Weine aus Portugal
Portugal ist ein absolut faszinierendes Weinland. Es ist klein – gerade mal so groß wie Österreich. Doch auf dieser Fläche gibt es rund 500 autochthone Rebsorten, und das bei rund 230.000 Hektar Rebfläche – doppelt so viel wie in Deutschland. Da wird schnell deutlich, welche Bedeutung der Weinbau auch wirtschaftlich für Portugal hat. Schließlich ist Portugal vor allem ein Agrar-Staat. Die Tradition im Weinbau und vielleicht sogar die bis 1974 bestehende Diktatur durch António de Oliveira Salazar haben dafür gesorgt, dass von 500 eigenen Rebsorten rund 250 kommerziell genutzt werden und diese deutlich stärker als irgendwelche internationalen Rebsorten. Nach der Diktatur und mit der Modernisierung des Landes haben zwar viele Weinbauern und Betriebe ihre Flächen mit den alten –> Gemischten Sätzen gerodet zugunsten von Monokulturen, doch man hat damit auch wieder aufgehört, weil man gemerkt hat, dass die Gemischten Sätze ein großer Schatz sind. Portugal ist heute einerseits von einigen wenigen großen Weinbaubetrieben, Genossenschaften und reichen Familien geprägt, aber andererseits auch gesegnet mit einer äußerst dynamischen feinen Weinszene von Minho mit seinen Vinho Verde bis zur Algarve, von Porto bis Madeira und den Kapverdischen Inseln.
Wein für das Weltreich
Der Weinbau in Portugal begann wohl so wie in anderen Mittelmeeranrainern auch. Ab ca. 800 vor Christus kamen Phönizier, dann Griechen und Römer. Sie gründeten Siedlungen und pflanzten Weinreben. Nach den Römern kamen die Mauren und blieben rund 400 Jahre lang zwischen dem 8. Und 12. Jahrhundert, zumindest in Teilen des heutigen Portugals; denn ab dem 9. Jahrhundert eroberten christliche Heere Teile des Landes zurück. Die Mauren benötigten Reben zu Erzeugung von medizinischem Alkohol und für Duftwässer. Die Christen, vor allem die Zisterzienser, bauten später Köster – viele Klöster. Irgendwann waren es um die 100, und alle besaßen eigene Weinberge. Das unabhängige Portugal stieg zur Seemacht auf und begründete ein Weltreich, in das viel Wein verschifft wurde. Gleichzeitig wurde England ein starker Partner, der ebenfalls viel Wein benötigte. Nach einer Hochphase wurde Portugal immer abhängiger von England, und mit dem Methuen-Vertrag von 1703 lieferte Portugal immer mehr Waren an das Britische Königreich, nicht zuletzt Portwein. Der Port wurde neben dem Madeira zu einem der wichtigsten Handelsgüter, und die Engländer wurden immer präsenter im Handel, gründeten eigene Weingüter und Handelshäuser in Villanova de Gaia, das auf der anderen Seite des Douro liegt, Porto genau gegenüber. Der portugiesische Premierminister Marquês de Pombal sorgte 1756 für die ersten klaren Appellationsvorgaben und Produktionsvorschriften, um die Qualität des Portweins zu definieren. So wurde der Port neben dem Chianti in Italien wohl zum ersten Wein mit Qualitätskriterien und Ursprungsbezeichnung. Das Geschäft mit dem Wein lief gut bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dann kamen die großen Verwerfungen: Reblaus, Kriege, Wirtschaftskrise und die lange währende Diktatur von Salazar. Weinbau wurde natürlich trotzdem betrieben. Die Engländer dominierten den Portweinhandel, und nur einige wenige Firmen wie Sogrape exportierten Weine. In großem Maße geschah das in die ehemaligen Kolonien wie Brasilien oder Angola, in kleinerem Maße auch in den Rest Europas. Ein Wein wurde dabei berühmt: der restsüße Mateus Rosé in der Bocksbeutelflasche. Ab den 1980ern ging es langsam bergauf. Die ersten neuen Weingüter formierten sich vom Minho bis ins Alentejo.
