Weine aus Italien
Italien ist ein Phänomen. Politisch und wirtschaftlich kann man oft den Eindruck gewinnen, dass dort die Chaos-Theorie umgesetzt wird. Was den Wein angeht, so ist man in Bella Italia allerdings sehr flexibel, wenn es um die Reaktion auf sich verändernde Geschmäcker geht. Aber davon abgesehen, ist Italien ein einzigartiges Weinland, und zwar nicht, was die Größe und die Produktionskapazitäten angeht. Spanien hat mehr Fläche, Frankreich häufig mehr Ertrag. Aber bei der Vielfalt der mehr als 2.000 autochthonen Sorten, von denen rund 400 kommerziell genutzt werden, macht den Italienern wohl keiner etwas vor. Außerdem hat sich viel beim biologischen Anbau getan. Da liegt Italien mit 15,9 % der Rebfläche in Europa vorne. Deutschland hat nicht einmal 10 % – Stand 2018. Die Fläche der Weinlagen erstreckt sich von den Südtiroler Alpen bis nach Sizilien. Auf einer Vespa würde man rund 1.700 Kilometer zurücklegen, und man müsste sich dafür mehr als nur ein bisschen Zeit nehmen.Mediterran - Mal mehr, mal weniger
Man spürt es, wenn man die Alpen am Brenner überquert und in Bozen einkehrt: Schon Südtirol wirkt irgendwie mediterran. Das liegt sicher daran, dass der Hauptplatz eines Ortes schon eine Piazza ist und das Speiseeis schlagartig an Qualität gewinnt. Aber auch das Licht ist ein anderes. Und spätestens am Gardasee wird es wärmer, Zitronenbäume stehen neben Palmen, und das sprichwörtliche dolce vita, diese besondere Form von Entspanntheit und laissez-faire, wird spürbar. Italien liegt langgestreckt im Mittelmeer, das in Italien aber nicht so heißt. Die Italiener unterscheiden zwischen dem Ligurischen, Tyrrhenischen, Ionischen und Adriatischen Meer. Und das Meer hat natürlich einen Einfluss auf den Weinbau – mal mehr, mal weniger. Aber kontinental ist das Klima in Italien eigentlich nirgendwo. Die Alpen schirmen die Weinberge im Norden vor kalten Nordwinden ab, und der Apennin bildet vom Piemont bis in den Süden hinein eine natürliche Wetterscheide. Die Weinberge liegen oft nur knapp über Meereshöhe, können sich aber im Aostatal und am Ätna bis auf 1.400 Meter Höhe ziehen und sind damit die höchsten Weinberge Europas. Wenn man es grob vereinfacht, kann man Italien weinbautechnisch in Norden, Mitte und Süden einteilen. Der Norden reicht bis zum Apennin, die Mitte bis zu den Abruzzen, und darunter liegt der Mezzogiorno.
Grenzregion im Norden – Südtirol und Trentino
Vielleicht wäre es doch keine so gute Idee, die ganze Strecke mit der Vespa zurücklegen zu wollen, vor allem deshalb, weil man Weinberge besuchen will. In Südtirol – in Italien sagt man Alto Adige, was den Oberlauf der Etsch bezeichnet – können die schon ziemlich hoch liegen und steil sein. Das Anbaugebiet, zu dem offiziell auch das Trentino gehört – Trentino-Alto Adige, ca. 15.500 Hektar – ist das nächste Phänomen. Noch in den frühen 1990er Jahren hatte es den Ruf, vor allem restsüße Kalterersee-Auslesen in Lastzügen über den Brenner zu bringen, um die riesigen Mengen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland für kleines Geld zu verscherbeln. Dann aber haben sich die Winzer, vor allem aber die Genossenschaften wie auch die Hoteliers und die Gastronomie eine ordentliche Marketingberatung genehmigt. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass alpenländische Traditionspflege, hochklassige Küche und modern getrimmte Weine in der Premium-Preiskategorie durchaus zusammenpassen und sich verkaufen lassen. So hat sich Südtirol neu erfunden. Neben den heute eher trockenen Vernatsch, Lagrein und Pinot Nero sind es vor allem die Weißweine, die sehr erfolgreich sind. Das fängt beim Kerner aus dem Eisacktal an und geht weiter über Weißburgunder, a.k.a. Pinot Bianco und Sauvignon Blanc, Traminer und Gewürztraminer. Auf dem Weg Richtung Gardasee erreicht man dann das Trentino. Da ist es schon flacher, etwas mediterraner, es gibt mehr Rotwein, und vor allem der Schaumwein ist angesagt. Der heißt Trento DOC, ist ein Spumante und recht erfolgreich. Bekannt ist das Trentino außerdem für viel Merlot und die autochthone Rebsorte Teroldego.Aostatal: 500 Hektar und 4.000 Winzer
