Weine aus Spanien

Wenn es um die Weinbaufläche geht, macht Spanien keiner etwas vor. Mehr als eine Millionen Hektar stehen dort unter Reben. Doch wenn es um den Ertrag geht, so wechseln sich Spanien, Frankreich und Italien immer mal wieder an der Spitze ab. Das liegt vor allem daran, dass es in Spanien überdurchschnittlich viele alte Reben mit geringen Erträgen gibt. Außerdem sorgen die oft extremen klimatischen Verhältnisse auf den Hochebenen für natürliche Ertragsbegrenzungen. Der Weinbau in Spanien hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten stark verändert. Früher ging es vor allem um fruchtbetonte und kraftvolle Rotweine. Weißweine spielte kaum eine Rolle. Mittlerweile aber sind die Weißweine extrem gefragt, ebenso Rotweine mit Frische und Druck. Hier ist nicht nur eine neue Generation am Werk, ein klassisches Weinbauland hat sich ein gutes Stück in die Moderne bewegt. Mit dabei: Der ökologische Weinbau, der mit mehr als 113.000 Hektar so viel Fläche hat wie der gesamte deutsche Weinbau. Das sind knapp 33 % der gesamten europäischen Öko-Weinbergfläche (Stand: 2018).
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Ein kurzer Blick über die Schulter

Wenn wir mit unseren Weinmacherinnen und Weinmachern sprechen, dann ist der Blick eigentlich immer nach vorne gerichtet, es sei denn, es geht darum, irgendwo alte Reben zu finden. Trotzdem lohnt es sich, kurz zurückzublicken. Wie so oft am Mittelmeer waren es Griechen und Phönizier, die in Spanien Siedlungen gründeten und ihre Weinreben gleich mitbrachten. Die Stadt Gadir, das heutige Cádiz, wurde 1100 v. Chr. gegründet und entwickelte sich schnell zu einem Handelszentrum – auch für Wein. Die Römer liebten Wein aus Baetica und Tarraconensis, dem heutigen Andalusien und Tarragona, und verschifften große Mengen davon. Nach der Völkerwanderung kamen gegen 711 die Mauren und nahmen einen Großteil der Iberischen Halbinsel in Besitz. Die Weintrauben wurden als Tafeltrauben genutzt. Und das blieb so bis 1492, als es christlichen Armeen gelang, die islamische Herrschaft zu beenden. Ab da begann die große Zeit der Klöster, die großflächig Wein anbauten. Ab dem 16. Jahrhundert wurden die Flächen ausgeweitet, weil man zusätzlich Wein in die eroberten amerikanischen Gebiete liefern konnte. Für die Verschiffung nutze man oft stabile alkoholverstärkte Weine wie Jerez oder Málaga. Viele dieser alkoholverstärkten Weine kamen aber auch von den Kanarischen Inseln. Da die Engländer solche Weine sehr schätzten, wurden sie auch verstärkt nach England exportiert. 

Der moderne Weinbau beginnt in der Rioja

Dem spanischen Weinbau ging es damals sehr gut – bis die Reblaus kam. In vielen Ecken des Landes hat sie den Weinbau ruiniert. In Navarra und vor allem in der Rioja war man etwas ausgefuchster. Dort hatte man genau verfolgt, was in Frankreich gegen die Reblaus unternommen wurde und viele Weinberge bereits mit reblausresistenten Weinstöcken ausgestattet. Auch sonst hatte man vom Nachbarland viel abgeschaut, vor allem von Bordeaux. In Navarra hat man eine ganze Reihe an Rebsorten aus dem Südwesten Frankreichs übernommen, in der Rioja vor allem die Ausbauart in kleinen Holzfässern. Damit hatte man gleich mehrere Trümpfe in der Hand und konnte im ausgehenden 19. Jahrhundert gar nicht so schnell produzieren, wie nachgefragt wurde. Der nächste Schlag ins Kontor war dann der Bürgerkrieg und das lang andauernde Franco-Regime. Rioja und Jerez konnten zwar ihre Exporte weitgehend aufrechterhalten. Für die anderen Regionen sah es aber bedeutend schlechter aus. Der Weinbau wurde in vielen Gegenden mehr oder weniger aufgegeben. Das änderte sich erst ab 1986, als man sich von Franco ein Stück weit erholt hatte. Neben Rioja wurde Ribera del Duero ein zweites Tempranillo-Gebiet mit einem modernen Stil, der Robert Parker sehr gefiel. Rioja zog nach und erfand sich ein Stück weit neu. Spanien wurde immer erfolgreicher, weil man auch im Marketing aufholte. Das meiste, was von der Halbinsel kam, war jedoch Wein im konzentrierten, fruchtbetonten und reifen Stil. Daneben kamen die ersten Weißweine aus den Rias Baíxas und der Rueda. Für uns wurde die nächste Stufe vor rund 20 Jahren gezündet, als eine neue Generation von Winzern sich zunehmend den vielen autochthonen Rebsorten zuwandte, alte Regionen wiederentdeckte und damit auch alte Weinberge. 