Mittelfristiger Profiteur des Klimawandels
Der Klimawandel ist eine Bedrohung für den gesamten Weinbau (und natürlich darüber hinaus). Doch mittelfristig gibt es durchaus Profiteure. Kanada, England oder eben auch Portugal gehören dazu, Deutschland übrigens auch, doch bei uns wird es schneller kippen. In Portugal gab es früher unter zehn Jahrgängen zwei wirklich gute. Heute gibt es unter zehn Jahrgängen ein bis zwei, die nicht so gut sind. Doch, wie gesagt, es ist nur ein mittelfristiger Vorteil; denn Portugal besitzt einen langen Küstenstreifen, und das Wasser steigt. Der Weinbau profitiert natürlich von der Nähe des Wassers. Es ist der Atlantik, der bis hin zur Algarve einen deutlichen Einfluss ausübt. Dieser Einfluss zeigt sich im nördlich gelegenen Minho mit der Appellation Vinho Verde, aber auch in Bairrada, Lisboa, Península de Setúbal, in Teilen des Alentejo und der Algarve, natürlich auch in den weit im Atlantik liegenden Außenposten Madeira und den Azoren, wo wahre atlantische Weine entstehen. Wo der Einfluss geringer ist, sind es oft Flüsse wie der Douro oder der Rio Dão, die mäßigend auf das heiße Klima einwirken. Kontinental geprägt sind zudem Tejo und Alentejo, Beira Interior und Trás-os-Montes.
Was die Böden angeht, so findet man im Norden im Minho bis zum Douro besonders Granitböden. Am Douro selbst sind es vor allem Schiefer- und Tonschieferböden. In den Regionen Bairrada und Dão bis weit nach Süden im Alentejo und an der Algarve vermischen sich oftmals Schiefer und Granit, Kalkstein und Lehm. Eine besondere Ausnahme findet sich in der Mini-Appellation Colares, wo die Reben direkt am Strand als Kriechreben in den Sand gepflanzt werden. Madeira und die Azoren sind ebenfalls Ausnahmen; denn sie sind Inseln mit vulkanischem Gestein.
Rebsorten, der große Schatz Portugals
Wohl nirgendwo sonst kommt es vor, dass in einem Weinbauland auf den ersten 15 Positionen nur zwei Rebsorten zu finden sind, die nicht ursprünglich aus dem Land selbst stammen. In Portugal sind es Platz 1 und 14. Auf Platz 1 aber liegt eine Sorte, die zumindest schon lange in Portugal präsent ist, weil sie von der Iberischen Halbinsel stammt. In Portugal heißt sie Aragonez, Tinta Roriz oder Tinta Santiago. In Spanien nennt man sie Tempranillo oder Tinto Fino. Die Sorte auf Platz 14 ist der Syrah, der tatsächlich von etwas weiter herstammt. Die weltweite Rebsorte Nummer 1, der Cabernet Sauvignon, belegt in Portugal Platz 20 mit gerade etwas mehr als 2.000 Hektar. Überhaupt sind die Rebsorten viel mehr als üblich verteilt. Es dominiert keine. Auch der Aragonez belegt nur 17.000 Hektar – bei 230.000 Hektar insgesamt. Und in den klassischen alten Weingärten oder den neoklassischen Weingärten findet man oft zehn, zwanzig oder mehr Sorten im Gemischten Satz. Natürlich sind die Rebsorten an die Umgebung angepasst, und so gibt es sehr viele Sorten, die lokal begrenzt sind. Der klassische portugiesische Wein ist – wie schon angedeutet – ein Gemischter Satz oder eine Cuvée. Dass man sortenreine Weine erzeugt, ist ein noch jungen Phänomen, das vor alle im Norden immer häufiger zu finden ist. Dort hat man immer noch den klassischen Vinho Verde, der meist aus Alvarinho, Loureiro, Arinto, Avezzo und teils aus noch anderen Sorten besteht. Doch es gibt immer häufiger auch sortenreine Weine dieser Rebsorten. Ähnlich ist es in Bairrada und Dão, wo man mittlerweile häufig auf reinsortige Baga oder Touriga Nacional stößt. Die große Ausnahme im Rebsortenspiegel der Regionen bildet übrigens der Alentejo. Dort gab es zwar auch schon vor den 1980er Jahren Weinbau, doch man hat alles auf Null gesetzt und neu angefangen – vor allem mit international bekannten Rebsorten. Heute baut man diese zugunsten der klassischen portugiesischen wieder zurück; denn immerhin sind diese ein echter USP.
Die Weinbauregionen im Norden
Portugal grenzt im Norden an das spanische Galicien mit den Rías Baixas. Der Grenzfluss ist der Minho, nachdem auch die Region benannt ist. Man kennt vor allem einen Wein aus der Region, den Vinho Verde. Daher gibt es für das –> Minho auch einen eigenen Eintrag. Nur so viel: Der Vinho Verde, also der grüne Wein, heißt so, weil er aus dem regenreichsten, also grünsten Gebiet Portugals stammt. Der Wein selbst ist nicht grün, eher weiß, rosé oder rot.