Aber im Norden gibt es natürlich noch mehr: Das Aostatal, zum Beispiel: Valle d’Aosta, rund 500 Hektar. Es liegt so versteckt hinter vielen Bergen, dass man es besser vom Schweizer Wallis aus erreicht oder vom französischen Chamonix, wenn man etwa am Mont Blanc zu tun hat. Der Weinbau im Tal umfasst gerade mal 500 Hektar, aber mehr als 4.000 Winzer. Die sind praktisch alle genossenschaftlich organisiert. Erwähnenswert ist das Aosta-Tal vor allem, weil es allein dort rund 20 autochthone Rebsorten gibt. Gesprochen wird dort ein eigener Dialekt, manchmal auch Französisch, manchmal Italienisch.Friuli-Venezia-Giulia: erst Kaltvergärung, dann Maischevergärung
Und wo wir gerade in Grenzregionen sind: Friuli-Venezia-Giulia, rund 24.000 Hektar. Diese Region gehörte in Teilen für längere Zeit zu Österreich-Ungarn und war Schauplatz vieler Auseinandersetzungen. So gab es im 1. Weltkrieg zum Beispiel einen Stellungskrieg. Nach dem 2. Weltkrieg senkte sich mitten durch den Collio Goriziano und die Stadt Görz/Gorizia/Gorica der eiserne Vorhang. Der Collio ist in den 1970er Jahren das Renommiergebiet für Weißwein-Italien geworden, was die Toskana für Rotwein-Italien war: der Motor für die Entwicklung blitzsauberer und internationaler Weinstile, die Italien wieder auf die internationale Karte gebracht haben. Da es aber immer wieder Winzer gab, die den austauschbaren Stil satt hatten, wurde die Gegend später zum Mekka des maischevergorenen Weißweins und die erste Region, in der man Anfang der 2000er große georgische Amphoren, sogenannte Quevri, einsetzte. Weil Friaul und Julisch lange auch französisch geprägt waren, haben sich einige französische Sorten wie Pinot Bianco, Sauvignon Blanc und Chardonnay etabliert. Doch es gibt dort auch Friulano, Ribolla Gialla oder Malvasia, dazu neben Merlot und Cabernet auch rote autochthone Sorten wie Pignolo, Schiopettino oder Refosco dal Peduncolo Rosso.Lombardei: Von Mailand aus zum Gardasee
Wenn Trento DOC schon einen guten Leumund für Schaumweine hat, dann erst recht Franciacorta. Das Anbaugebiet, in dem Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Blanc für die Bubbles sorgen, liegt auf halbem Weg von Mailand an den Gardasee, am Lago d’Iseo. Die Region heißt Lombardei: Lombardia mit rund 22.500 Hektar. Viele halten Franciacorta heute für die zweite große Schaumwein-Appellation neben der Champagne. Auf jeden Fall hat sich dort mit sehr seidigen Schaumweinen ein eigener Stil entwickelt. Es gibt übrigens noch mehr Schaumwein in der Lombardei ¬– weniger bekannt, weniger mondän, eher bodenständig. Der Oltrepò Pavese wird traditionell aus der Rebsorte Bonarda erzeugt. Moderne Varianten gibt es auch mit Chardonnay, Riesling oder Spätburgunder. Die beiden Stile sind allerdings nicht die populärsten Weine aus der Lombardei. Diese Auszeichnung erhält der Lugana. Er ist ein Weißwein aus der Trebbianotraube, die am lombardischen Ufer des Gardasees wächst. Der Lugana ist, platt gesagt, dem Münchner das, was dem Hamburger der Grauburgunder ist. Mehr Aussagekraft hat da unserer Meinung nach der Marzemino, eine rote Spezialität der Region.Veneto: Spannendes und Unspannendes jenseits des Gardasees
