WEIN AUS MADEIRA
Es gibt viele unterschiedliche Herkunftsorte und Traditionen für aufgespritete bzw. alkoholverstärkte Weine. Die Weine von der portugiesischen Insel Madeira dürften allerdings wohl die ungewöhnlichste Historie und Machart besitzen.
ES BEGINNT MIT EINEM UMWELTVERGEHEN
Die Insel Madeira liegt im Atlantik fast 1.000 Kilometer entfernt vom portugiesischen Festland und rund 500 km nördlich der Kanarischen Inseln weit vor der Küste Marokkos. Entdeckt wurde sie 1420 vom portugiesischen Seefahrer João Gonçalves, der damals eine Insel vorfand, die so dicht bewaldet war, dass er sie Insel des Waldes nannte, was übersetzt so viel heißt wie Madeira. Bar jeden Gefühls für den Reichtum an Flora und Fauna, den die Insel besessen haben dürfte, setzten die Portugiesen die Insel in Brand. Das Feuer soll sieben Jahre lang gelodert haben, und danach war die Insel mehr oder weniger kahl. Dafür aber sorgte die Asche im Boden für eine gute Grundlage, Wein anbauen zu können. Madeira entwickelte sich zu einem der wichtigsten Anlaufpunkte für die große portugiesische, aber auch für die niederländische Flotte auf der Fahrt nach Süd- und Mittelamerika wie auch ins südliche Afrika und nach Asien. Funchal, der Hafen Madeiras, wurde so zur Zwischenstation, und die Schiffe mussten alles Mögliche, nicht zuletzt haltbare Getränke auf ihre lange Reise mitnehmen.
WIE DER MADEIRA ENTSTANDEN IST
Bis es zum Madeira gekommen ist, wie wir ihn seit dem 19. Jahrhundert kennen, hat es eine gewisse Zeit gebraucht. Der übliche Wein, der auf Madeira an- und ausgebaut wurde, verdarb ziemlich schnell auf den Seereisen, sodass man dazu überging, die Weine der Insel mit Branntwein aufzuspriten, der aus Zuckerrohr destilliert wurde, das in den Überseegebieten in Amerika, später aber auch auf Madeira wuchs. Diese Art von gespritetem Wein unterschied sich nicht wesentlich von den Dry Sacks der Kanarischen Inseln, von Portwein, Malaga, Banyuls oder Marsala. Die besondere Art des Madeira, die man deshalb auch Madeirisierung nennt, ist eher durch einen Zufall entstanden. Man hat festgestellt, dass die aufgespriteten Weine immer besser wurden, je länger sie auf den Schiffen unterwegs waren, vor allem dann, wenn diese den heißen tropischen Tagen und den kühlen Nächten ausgeliefert waren. Irgendwann im 17. Jahrhundert begann man damit, Schiffe ausschließlich zum Zweck der Madeirisierung der Weine randvoll mit Fässern zu beladen und sie nach Ostindien und wieder zurück segeln zu lassen. Das üwar ziemlich viel Aufwand für den sogenannten Vinho de torna-viagem (Wein, der eine Reise macht) bzw. Vinho da roda (Wein auf Rundtour). Im 17. Jahrhundert begannen die Engländer, die längst den Handel mit Madeira übernommen hatten, damit, Weinlager mit Blechdächern zu bauen, die tagsüber so heiß wie Öfen wurden. Ein solches Lager nannte man Estufa, was so viel heißt wie Ofen. Die Engländer bezeichneten es als hothouse. Dort wurden die Weinfässer unter hohen Temperaturen und Temperaturschwankungen gelagert. Dieses Jahrhundert war das goldene Zeitalter des Madeira. Er wurde in großen Mengen nach Brasilien und in die nordamerikanischen Kolonien exportiert, nach Australien ebenso wie nach Großbritannien, Russland und Nordafrika. In der amerikanischen Revolution spielte er sogar eine Schlüsselrolle in Bezug auf Einfuhrzölle auf Fässer mit Madeira. Später wurde mit einem Glas Madeira der Toast auf die Unabhängigkeitserklärung der USA begleitet.
EINHUNDERT JAHRE EINSAMKEIT
Doch die USA waren auch für den Niedergang des Madeira mitverantwortlich, zumindest indirekt; denn aus den USA stammten die drei Geißeln des Weinbaus: der Echte Mehltau, der Falsche Mehltau und die Reblaus. Der Weinbau auf Madeira verkam zusehends ab den 1860er Jahren und wurde durch den dann einträglicheren Zuckerrohranbau ersetzt. Von den einst so stolzen Weinbaubetrieben blieb kaum etwas übrig, und es wurden bis in die 1980er Jahre nur noch von ausgewählten Kreisen alte Füllungen verkauft und gekauft. Wie der Malaga und der Marsala wurde auch der Madeira ein billiger Kochwein, und das Erhitzungsverfahren des Weins wurde in beheizten Tanks simuliert, vereinfacht und verkürzt.
Erst im Jahr 1988 begann die einflussreiche Familie Symington, die aus der Portweinerzeugung und dem Handel nicht wegzudenken ist, damit, die Madeira Wine Company wieder zu installieren. Seitdem gibt es eine Wiederbelebung des so traditionsreichen und so großartigen Weinstils, der eigentlich viele verschiedene Stile umfasst. Heute findet man wieder mehrere Häuser, die mit Madeira handeln, und es gab sogar eine Neugründung, was immer heikel ist, weil man bei der langwierigen Erzeugung von Madeira ja eher in Generationen als in Jahren denken muss.
DIE REBSORTEN UND STILE DER INSEL
Die rund 2.100 Hektar Weinberge auf Madeira, die heute als Blumeninsel bekannt ist, werden von rund 4.000 Weinbauern vornehmlich im Nebenerwerb gepflegt. 80 Prozent der Fläche belegt die Tinta Negra Mole a.k.a. Negramoll, die für die Erzeugung von günstigem Madeira genutzt wird. Tinta Negra Mole wird für alle Ausbauarten von trocken bis süß verwendet. Sonst ist es üblich, für die jeweiligen Süße-Stile eine spezielle Sorte zu verwenden. Die Sorte Sercial von der kühleren Nordseite der Insel wird für trockenen Madeira verwendet. Der nussige Verdelho wird für halbtrockenen Madeira genutzt und für den etwas leichteren und restsüßeren sogenannten Rainwater Madeira. Bual setzt man für halbsüße und schon deutlich an Trockenfrüchte und Karamell erinnernde Weine ein. Bleibt schließlich der Malmesey, wie die Britten den Malvasia nennen. Es ist der Wein, in dem sich 1478 ein Bruder des englischen Königs Edward IV. hat ertränken lassen, weil er das dem Tod durch das Schwert vorzog. Es gibt auf der Insel immer noch kleinste Mengen der Rebsorten Bastardo, Moscatel und Terrantez, deren Stilrichtungen fast ausgestorben sind, aber aktuell wiederbelebt werden. Es tut sich also etwas auf der Insel, deren Weine ein enormes Potential besitzen.