WEIN AUS DER LOMBARDEI
Die Lombardei liegt in der Mitte Norditaliens und erstreckt sich von der Schweizer Grenze bis zur Spitze der Halbinsel. Die größte Stadt ist die Hauptstadt Milano. Es ist die zweitgrößte Stadt Italiens und eine der reichsten. Das liegt unter anderem am traditionsreichen Bankenwesen. Von wo, wenn nicht aus Mailand, stammen Begriffe wie Conto und Sconto, Giro und Saldo oder der Lombardsatz? Der Reichtum hat zum Bau der Mailänder Scala, des Duomo und des Klosters Santa Maria delle Grazie mit Leonardo da Vincis Gemälde »Das Abendmahl« geführt. Mailand steht aber auch für einige der besten Design-Schmieden für Autos, Mode und Möbel, für hervorragende Restaurants und die besten Panettoni. Im Umland der Poebene wiederum findet man einige der besten Reis-Sorten für Risotto, aber auch für Sushi.
DIE WEINE DER LOMBARDEI
Obwohl das Umland seit Jahrhunderten vor allem die Städte mit besten Waren versorgt, sind die Weine der Region lange Zeit gar nicht sonderlich bekannt gewesen, auch wenn Reben dort seit vorrömischer Zeit angebaut werden. Das hat sich in den letzten Jahren vor allem mit dem vergleichsweise noch jungen Franciacorta geändert. Die Region verfügt über rund 24.700 ha Weinberge, 5 DOCGs, 21 DOCs und 15 IGPs. Im Jahr 2020 wurden in der Lombardei zur Hälfte Weißwein und zur anderen Hälfte Rotwein und Rosato erzeugt. Die wichtigsten Rebsorten der Region sind die für uns eher unbekannte Croatina mit 17 %, es folgt der Spätburgunder, hier Pinot Nero genannt mit 14 %, Chardonnay mit 13 % und Barbera mit 12 %. Neben der Croatina gibt es noch eine ganze Reihe weiterer regionaler Rebsorten, zu der beispielsweise die Bonarada gehört, aus der ein in der Region ebenfalls bekannter Schäumer entsteht, der Oltrepò Pavese, den es heute aber auch in Varianten mit Chardonnay, Riesling oder Spätburgunder gibt. Ebenfalls interessant sind die Rebsorten Gropello, Marzemino und die Familie des Lambrusco, den es nicht nur in der Emilia, sondern auch in der Lombardei gibt. Eine weiterer bekannter Weintyp ist der Lugana. Den bringt man meist gar nicht mit der Lombardei in Verbindung, sondern eher mit dem Veneto. Tatsächlich erstreckt sich das Anbaugebiet am Gardasee in beide Regionen.
MITTENDRIN STATT NUR DABEI
Die Lombardei ist eine der ganz wenigen Regionen Italiens, die nicht ans Meer grenzen. Ein großer Teil besteht aus einer fruchtbaren Ebene, die vom Po und seinen Nebenflüssen durchzogen wird. Im Norden wird die Landschaft im Bereich Veltlin von den Schweizer Alpen und den Kantonen Graubünden und Tessin und im Süden von den Ausläufern des Apennin begrenzt. Im Westen reicht die Region an Piemont, im Osten beim Gardasee an Veneto und Trentino, im Südosten an die Emilia-Romagna. Entsprechend unterschiedlich sind das Klima und das geologische Gefüge in den Appellationen der Region. Das Klima wird im Allgemeinen als kühles Kontinentalklima bezeichnet. Dabei ist der Einfluss der Alpen im Norden der Region in der Nähe des Weinbaugebiets Valtellina nicht zu unterschätzen, ebensowenig der des Flusses Po, an dessen Ufer sich das Anbaugebiet Oltrepò Pavese befindet, das übersetzt so viel heißt wie Pavia auf der anderen Seite des Po. Die meisten anderen Weinbaugebiete liegen in der Nähe der großen Seen der Lombardei, darunter Franciacorta am Lago Iseo sowie die Regionen Garda Bresciano und Garda Mantovano am Lago di Garda.
VALTELLINA – STARK IM KOMMEN
Das nördlichste Weinbaugebiet der Lombardei steht seit dem 5. Jahrhundert unter Reben. Übersetzt heißt es Veltlin, und man ist versucht zu sagen, dass der Veltliner doch von dort kommen muss. Aber das kann man nicht verifizieren. Das Veltlin, das in einem Tal am Fluss Adda an der Grenze zur Schweiz liegt, erzeugt bis heute so gut wie ausschließlich Weine von Rebstöcken, die in Einzelpfahl-Erziehung an langen Stangen stehen. Das Absatzgebiet der Weine lag lange Zeit über vor allem auf der anderen Seite der Grenze in der Schweiz. Tatsächlich wird dort auch ein gemeinsamer Dialekt gesprochen. In jüngerer Zeit erregt vor allem ein Weintyp immer mehr auch internationale Aufmerksamkeit. Es ist der Chiavennasca, ein roter trockener Wein, der aus dem Nebbiolo erzeugt wird. Das Valtellina ist damit die einzige nennenswerte Region außerhalb des Piemont, in der hochklassiger Nebbiolo erzeugt wird – von einigen Ecken in Australien einmal abgesehen. Die Nebbiolos sind hier deutlich weniger tannin- und säurehaltig als ihre piemontesischen Pendants, dafür aber kühl, straff und finessenreich. Es gibt noch einen weiteren Wein aus dem Veltlin, der Aufmerksamkeit erregt. Das ist der Sforzato (auch Sfursat, Sfurzat), ein DOCG-Wein, der im Prinzip wie ein Amarone erzeugt wird.