Auf der anderen Seite des Lago di Garda beginnt Venetien: Veneto mit 80.000 Hektar. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das Veneto, das vom Gardasee bis ans Adriatische Meer reicht, hat einiges Spannende und viel Unspannendes zu bieten, zum Beispiel das Heer an kaltvergorenem Pinot Grigio oder natürlich den Prosecco Frizzante und den Bianco di Custoza, der gerne genauso erfolgreich wäre wie der Lugana, es aber nicht ist. Dafür gibt es den leichten roséfarbenen Bardolino Chiaretto, ferner Soave in gut, Soave in sehr gut, aber vor allem Soave in Massenanbau, dazu Valpolicella und Amarone. Der Amarone-Stil ist erst rund 70 Jahre alt. Doch diese meist sehr konzentrierten Weine haben sich schnell zum dritten Phänomen des italienischen Weinbaus entwickelt. Ihr erinnert Euch? Das erste Phänomen war der italienische Weinbau an sich, das zweite die Neuerfindung Südtirols.Piemont: Wo der König der Weine zu Hause ist
Kommen wir zum vierten Phänomen. Es heißt Barolo. Wir sind also im Piemonte angekommen, rund 48.000 Hektar. Die Region heißt übersetzt Am Fuße der Berge. Sie ist bekannt für ihre ausgefeilte Küche, die für sich genommen sehr einfach ist, aber von herausragend guten Zutaten lebt, dem Alba-Trüffel zum Beispiel, der dort zu Hause ist, wo man auch einen der teuersten und besten Weine Italiens findet: den Barolo. Weil der Barolo aus der Nebbiolo-Traube Mitte des 19. Jahrhunderts den ersten gesamt italienischen König als Förderer hatte, der den Wein auch zu seiner Krönung ausschenken ließ, heißt der Barolo Wein der Könige – König der Weine. Neben dem König gibt es einen Gegenkönig, den Barbaresco – auch aus der Nebbiolo-Traube –, zudem den eher bürgerlichen Barbera, außerdem Dolcetto und die weißen Roero Arneis und Cortese di Gavi sowie den süß ausgebauten Moscato d’Asti. Seltener sind Sorten wie Grignolino, Freisa oder Ruché. Doch alle stammen sie aus dem großartigen -> Piemont.Emilia-Romagna: im Schatten von La Grassa
Es ist nun nicht mehr so weit bis Mittelitalien. Und neben dem Piemont gibt es noch eine weitere Region, in der die große Landküche zu Hause ist: Emilia-Romagna mit ca. 51.000 Hektar. Ihre Hauptstadt heißt Bologna, La Grassa, Die Fette. Dort wurden das Ragù alla Bolognese und die Tortellini erfunden. Aus der Emilia stammt der Prosciutto di Parma, der Parmigiano Reggiano, der Aceto Balsamico und – der Lambrusco. Dessen frischer erdiger Geschmack passt hervorragend zur Küche der Region. Der Lambrusco wird heute wieder vor allem trocken ausgebaut, nachdem die restsüßen Varianten dem Ruf des Weines erheblich geschadet hatten. Auf der anderen Seite von Bologna schmiegt sich die Romagna von der Adriaküste aus in den Apennin. Daneben liegt dann schon die Toskana. Mit der Romagna beginnt die Welt des Sangiovese. Ja, es kann sein, dass der Sangiovese sogar im Apennin entstanden ist, und zwar eher auf der romagnolischen Seite. Heute gibt es dort wieder sehr charmante Weine auf hohem Niveau.Ligurien: Die Region der 100 autochthonen Rebsorten
Bevor wir Mittelitalien erreichen, müssen wir noch Ligurien erwähnen: Die Weinbauregion, Liguria umfasst ca. 1.500 Hektar. Deren Weine werden noch kaum exportiert, aber sie lohnen sich, entdeckt zu werden. Und es lohnt sich, dorthin zu reisen, schon wegen der Schönheit von Cinque Terre oder der Riviera Ligure di Levante. Rund 100 unterschiedliche autochthone Rebsorten gibt es in Ligurien mit seiner Hauptstadt Genua. Dazu gehören Albarola, Bianchetta, Bosco, Ciliegio, Genovese, Pigato, Rossese di Dolceaqua (in der Provence übrigens Tiboren genannt) oder Scimiscià. Aber auch in Ligurien ist der Sangiovese längst heimisch geworden.Toskana, Umbrien, Latium und die Marken: In der Mitte herrscht der Sangiovese
