SIZILIEN 

Sizilien ist eine eigene Welt. Sizilien ist auch Italien, aber vor allem Sizilien und die größte Insel im Mittelmeer. Sizilien ist Italiens größtes Weinbaugebiet, und es ist wie Phönix aus der Asche gestiegen. Lange war die Insel berühmt für ihren Marsala, und der Marsala war mal auf einer Ebene mit Madeira, Portwein, Sherry und Malaga. Aber Malaga und Marsala sind irgendwann komplett aus der Mode gekommen. Madeira war dann nur noch als billiger Kochwein gut, und Sizilien nur noch ein Traubenlieferant unter vielen. Ab den 1980er Jahren gab es Veränderungen. Es gab einen Syrah-Moment, der alles verändert hat. Doch von vorne.
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WIE GEWONNEN, SO ZERRONNEN 

Soweit man es heute weiß, haben griechische Stämme Sizilien im 8. Jahrhundert v. Chr. besiedelt. Sie legten die Grundsteine für Syrakus und Taormina, die später zu den größten Handelszentren der Antike gehörten. Der Weinbau in Agrigent ist seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. Ab 212 v. Chr. fiel die Insel unter römische Herrschaft. Zwei Weine aus Sizilien gehörten laut Plinius dem Älteren (23–79) zu den besten Weinen des römischen Imperiums. Auf die Römer folgten die Vandalen, die Ostgoten, die Byzantiner, die Osmanen und die Normannen. Ab 1130 wurde Sizilien dann zum Königreich erklärt. Später kamen die Staufer, danach Herrscher aus Aragon, Spanien, Österreich und Frankreich. Es war also ganz schön was los auf der Insel. Und einige der Invasoren, vor allem die Spanier und Franzosen, haben auch Rebsorten auf der Insel zurückgelassen. Der größte Glanz kam dann ab dem 18. Jahrhundert mit den Engländern, die gefühlt von überall her aufgespritete Weine einkauften. Sie verschifften die Süßweine in großen Mengen von der Hafenstadt Marsala aus. Und wie es damals so üblich war, haben sie den Wein direkt nach der Stadt benannt. Der Export war so erfolgreich, dass irgendwann die ganze Insel Grundwein für Marsala erzeugte. Allerdings brach die Nachfrage im 20. Jahrhundert dramatisch ein, und von Marsala wollte kaum noch jemand etwas wissen, außer man nutzte den Wein zum Kochen. Alles, was früher mal von Bedeutung gewesen war, die natürlichen Süßweine der vorgelagerten Insel Pantelleria, die Rotweine vom Ätna –, all das versank im Nebel der Geschichte. Nach dem 2. Weltkrieg hat vor allem die Familie der Conte Tasca d’Almerita den Qualitätsweinbau aufrechterhalten. Bei ihr konnte man eine Ahnung davon bekommen, was auf Sizilien möglich ist. Damals gab es gerade noch zwei Dutzend Weingüter, die ihre Weine exportierten. 

DER SYRAH-MOMENT 

Während die Conte traditionell arbeiteten, war es der Chef einer Genossenschaft, der das Gefühl hatte, es müsse sich dringend etwas ändern. Das war in den frühen 1980er Jahren, und sein Name war Diego Planeta. Planeta leitete damals die 2.300 Mitarbeiter umfassende Cantine Settesoli in Menfi bereits seit 1973. Er brauchte dann allerdings einige Jahre, um viele davon zu überzeugen, dass Sizilien sein Potential ausspielen könne, wenn man auf Qualität und auf einen Mix aus heimischen und internationalen Sorten setzen würde. Gesagt, getan. Die Genossen fingen an, einen sehr guten Syrah zu erzeugen, und zwar genau in der Zeit, als die sonnenverwöhnten Shiraz aus Australien und die Stellenbosch-Weine aus Südafrika sowie die Malbecs aus Argentinien in Europa immer populärer wurden. Das war Siziliens Syrah-Moment. Man wurde auf die Insel aufmerksam, man beachtete den Syrah und mit ihm auch Merlot und Chardonnay. 

DER SCHWARZE AUS AVOLA 

Es dauerte nur wenige Jahre, bis auch der Nero d’Avola von Settesoli und von anderen Weingütern immer populärer wurde. Der Nero d’Avola, der Schwarze aus der südsizilianischen Stadt Avola, passte ebenfalls sehr gut in die 1990er und 2000er. Die rote Sorte besitzt ein pflaumiges Aroma und hat vor allem ein weiches Tannin. Man kann sie so plump ausbauen wie die meisten Primitivo in Apulien. Man kann die Sorte aber auch auf Finesse und Eleganz trimmen. Es kam eine gewisse Goldgräberstimmung auf, und die Kinder von Diego gründeten 1995 ihr eigenes Weingut, die Aziende Agricole Planeta. Es folgten immer mehr Weingüter. Große Unternehmen aus dem Norden Italiens kauften sich ein, Individualisten wie CEOs oder auch Adrianna Occhipinti sorgten für Furore. Nachdem man den Nero d’Avola, den Frappato und weiße Sorten wie Grillo oder Ansonica gebührend beachtet hatte, fiel ein paar Leuten auf, dass es auch in einem anderen Teil der Insel ein paar vielversprechende alte Rebanlagen auf Terrassen gab, nämlich am Ätna. 

ÄTNA, WEINBAU AM LIMIT 

Die große Insel mit ihren fast 120.000 Hektar Weinbergen verfügt über unterschiedliche Weinbauregionen. Im Süden herrscht fast subtropisches Klima – Afrika ist nicht mehr weit. Der Gipfel des Ätna im Norden ist dagegen mit Schnee bedeckt. Dazwischen liegt eine weite Hügellandschaft, in der die großen Mengen erzeugt werden. Den Weinbau am Ätna gab es schon zu griechischer Zeit, und er war auch bis ins 19. Jahrhundert bekannt. Aus dieser Zeit gibt es immer noch viele terrassierte Weinberge, die oft bis auf 1.100 Meter Höhe reichen, vereinzelt sogar bis auf 1.400 Meter. Was die Ecke so interessant macht, sind das Klima, die Böden und drei Rebsorten. Für Weißweine ist das der Catarratto Bianco, der auch Carricante genannt wird und Italiens am meisten angebaute Rebsorte ist – obwohl man ihn fast nur auf Sizilien findet. Das meiste ist also Massenerzeugung. Doch am Ätna wird ein großartiger Wein daraus. Dort bekommt er eine Infusion vom Vulkanboden. Ähnlich geht es den beiden roten Rebsorten Nerello Mascalese und der immer nur in wenigen Prozenten beigesteuerten Sorte Nerello Cappuccio. Zusammen bilden sie den Etna Rosso, und der wird am besten dadurch charakterisiert, dass er so etwas wie einen Bourgogne Cru oder Barolo darstellt. Etwas weniger extrem ist der Weinbau direkt am Meer und am Fuße des Ätna. Auch da findet sich noch Vulkangestein, aber auch Kalk. Und dort hat der alteingesessene Syrah genau das richtige Terroir, um Größe zu zeigen, so wie in den Weinen von –> Peter Vinding Diers.