Unterschiedlichste Böden und klimatische Einflüsse

Wenn es um Spanien, seine Böden und das Klima geht, dann wird es ganz schön kompliziert. Während wir in Deutschland zwischen Mosel und Baden letztlich gerade mal zwei Klimazonen besitzen und es um ein eher kontinentales Klima geht, ist das auf der Iberischen Halbinsel ganz anders. Ein Teil wird vom Atlantik geprägt, ein anderer vom Mittelmeer, und zudem gibt es eine weit gestreckte Hochebene. Kaum jemandem ist bewusst, dass Spanien nach der Schweiz und Albanien das gebirgigste Land Europas ist. Es gibt zwar keine 4.000er wie in den Alpen, aber die Pyrenäen, das Kantabrische Gebirge, die Sierra Nevada, die Kordilleren, die Sierra de Tramuntana und weitere Gebirgszüge. Und überall dort, wo sich Gebirgszüge auffalten, und vor allem dann, wenn sich unterschiedliche Gebirge gegenseitig beeinflussen, entstehen komplexe Bodenverhältnisse. Hinzu kommen neben den Einflüssen der Meere auch die vom Ebro und dem Duero, dem Tajo, dem Rio Guadiana oder dem Rio Turia. Schließlich gehören auch die Balearen und die Kanaren als Inselgruppen mit einem ganz eigenen Klima zu Spanien. 

Der atlantisch geprägte Norden im Weinbauland

Das Festland kann man in drei Klimazonen einteilen. Das nördliche Spanien reicht vom portugiesischen Rio Minho, dem Grenzfluss zum portugiesischen Vinho-Verde-Gebiet, über Galicien, Asturien, Kantabrien, das Baskenland, La Rioja, Navarra, Aragonien bis zu den Pyrenäen und Katalonien im Osten. Es ist der grünste Teil Spaniens. Es gibt vergleichsweise hohe Niederschläge und die typischen starken Differenzen zwischen heißen Sommern und oft schneereichen, klirrend kalten Wintern. Dort entstehen atlantisch geprägte Weine. Schaut man mit der Lupe auf die einzelnen Regionen, ergeben sich natürlich viele Unterschiede. Tief im Nordwesten, an der Grenze zu Portugal, ist es regenreich. Der Weinbau in den Appellationen wie den –> Rías Baixas, Ribeiro, Valdeorras und –> Ribera Sacra ist vor allem geprägt von Granit und Rebsorten aus dem spanisch-portugiesischen Grenzgebiet. Dazu gehören Albariño, Caíño, Loureiro, Espadeiro oder Godello. Von Ribeira Sacra und Valdeorras aus Richtung Bierzo wird es immer schieferhaltiger, und neben Godello ist die rote Mencía die prägende Rebsorte. An der baskischen Küste spielt die weiße Hondarribi Zuri beim jung zu trinkenden Txakoli eine bedeutende Rolle. Etwas weiter im Inland findet man dann den baskischen Teil der Rioja und ferner Navarra. Während Navarra bis heute deutlich von französischen Rebsorten geprägt ist, hat man in der Rioja vor allem Tempranillo und die weiße Viura, die auch als Macabeo bekannt ist. 