Die Toskana, Umbrien, Latium und die Marken bilden Mittelitalien. Zusammen sind das rund 108.000 Hektar, also knapp weniger als die Weinbaufläche in ganz Deutschland. Latium liegt rund um Rom. Das Latio zählt ca. 20.000 Hektar Rebflöche. Fußballclub: Latio Rom. Seit mehr als 2.000 Jahren beliefert das Umland die Ewige Stadt mit Gemüse, Obst und natürlich mit Wein, traditionellerweise natürlich mit weißem Frascati, außerdem mit Orvieto, der an der Grenze zu Umbrien erzeugt wird. Dann gibt es noch den Est!Est!!Est!!! di Montefiascone, den es dort schon seit dem 12. Jahrhundert geben soll und der so heißt, weil im Jahr 1111 der Deutsche Johannes Fugger diesen Wein getrunken, später wieder gesucht, gefunden, getrunken und Est!Est!!Est!!! ausgerufen haben soll. Johannes Fugger liegt in Montefiascone begraben, weil er sich an dem Weißwein, den es heute auch als Schaumwein gibt, zu Tode getrunken haben soll. Doch das ist längst nicht alles.Auch im klassischen Latium gibt es mittlerweile Winzer, die die wirklich alten und seltenen Sorten der Region wieder zum Leben erwecken. Umbrien hat einiges mit Latium gemein, aber noch mehr mit der Toskana. Umbria: ca. 13.00 Hektar Reben. Umbrien ist die einzige Weinbauregion Italiens, die keinen direkten Zugang zum Meer hat. Dafür gibt es Flüsse, Schluchten, wilde Romantik, weißen Orvieto und roten Montefalco, Tuff- und Kalksteinplateaus, Trebbiano Toscano, Grechetto und Malvasia, Drupeggio und Verdello, Sagrantino und Sangiovese. In den letzten 30 Jahren haben dort einige bekannte toskanische Weingüter wie etwa die Antinori investiert. Das ist für die Regionen immer gut; denn damit werden sie deutlich stärker wahrgenommen. Im Windschatten können sich dann gute neue, weniger klassische Projekte bilden.
Von Umbrien aus Richtung Osten, an der Küste des Adriatischen Meeres, liegen die Marken, umgeben von der Adria, dem Apennin im Norden und den Abruzzen im Süden. Früher war die Region bitterarm, weshalb Weinbauern wie Gallo, Mondavi und Catena Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts nach Nord- und Südamerika gingen. Mittlerweile ist Ancona, die Hauptstadt der “Marche”, ca. 17.500 Hektar, ein Technologiezentrum und reich. Der Verdicchio dei Castelli di Jesi und der Verdicchio di Matelica, der Rosso Cònero, Sangiovese und Montepulciano verkaufen sich gut.
Bliebe noch die Toskana: Toscana, ca. 57.000 Hektar. Diese Region ist das Herz Italiens, der Sehnsuchtsort vieler Reisenden mit den Renaissance-Städten Florenz, Siena oder Pisa. Die Toskana ist vor allem dort, wo alte Landhäuser und ländliche Villen, umgeben von Weinbergen, Oliven- und Zypressenhainen, auf Hügeln zu finden sind. Sie ist die Heimat des Chianti und des Chianti Classico, des Vino Nobile di Montepulciano, des Brunello di Montalcino, des Morellino di Scansano und ebenso der Super-Tuscans wie Sassicaia oder Ornellaia. Von der Toskana ausgehend, hat sich Anfang der 1970er das moderne Weinbauland Italien entwickelt. Auch deswegen schlägt dort das Herz des italienischen Weines. Mittelitalien: Über die Abruzzen Richtung Mezzogiorno Die Abruzzen sind eigentlich noch Mittelitalien, aber aus historischen Gründen schon Mezzogiorno, also Süditalien; denn sie gehörten lange zum Königreich Sizilien. Unterm Strich bilden sie einen Übergang – rund um Italiens höchsten Berg, den Gran Sasso. Die Abruzzen: Abruzzo mit ca. 33.000 Hektar – sind vor allem bekannt für Trebbiano d’Abruzzo und Montepulciano d’Abruzzo. In der letzten Zeit hat aber auch der von dort stammende frische weiße Pecorino mehr Aufmerksamkeit bekommen, ebenso der Cerasuolo d’Abruzzo, ein Montepulciano-Rosé im Claret-Stil, also eher dunkel und voll. Die Abruzzen waren immer bekannt für ihre gut gemachten Alltagsweine. Aber es gibt auch ein paar Spitzenerzeugnisse, die zeigen, wie gut das Potential der Rebsorten und Terroirs dort ist.