Noch recht unbekannt ist das Anbaugebiet Trás-o-Montes. Es kann sein, dass es daran liegt, dass es hinter den Bergen bei den sieben Zwergen liegt; denn genau das heißt Trás-o-Montes übersetzt. Es liegt weit im Hinterland an der Grenze zu Spanien und ist mit rund 70.000 Hektar die größte Appellation Portugals, allerdings erst seit wenigen Jahren. Dessen ist der eigentliche Grund, weshalb kaum jemand Trás-o-Montes kennt. Das Potential ist gut, es werden weiße, roséfarbene und rote Weine erzeugt, und zwar vor allem aus den Sorten Bastardo, Cornifesto, Mourisco Tinto, Gouveio (Godello) und Códega (Síria).
Am Douro entstehen klassischerweise weiße und vor allem rote aufgespritete Weine, die Ports. Doch seit rund 20 Jahren wird das Gebiet immer stärker bei trockenen, nicht aufgespriteten Weinen. Der 900 Kilometer lange Fluss fließt zunächst durch Spanien, vorbei an Ribera del Duero, bildet dann über 100 Kilometer die Landesgrenze zwischen Spanien und Portugal ist danach für rund 100 Flusskilometer die Lebensader für das Anbaugebiet Douro und fließt bei Porto in den Atlantik. Dort und in einigen Nebentälern sind die Weinberge meist stark terrassiert, von Schiefer geprägt und mit vielen Rebsorten besetzt. Dazu gehören die roten Sorten Touriga Nacional, Tinta Amarela, Tinta Barroca, Tinto Cão, Tinta Roriz und Tinta Franca sowie die weißen Encruzado, Esgana Cão (Sercial) und Gouveio (Verdello). Von den rund 40.000 Hektar werden 33.000 für Portwein genutzt. Der Wein wird meist in den Quintas erzeugt und oftmals noch in Häuser der Weingüter in Vila Nova de Gaia gebracht, wo die Weine dann reifen.
Die Weinbauregionen an der Küste
Lange Zeit über kannte Bairrada kaum jemand. Dort wurde vor allem der Mateus Rosé erzeugt, also jener Rosé, der lange Zeit der wichtigste Exportartikel des portugiesischen Weinbaus war. Seine Hauptrebsorte ist der –> Baga. Und der kann entweder große Mengen an Wein erzeugen – wie für den Rosé – oder begrenzt werden und außergewöhnliche Weine und Schaumweine entstehen lassen. Bairrada liegt unterhalb von Porto, rund eine Stunde in Richtung Lissabon die Küste entlang. Der Atlantik prägt die Region und den Stil der Weine. Der ist immer frischer geworden, auch beim Baga, der ein großartiges Alterungspotential besitzt. Neben Baga findet man die weißen Sorten Maria Gomez und Bical. Alle drei Sorten werden dort auch für Portugals beste Schaumweinproduktion genutzt.
Etwas weiter im Hinterland befindet sich das Dão, benannt nach dem Rio Dão. Den bekanntesten Grenzpunkt bildet das –> Palácio Hotel do Buçaco, dessen Weine Legende sind und dessen Trauben aus Bairrada wie auch aus dem Dão stammen. Dão ist eine wilde und sehr ursprüngliche Landschaft, die noch heute zu rund 80 % bewaldet ist. Der Weinbau findet dort auf bis zu 800 Metern Höhe statt und wird oft auf sehr alten Weinbergen betrieben. Gerade diese uralten Weinberge und Mischkulturen mit anderen Pflanzen prägen das Land. Die DOC Dão gilt nur für Rotweine. Die oft exzellenten Weißweine, Rosés und Schaumweine fallen unter die Landwein-Kategorie.
Zurück zur Küste und weiter gen Süden findet man rund 60.000 Hektar Weingärten in der Region Lisboa, die bis vor wenigen Jahren noch als Estremadura bekannt war. Doch Lisboa zieht einfach mehr als Estremadura. Der Name Lisboa (Lissabon), der damals nur eine kleine Sub-Appellation bezeichnete, war einfach zugkräftiger. Die mit Abstand meisten Weine werden unter der Bezeichnung Vinho Regional Lisboa erzeugt. Als Sorten findet man hier die weißen Arinto, Fernão Píres, Malvasia und Vital sowie Alicante Bouschet, Aragonez Castelão, aber auch Chardonnay, Sauvignon Blanc, Cabernet und Merlot. Neben dem Landwein stechen einige kleine exzellente Appellationen hervor. Dazu gehören Arruda, Bucelas, Carcavelos und Colares mit seinen Sandreben.
Südlich von Lissabon werden auf der Peninsula de Setúbal (sprich: Schtubal) Süßweine aus Moscatel erzeugt. Sie waren früher ähnlich bekannt wie Tokaij oder Sauternes, aber natürlich sind auch in Portugal die Süßweine weitgehend aus der Mode gekommen. Dafür gibt es auf der Halbinsel mittlerweile sehr feine Rotweine aus der DOC Palmela mit mindestens 67 % Castelão,die durch Aragonez, Cabernet, Syrah oder Trincadeira ergänzt werden.