OLTREPÒ PAVESE – EINMAL ALLES, ABER SANFT
Das Anbaugebiet Oltrepò Pavese ist mit rund 16.000 Hektar nach Asti und Chianti das drittgrößte Italiens. In den 42 Gemeinden werden Rotweine, Roséweine, Weißweine und Schaumweine erzeugt. Ein großer Teil davon landet bei Cinzano, Gancia und Martini & Rossi im Piemont oder als Fasswein in Mailand. Ausgesprochen spannend aber können die Weine kleiner Erzeuger sein, vor allem wenn sie die stillen roten Bonarda dell’Oltrepò Pavese oder Buttafuoco dell’Oltrepò Pavese oder die Schaumweine Oltrepò Pavese Metodo Classico oder Oltrepò Pavese Metodo Classico Pinot Nero erzeugen.
FRANCIACORTA – NOCH MEHR SCHAUMWEIN
Schon lange ist bekannt, dass sich die Lombardei in der Verbindung von Klima und Böden für die Erzeugung von Schaumwein anbietet. Und so ist die Region dank der Kaufkraft und dem entsprechenden Absatzmarkt direkt um die Ecke auch der größte Erzeuger von Spumante nach dem Metodo Classico, also von Schaumweinen mit Flaschengärung. Das Weinbaugebiet Franciacorta ist dabei für einige der renommiertesten Schaumweine Italiens verantwortlich. Die an den Ufern des Iseo-Sees gelegenen Weinberge sind auf gut durchlässigen Moränenböden angepflanzt. Wein gibt es hier schon lange. Doch erst in den 1960er Jahren kam der Schaumwein-Boom. Verantwortlich dafür war Franco Ziliani, der in der Champagne bei Moët & Chandon gelernt hatte und sein Wissen ab 1961 im Weingut von Guido Berlucci anwandte. Heute sind es rund 100 Weingüter, die Schaumweine mit Chardonnay und Pinot Bianco und maximal 15 % Pinot Nero erzeugen. Seit 1995 ist die Region nachvollziehbarerweise zur DOCG aufgestiegen, während die weißen und roten Stillweine unter der DOC Terre di Franciacorta angeboten werden. Der klare Unterschied zum konkurrierenden Champagner liegt darin, dass zum einen der Pinot Bianco eine deutlich größere Bedeutung hat, dass die Weine oft weniger Druck aufweisen und die Dosage »brut« bis zu 20 mg Süße aufweisen darf, während es in der Champagne nur 12 mg sind. Dass High-Class-Schäumer nicht nur am Lago Iseo entstehen können, sondern auch auf dem Weg vom Lago Iseo zum Lago di Garda, beweisen Winzer wie Mattia Corbellini. Der setzt in der Nähe von Brescia auf Chardonnay und Pinot Nero zum Erzeugen seiner Metodo-Classico-Schaumweine, deren Brut-Nature-Stil den heutigen Winzer-Champagnern viel stärker ähnelt als ein Franciacorta.
LUGANA FÜR ALLE
Ein bedeutender Teil der Weinerzeugung am Gardasee liegt nicht etwa im Bereich Veneto, sondern in der Lombardei. Vor allem der rote Marzemino ist dort zu entdecken, aber auch Barbera, Gropello und Sangiovese spielen eine wichtige Rolle. Neben den Rotweinen findet man dort aus diesen Sorten vor allem Roséweine im Chiaretto-Stil. Dieser trockene Rosé hat eine dunklere Farbe als die meisten Roséweine und besitzt nicht nur Säure, sondern auch gerne einen guten Schuss Tannin. Am bekanntesten aber ist der Wein, der für die Münchener das ist, was für die Hamburger der Grauburgunder darstellt: der Lugana. Der entsteht auf den glazialen Schwemmlandböden direkt am Gardasee sowohl in der Lombardei als auch im Veneto auf rund 2.000 Hektar. Erzeugt wird auch der Trebbiano di Soave. Diese Rebsorte wird gerne auch Verdicchio genannt und lokal zudem als Turbiana oder Trebbiano di Lugana bezeichnet. Den Wein gibt es als Lugana DOC, als Superior und als Riserva, als schäumenden Spumante und als Dessertwein Vendemmia Tardiva. Wie es so ist beim »Grauburgunder vom Gardasee«: Es gibt jede Menge Massenware und dazu einige wenige Weine, die aus dieser Masse herausstechen, und zwar von Winzern, die sich Gedanken darüber gemacht haben, was man aus dem Trebbiano di Soave alles an Feinheiten herauskitzeln kann.