Gleich nebenan, etwas weiter südlich, liegt Molise mit ca. 5.500 Hektar. Molise mit der Hauptstadt Campobasso hat bis 1963 noch zu der Region Abruzzen gehört. Und auch wenn es dort viel Montepulciano und Trebbiano d’Abruzzo gibt, wirken die Weine deutlich südlicher. Und im Rebsortenspiegel tauchen auch schon südliche Sorten wie Agliancio, Falanghina, Finao und Bombino auf.
Neapel: Der Vesuv von Campania Felix
Italiens Süden ist schon lange ein Problemkind. Mafia, Arbeitslosigkeit und Landflucht sind nur drei von vielen Themen, die die Menschen beschäftigen. Dabei besitzt die Region einen unglaublichen Charme und Menschen, die trotz aller Widrigkeiten bis heute ihre Heimat lieben und in ihr hervorragende Produkte erzeugen. Lange war der Süden auch als Weinbaugebiet nahezu abgehängt. Tankwagen voller Wein fuhren gen Norden zu den Großkellereien, um die dortigen Weine dunkler, fruchtiger und reifer schmecken zu lassen. Nach und nach aber haben die Menschen ihre Weinbautraditionen und ihre alten Rebsorten wieder schätzen gelernt. Ein gutes Beispiel ist Kampanien, das die Römer campania felix, fruchtbare Ebene, nannten. Dort wächst viel von dem Hartweizen, aus dem das Mehl für beste Pasta- und Pizzateige entsteht. Auch die Tomaten sind gut – besser aber noch immer im weiter südlich gelegenen Apulien. Die Zitronen der Amalfi-Küste sind berühmt und, apropos Pizza, Pizza Napoli ist in Neapel noch mal eine eigene Kategorie. Also, Campania mit ca. 24.500 Hektar.Als Weinbauland ist Kampanien in den 1990er Jahren wie der Phoenix aus der Asche gestiegen. Und das hat – wie schon erwähnt – mit der Rückbesinnung auf die alten Rebsorten zu tun; denn Aglianico, Bacca Bianca, Falanghina, Fiano di Avellino, Greco di Tufo oder Coda di Volpe kannte vorher kaum ein Mensch. Es brauchte also Visionäre, die sich dieser Rebsorten annahmen. Und die tauchten damals auf, und sie verbanden die alten Rebsorten mit moderner Vinifikation. Sonst wäre der Aglianico, der Barolo des Südens, wie er gerne genannt wird, wohl nicht erfolgreich geworden. Aglianico kann ein ziemliches Biest mit viel Tannin sein. Man muss ihn zähmen. In Kampanien hat man das in der Appellation Taurasi geschafft. In der angrenzenden Basilikata mit ca. 4.500 Hektar – am Monte Vulture. Beide Appellationen sind von Vulkangestein geprägt, und das gefällt dem Aglianico sehr gut.
Es gibt allerdings noch eine dritte Weinbauregion, in der das mit dem Aglianico sehr gut klappt. Es ist –> Kalabrien mit ca. 9.000 Hektar ist hierzulande weitgehend unbekannt. Bekannter als der Wein sind die Zitronat- und vor allem die Bergamotte-Zitronen, mit deren Öl der Earl-Grey-Tee aromatisiert wird. Der meiste Wein wird zwar über Genossenschaften vertrieben, aber in den letzten Jahren hat sich dort eine sehr dynamische Weinszene entwickelt. Da gibt’s Naturwein und Rebsorten, die hier völlig unbekannt sind, etwa Guarnaccia, Magliocco dolce, Greco Nero oder Adduroca. Apulien zwischen restsüßem Primitivo und hohem Anspruch Knapp hinter Sizilien liegt Puglia, mit ca. 90.000 Hektar das zweitgrößte Anbaugebiet Italiens. Dort landeten vor rund 3.000 Jahren die ersten Griechen. Sie brachten zwar Reben mit, aber die Etrusker, die dort schon lebten, hatten längst mit dem Weinbau begonnen. Sie erzogen ihre Reben an Pfählen. Deshalb nannten die Griechen das Land Oinotria, Land der an Pfählen erzogenen Reben. Apulien ist Italiens wichtigste Kornkammer, ferner Tomatenlieferant und Erzeuger von Oliven, Feigen, Mandeln und mehr. Einerseits entstehen dort exzellente Produkte, andererseits gibt es manchmal sklavenähnliche Ausbeutung von oft illegal arbeitenden Zuwanderern aus Afrika.