Die Algarve ist unterm Strich bekannter für das Tourismus-Angebot als für ihren Wein. Doch die Weine, die erzeugt werden, finden optimale südliche Bedingungen vor. Und es gibt entsprechend eine ganz Anzahl sehr guter Weine, die vor allem aus den Rebsorten Siria und Arinto, Bastardo, Castelão, Trincadeira und Negramole (Negramoll) erzeugt werden.
Weine mit kontinentalem Einfluss
Im Hinterland geht die Algarve in den Alentejo über. Im Osten grenzt dieses weite Land an Spanien, reicht im Westen bis Lissabon, im Norden an Beira Interior und an den Tejo, von dem es einen Teil seines Namens hat. Alentejo war und ist immer noch als Kornkammer des Landes bekannt. Es wird Olivenöl und jede Menge Kork von den allgegenwärtigen Korkeichen erzeugt. Das Anbaugebiet wurde früher gerne als Kalifornien Portugals bezeichnet, vor allem deshalb, weil es wie Kalifornien gleichsam aus dem Nichts gestartet und schnell bekannt geworden ist. Vielleicht aber auch deshalb, weil man damals auf internationale Rebsorten gesetzt hat. Heute findet man neben dem noch sehr erfolgreichen Syrah vor allem Aragonez, Trincadeira, Castelão, Alfrocheiro und Alicante Bouschet.
Weinbau am Vulkan
Zu den ungewöhnlichsten Weinbaugebieten gehören die Azoren und Madeira. Beide Inselgruppen waren schon im 16. Jahrhundert für ihre aufgespriteten für die Seeschifffahrt tauglichen Weine bekannt. Bei dem Madeira ist das so geblieben. Die Azoren erleben erst jetzt eine Renaissance. Die neun Inseln, von denen heute auf Pico, Graciosa und Terceira Weinbau betrieben wird, liegen auf dem gleichen Breitengrad wie Lissabon, aber auf dem halben Weg zu den USA. Der Weinbau basiert auf oft uralten Weinanpflanzungen, die von Trockenmauern umgeben sind, auch von Schwefelgruben und Lavagestein. Die Reben selbst wurden und werden meist in Löcher mitten ins Lavagestein gepflanzt. Erzeugt wird auch heute noch der alkoholverstärkte Wein und ein besonderer Rotwein, der Vinho do Cheiro, also Erdbeerwein genannt wird und von der amerikanischen Hybridrebe Isabella stammt. Besonders populär aber werden zunehmend die frischen trockenen Weißweine aus Arinto, die an Meeresgischt erinnern.
Madeira ist ein Wein, der die Zeit überdauert hat. Über Jahrzehnte hinweg wurde er immer weniger, und es gab keinen neuen Erzeuger. Doch das hat sich vor einigen Jahren geändert, es ist ein neues Haus entstanden. Das Problem bei einer solchen Neugründung ist, dass der Madeira sehr lange braucht, um zu reifen und in den Handel zu gelangen. Grundlage des Madeira von der gleichnamigen Insel ist das Maderisieren, bei dem der einfache Wein sehr langsam in sogenannten Estufas, beheizbaren großen Fässern, erhitzt wird. Die besten Weine werden auf den Dachböden der Quintas gelagert, wo sie der natürlichen Hitze des subtropischen Klimas ausgesetzt sind. Damit erzeugt man einen ähnlichen Effekt, wie ihn die Seeleute erfahren haben, die mit ihren Schiffen im 16. Jahrhundert Madeira mit an Bord hatten, der in südlichen Gefilden immer wärmer und immer besser geworden ist. Traditionell werden vier weiße Rebsorten genutzt: Sercial wird trocken ausgebaut, Verdelho halbtrocken, Bual (oder Boal) halbsüß und Malmsey süß.
Portugal zwischen Tradition und Veränderung
Wer das Spannungsfeld des portugiesischen Weinbaus kennenlernen möchte, der besucht am besten Porto in der zweiten Februarhälfte. Dann findet traditionell die Weinmesse Essência do Vinho in der gediegenen historischen Börse statt. Das Who‘s who ist anwesend, die Standpreise sind teuer, und alles wirkt klassisch wie über Jahrhunderte gewachsen. Nicht weit davon entfernt hat sich die Simplesmente Vinhos etabliert. Es ist eine Weinmesse, auf der Winzer zeigen, was heute wirklich in Portugal passiert. Und da ist viel Dynamik drin. Naturwein, seltene Rebsorten, Amphoren, völlig neue, leichte Weinstile sorgen für ein sich immer weiter veränderndes Bild des portugiesischen Weinbaus.