RÍAS BAIXAS 

Der galicische Name Rías Baixas, im Spanischen Rías Bajas, heißt so viel wie Untere Wassergräben oder Buchten. Wo es untere Buchten gibt, gibt es auch obere. Die Rías Altas liegen im nördlichen Galicien und sind sehr steil, die Rías Baixas dagegen sind vier tief ins Land reichende Buchten, aus denen vier Flüsse ins Meer fließen. Man findet sie zwischen Cabo Fisterra und der Grenze zu Portugal. In den Rías Baixas gibt es nicht nur rund 3.500 Flöße zur Aufzucht von Miesmuscheln, dort hat auch das spanische Weißweinwunder seinen Anfang genommen.
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WASSER SPIELT HIER DIE HAUPTROLLE 

Die Rías Baixas liegen im äußersten Nordwesten Spaniens an der Grenze zum portugiesischen Vinho-Verde-Gebiet. Wie das Vinho Verde die regenreichste Region Portugals ist, so verhält es sich mit den Rías Baixas auch für Spanien. Dort regnet es locker 1.600 Millimeter im Jahr. In Hamburg sind es 710 mm. Dass Weinbau dort überhaupt Sinn macht, liegt daran, dass der Niederschlag vor allem in der vegetationsarmen Periode nach der Lese bis in den März und April stattfindet. Im Sommer sind die Verhältnisse dann ähnlich wie in Rheinhessen, allerdings mit dem Unterschied, dass die Weinberge sehr nahe am Atlantik liegen und es immer frische Brisen vom Meer gibt. 

DIE ANFÄNGE SIND TYPISCH FÜR SPANIEN 

Wenn man sich die Weinbau-Geschichte der Region betrachtet, ist sie sehr typisch für Spanien. Erst kamen die Römer, deren Weinbau zwar nicht verbrieft ist, aber angenommen werden kann; denn sie haben überall Weinbau betrieben, wo sie gesiedelt haben. Was allerdings sehr wohl belegt ist, ist der Weinbau, den die Zisterziensermönche ab dem 12. Jahrhundert betrieben haben. Galicien ist ja die Region, in der Santiago di Compostela liegt. Und dieser Ort war über Jahrhunderte hinweg nach Rom der wichtigste Wallfahrtsort Europas und Ziel des Jakobsweges. Typisch ist ebenfalls, dass der Weinbau ab dem 14. Jahrhundert deutlich ausgebaut wurde, da die Weine nach Amerika, aber auch nach England verschifft wurden. Auch beim Niedergang des Weinbaus im 19. Jahrhundert machte Galicien keine Ausnahme. Erst gab es Handelskriege, Exportzölle und Überkapazitäten, dann kam die Reblaus. Die Region hat lange gebraucht, um sich davon zu erholen. Nach und nach hat man wieder angepflanzt und dabei die folgenreiche Entscheidung getroffen, vor allem auf die klassischen Rebsorten der Region zu setzen. 

ALBARIÑO, DER GAMECHANGER 

Eine Rebsorte hat es dabei zu besonderem Ruhm gebracht. Es ist der Albariño, auf Portugiesisch Alvarinho. Der Name bedeutet so viel wie Die Weiße von Rhein, weil man lange dachte, es handelte sich eine besondere Riesling-Art und Pilger oder Mönche hätten sie einst vom Rhein nach Spanien gebracht. Heute weiß man es besser; denn gibt es DNA-Analysen. Und die haben herausgefunden, dass der Albariño vom Loureiro abstammt. Der Loureiro ist neben dem Alvarinho die zweite wichtige Rebsorte im Vinho-Verde-Gebiet. In Spanien heißt sie Loureira oder Marqués. Der Albariño ist also ein Kind der Region. Und er wird heute auf 90 % der Fläche angebaut. Tatsächlich ist es gar nicht so weit hergeholt, dass man Albariño und Riesling miteinander vergleicht. Was die Ausdruckskraft, die Frische, die Säurestruktur und die Floralität angeht, gibt es spürbare Ähnlichkeiten. Die Sorte ist auch ähnlich vielseitig. Vom Schaumwein bis zum Süßwein ist alles drin. Doch die Rías Baixas haben sich vor allem mit trockenem Wein einen Namen gemacht. Das passt auch zur atlantisch geprägten Küche, da Seafood hier die Nummer eins ist. 

VON DER KALTVERGÄRUNG ZUR KOMPLEXITÄT 

Der Erfolg des Albariño und der Rías Baixas begann in den frühen 1980er Jahren. 1980 erhielt der Wein eine erste offizielle Bezeichnung namens La Denominación Específica Albariño. Nach dem Beitritt Spaniens zur Europäischen Union wurde die Bezeichnung dann 1988 in Denominación de Origen (D.O.) Rías Baixas geändert. Der EU-Beitritt Spaniens brachte auch Finanzmittel und Investitionen für Rías Baixas mit sich, was zur Folge hatte, dass man den Wein auch international bekannt machen konnte. Damals und auch die nächsten Jahrzehnte hat man auf einen blitzsauberen Weinstil gesetzt – nachvollziehbar; denn der war damals noch recht neu. Es ging um Kaltvergärung im Edelstahl mit Zuchthefen. Die Weine schmeckten zwar im Wesentlichen alle gleich, aber sie waren blitzsauber, frisch und wirkten kühl und aromatisch. Das kam gut an. Erst mit der Zeit hat sich eine parallele Bewegung geformt, zu der auch Rodrigo Méndez gehört, der 2005 das Weingut Forjas del Salnes gegründet hat – inspiriert und begleitet von Raul Perez, einem der wichtigsten Weinmacher Galiciens. Diese neuen, jungen Winzer haben einen ganz anderen Stil in der Region etabliert, nämlich Terroirwein von meist uralten, oft noch als Pergola erzogenen Reben. Auch bei ihnen spielt der Albariño die Hauptrolle, doch sie setzen auch auf seltene Rebsorten wie Caíño, Loureiro, Fernão Pires und Treixadura, Sousòn, Espadeiro oder Pedral. Für diese Winzer ist auch die Herkunft einer Rebsorte immer wichtiger geworden. 

GRANIT, SCHIEFER UND SCHWEMMLANDBÖDEN 

Heute gibt es fünf Subappellationen in den Rías Baixas. Ursprünglich handelte es sich um das Kerngebiet Val do Salnés, das am Grenzfluss Minho gelegene Condado do Tea sowie O Rosal. Im Jahr 1996 wurde die Unterregion Soutomaior eingegliedert, und im Jahr 2000 kam Ribeira do Ulla hinzu. Entlang der Buchten und Küsten dominieren Schwemmlandböden, während etwas weiter im Inland auf oftmals terrassierten Hängen Schiefer und Granit vorherrschen. Die neue Winzergeneration arbeitet die Unterschiede dieser Subzonen sehr präzise und klar heraus, nutzt viel häufiger die Hefen der Weinberge zur Spontanvergärung, spielt mit Reduktion und Oxidation, Maischestandzeiten und dem Verzicht auf Schwefel, sodass der Weinbau in den Rías Baixas immer attraktiver wird.