Es ist ein Land der zwei Seiten. So gibt es gute handgemachte, ehrliche Weine aus Negroamaro, Malvasia Nera, Bombino oder Uva di Troia und natürlich auch aus Primitivo. Aber das Gros ist Kellereiware, Massenerzeugung, die mit ihrer Warmvergärung, dem runden Tannin, der reifen Frucht und der Restsüße von oft 20 Gramm weltweit gut ankommt. Appassimento ist da der letzte Schrei, bei dem die Trauben entweder am Stock oder später in Kisten noch einmal vor der Vergärung getrocknet werden, damit alles noch ein bisschen üppiger wird. Man kann hier von Cola-Wein sprechen.
Sardinien und Sizilien: Der Insel-Weinbau
Sardinien und Sizilien sind die großen italienischen Mittelmeerinseln, auf denen es zusammen mehr Weinbau gibt als in ganz Deutschland. Sardinien mit ca. 26.500 Hektar war lange stark französisch und spanisch geprägt. Das merkt man auch an den verwendeten Rebsorten. Es dominieren Cannonau (Grenache Noir, Garnacha), Carignano (Carignan, Cariñena) und Vermentino (Rolle). Es gibt allerdings auch eine eigene Rebsorte, die langsam wieder im Kommen ist. Es ist die rote Monica di Sardegna. Die Weine sind gute Mittelklasse mit ganz wenigen wirklichen Highlights.Das war auch in Sizilien lange so. Die Insel Sicilia mit rund 102.000 Hektar Rebfläche war lange die Insel des Marsala. Der aufgespritete Süßwein wurde lange gefeiert, vor allem von Engländern, die überall Süßwein kauften. Dann wurde der Marsala irgendwann zur billigen Massenware, und Sizilien verschwand als Weinerzeuger von der Bildfläche. Es gab eigentlich nur das in Familienbesitz befindliche Tasca d’Almerita, zu dem fünf Weingüter gehören, die auch in den 1960er und 1970er Jahren gute Weine erzeugt haben. Ab den 1980er Jahren trauten sich die ersten Erzeuger, trotz der vielen autochthonen Rebsorten, Syrah, Merlot oder Chardonnay anzubauen und international zu vermarkten. Es wurde ein Erfolg. Im zweiten Schritt begannen die gleichen Erzeuger damit, die klassischen sizilianischen Rebsorten bekannter zu machen, zum Beispiel Grillo und natürlich Nero d’Avola. Der Nero d’Avola aus Avola und Noto, tief im Süden der Insel gelegen, wurde ein voller Erfolg. Der Rotwein ist dicht, warm und dunkel, er passte gerade sehr gut in die 1990er und 2000er. Zusammen mit dem helleren Frappato wird er zum Cerasuolo di Vittoria, den einzigen DOCG-Wein der Insel. Im Inselinneren hat man dann statt Marsala zunehmend trockenen Grillo, Inzolia und Catarratto a. k. a Carricante ausgebaut. Diese Sorte ist übrigens nach Sangiovese (rund 72.000 Hektar) zusammen mit Montepulciano die am zweithäufigsten angebaute Sorte Italiens – je rund 35.000 Hektar.
Die größte Renaissance haben die Weine vom Ätna erlebt. Der ja noch immer aktive Vulkan ist mehr als 3.000 Meter hoch. Bis auf 1.400 Meter gibt es dort Weinbau. Die Lagen sind terrassiert, und die Reben wurzeln in unterschiedlichen Arten von Vulkangestein. Die entscheidenden Rebsorten sind neben der weißen Carricante die roten Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio. Mittlerweile haben sich dort mehrere bekannte Weingüter eingekauft; denn der Nerello hat ein großes Potential, wie eine Kreuzung aus Barolo und Burgunder.