die Region in Besitz und nannten sie Provincia romana, woraus der Name Provence entstanden ist. Damals war es üblich, dass ausgediente Legionäre ein Stück Land, Saatgut und Reben zugesprochen bekamen, und nicht wenige Soldaten, die in Gallien gedient hatten, wollten offensichtlich gerne in der Provence bleiben. Das ist gut nachvollziehbar und hat sich bis heute nicht geändert, wenn auch für eine etwas abgehobenere Bevölkerungsschicht; denn es sind beispielsweise Hollywood-Stars, die dort Landhäuser mit größerem Grundbesitz erwerben. Man sieht es der Landschaft nicht an, doch sie war im Laufe der letzten Jahrhunderte immer wieder heiß umkämpft, und es gab die unterschiedlichsten Regenten. Das waren mal die Herzöge von Burgund, dann die Könige von Aragón oder die Herzöge von Anjou, auch der König von Sardinien. Alle haben Spuren hinterlassen, auch bei den Rebsorten. In der Provence gibt es tatsächlich einen wilden Mix an südfranzösischen, südwestfranzösischen und spanischen Rebsorten. Manche sind bekannt, andere weniger. Barboux, Calitor noir oder Tibouren zum Beispiel kennt kaum jemand. Bei Cabernet Sauvignon sieht das schon anders aus, ebenso bei Carignan, Cinsault, Grenache, Mourvèdre oder Syrah. Bei den weißen Sorten dominieren Rolle (Vermentino) und Clairette vor Grenache Blanc, Sémillon und Ugni Blanc. 

RUND 85 %ROSÉ 

In der Provence gibt es viele Besonderheiten. Eine davon ist, dass es hier eine starke Tradition beim Rosé gibt. Vor zwei Jahrhunderten wurden wohl noch die meisten Rotweine als Rosés ausgebaut. Die großen Burgunder waren früher Rosés. Die Weine aus Bordeaux hießen Claret und waren helle Rotweine. Das dürfte auch in der Provence kaum anders gewesen sein. Irgendwann hat man dann herausgefunden, dass man die Beeren auch von den Stielen entfernen kann, bevor man sie presst, und damit auch vermeiden kann, dass das Grüne und Bittere der Stiele in den Wein gelangt. So wurden die Rosés in vielen Gegenden Frankreichs zu Rotweinen. Doch die Provence hat den frischen Stil beibehalten. Aus rund 85 % der Trauben von den rund 27.000 Hektar, die in der Provence mit Reben bepflanzt sind, entstehen Rosés. Das Besondere dabei ist, dass die Weine aufgrund der langen Tradition auch einen Anteil Weißwein enthalten dürfen. Oder besser gesagt: Es dürfen weiße Trauben der Sorte Vermentino (Rolle) mit gepresst werden. Und obwohl es den Rosé schon so lange dort gibt, hat er in den letzten Jahren noch mal einen deutlichen Popularitätsschub bekommen. Das liegt am sogenannten Saint-Tropez-Stil. Schicke Flaschen, elegante Etiketten, prägnante Namen und ein hoher Preis haben den Provence-Rosé ins Luxus-Segment befördert, mit Preisen, die für eine Flasche teils bei über 100 Euro liegen. Wer hätte das je von einem Rosé erwartet? Überteuert? Nicht unbedingt, der Markt regelt das. Und tatsächlich sollte man den Rosé nicht unterschätzen. Wird er so ausgebaut wie hochwertiger Burgunder, dann wird er komplex, kann reifen und entwickelt viel Charakter. 

B WIE BANDOL UND BIO 

Doch der Rosé ist nicht das einzige Spannende, das die Weinwelt der Provence zu bieten hat. Die Rotweine beispielsweise können ausgesprochen großartig werden. Bekannt ist das schon lange in Bandol, wo man schon im Mittelalter die Fässer mit einem großen B für Bandol gebrandmarkt und verschifft hat. Bandol ist bekannt für langlebige Weine, in denen sich mindestens 50 % Mourvèdre befinden muss. Nicht weit von Aix-en-Provence entfernt liegt Les Baux-de-Provence. Der Ort hat dem Bauxit seinen Namen gegeben, aus dem Aluminium erzeugt wird. Aber er steht auch für große Rotweine, vor allem aus Grenache, Syrah und Mourvèdre. Gerade im größeren Bereich um Aix herum findet man immer mehr exzellente reinsortige Syrah und Weine, in denen Syrah und Cabernet als Cuvée ausgebaut sind. Mitten in der Provence trifft Rhône auf Bordeaux, und es entsteht ein ganz eigenständiger Weintyp. 

Im Laufe der Zeit hat sich die Provence zu einem Hort biologisch und biodynamisch arbeitender Winzer entwickelt. So gut wie jedes Weingut, das etwas auf sich hält, ist heute biozertifiziert. Es gibt ganze Orte, die sich der biologischen Wirtschaftsweise für alle Erzeugnisse verschrieben haben. Einer dieser Orte ist Correns, wo früher Pink Floyd und andere im Château Miraval Platten aufgenommen haben und das zwischenzeitlich Besitz von Angelina Jolie und Brad Pitt war. Les Baux-de-Provence hat sich gleichfalls komplett zum biodynamischen Weinbau bekannt. Das ist durchaus ein außergewöhnlicher Schritt, der zeigt, dass man in der Provence nicht nur auf der Höhe der Zeit ist, sondern auch ein echter Vorreiter sein kann.