Die große Hochebene 

Die Iberische Meseta umfasst rund 200.000 km2. Das entspricht rund einem Fünftel des Landes. Sie ist das durchweg dünn besiedelte Hochland im Zentrum des Landes. Im Norden findet man –> Castilla y Léon, Altkastilien und Léon, wo das erste spanische Königreich entstand. Die nördliche Meseta umfasst Ribera del Duero, Rueda, –> Toro, Bierzo als Grenzgebiet zum atlantischen Klima und viele weitere kleine Anbaugebiete. Tempranillo findet man hier in großer Menge, aber auch Verdejo, Cabernet und Mencía. Im Süden liegen Neukastilien, La Mancha und auch Madrid, die Hauptstadt des Landes mit der –> Sierra de Gredos. Auch Mentrida oder Valdepeñas gehören zu der Region. Viele dieser kleinen Appellationen wurden lange unterschätzt oder überhaupt nicht beachtet. Die Reben waren alt und als Buschreben oft weit verstreut in der hügeligen Landschaft. Es brauchte viel Arbeit, um hier erfolgreich zu sein. Doch mittlerweile hat man den Schatz dieser alten Reben erkannt. 

Die Mittelmeerküste 

Die spanische Mittelmeerküste zieht sich von der französischen Grenze in den Pyrenäen bis nach Andalusien. Die großen Gebiete sind Katalonien, Valencia, Murcia und Andalusien. Sie alle sind geprägt von der Sonne sowie der Feuchte und den Brisen des Mittelmeeres sowie von starken Tag-Nacht-Amplituden. In Katalonien befindet sich das Zentrum der Cava-Produktion, die wiederentdeckte Cru-Appellation –> Priorat samt ihrem Nachbarn Montsant sowie das Penedès, das die Familie Torres bekannt gemacht hat. Anbaugebiete wie Jumilla, Yecla, Utiel-Requena, Alicante und Valencia sind in den letzten Jahren ebenfalls aus völliger Unbekanntheit ins Rampenlicht gerückt. Die oft hoch gelegenen Gebiete verfügen über eine Vielzahl an alten Reben der Sorten Monastrell, Alicante Bouschet, Tempranillo oder Bobal. Das älteste Anbaugebiet am Mittelmeer liegt indes bei Cadiz und Jerez. Dort herrschen die Sorten Pedro Jimenez und Listán (Palomino) vor. Sie stehen oft auf den weißen Albariza-Kreideböden und erbringen Jerez bzw. Sherry von staubtrockenen bis süß, genauer gesagt von Manzanilla, Fino, Amontillado und Oloroso über trockenen, aber mit Süsswein versetzten Cream, Medium und Pale Cream bis hin zu den Dulces Naturales aus den Rebsorten Pedro Ximenez und Moscatel. 

Die Inseln

Auf den Balearen und den Kanaren gibt es gleichfalls Weinbau. Der hat die Inseln lange geprägt. Allein auf Mallorca gibt es mehr als ein Dutzend autochthoner Rebsorten. Die bekanntesten sind Callet, Fogeneu und Mantonegro. Teneriffa besitzt mit dem Pico del Teide den höchsten Berg Spaniens. An seinen Hängen und ebenso auf La Palma wachsen Rebstöcke, die teils mehr als 200 Jahre alt sind. Auf Gran Canaria und auf Lanzarote stehen die Rebstöcke teils in schwarzem Vulkangestein. Diese Inselweine erzählen eine ganz eigene Geschichte. 

Dynamik ist das, was zählt

Der spanische Weinbau ist von einer großen Dynamik geprägt. Er hat sich in vielen Teilen neu erfunden. Einerseits gibt es natürlich noch die großen Genossenschaften und Erzeuger, die sehr günstig Weine für die Supermärkte in aller Welt erzeugen. Zudem gibt es die Klassiker aus Gebieten wie Toro, Ribera del Duero, La Rioja oder Navarra, die eher vom Holz geprägt und oft etwas schwer sind. Doch sowohl in diesen Gebieten wie auch anderswo findet man anderseits die frischen Weine, die für eine veränderte Genusskultur stehen. Diese prägen heute das Bild, und zwar zusammen mit oft uralten Rebsorten, die erst jetzt wieder in Erscheinung treten, und mit ebenso alten Weinbauregionen, die lange vergessen abseits der üblichen Wege lagen. Dort haben Genossenschaften den Weinbau lange am Leben erhalten. Heute können dort Weinmacher Weine nach eigenem Konzept erzeugen.