ARGENTINIEN 

Die Anfänge des Weinbaus in Argentinien sind eng mit der Landnahme und der Zwangsmissionierung verbunden. Über Jahrhunderte hinweg wurde der argentinische Wein als leichtes Alltagsgetränk vor allem im Inland getrunken. Erst Ende der 1970er und vor allem ab den 1990er Jahren hat sich das nach dem Ende des Militärregimes grundlegend geändert.
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MESSWEIN UND EIN UMTRIEBIGER JESUITENPATER 

Es ist ja schön, wenn eine Weinbaugeschichte mal nicht mit den Griechen oder den Römern beginnt. Allerdings bezieht sich das Schöne bei den Anfängen des Weinbaus in Argentinien eher auf die Abwechslung, weniger auf den Inhalt; denn die Anfänge von Argentiniens Weinbau sind eng verknüpft mit der Eroberung und der Besiedlung durch die spanischen Konquistadoren. Sie brachten zunächst den Wein auf ihren Schiffen mit, dann die ersten Reben. In ihrem Schlepptau befanden sich später auch Patres, die die indigene Bevölkerung zum Katholizismus bekehren wollten. Und die Kirche brauchte auch Messwein. Die Missionare besaßen dafür sogar eine eigene Rebsorte, die sich dann in ganz Süd- und Mittelamerika bis hin nach Kalifornien verbreitet hat: die Missionsrebe, in Argentinien auch Criolla Grande, in Chile País genannt. Der Erste, von dem man heute noch weiß, dass er im Jahr 1551 von Chile aus über die Anden nach Argentinien kam und unter anderem die Rebsorte Criolla, aber auch die Sorte Listán Prieto im Gepäck hatte, war der Jesuitenpater Juan Cidrón. Er ließ sich in Santiago del Estero, der ältesten Stadt Argentiniens, nieder und erzeugte dort den für diese wuchskräftige Sorte typischen hellen leichten Wein. Aus dem Jahr 1556 weiß man, dass die Rebsorten dann schon in den Provinzen La Rioja und San Juan angepflanzt wurden. Rund zehn Jahr später wechselte der Pater nach Mendoza, ins Herz des heute bekanntesten Anbaugebiets Argentiniens. Mendoza war als spanische Stadt zwar neu gegründet worden, doch konnten die Bauern dort das ausgeklügelte Bewässerungssystem der vertriebenen bzw. ausgerotteten Inka übernehmen, durch das Schmelzwasser aus den Anden in die Täler gebracht wurde. Dieses sehr mineralreiche Schmelzwasser, die Trockenheit und Wärme sowie die steinigen Böden sind bis heute ideal geeignet für den Weinbau.

VOM MASSENTRÄGER ZUM VORZEIGE-MALBEC 

Der Weg von der Zwei-Liter-Flasche zum 100-Punkte-Wein hat in Argentinien rund 450 Jahre gedauert. Wein war über die letzten Jahrhunderte zwar im gesamten Land populär, es wurde aber fast ausschließlich leichter Wein getrunken. Der stammte aus Hektarerträgen von bis zu 400 hl/ha. Im Vergleich: Die Erntemenge eines einfachen deutschen Fassweins liegt eher bei 120 bis 150 hl/ha. Erstaunlich ist nicht nur die Ertragsmenge, sondern auch die Verbreitung. Standen im Jahr 1890 gerade einmal knapp 3.000 Hektar unter Reben, waren es 1977 350.000 Hektar, also fast dreimal so viel wie in Deutschland. Damals herrschte noch das Militär, und die Depression hatte zu einem Pro-Kopf-Verbrauch von rund 90 Litern / Jahr geführt. Nach dem Ende der Diktatur hat sich das Ganze dann auf eher 30 Liter verringert. 

MALBEC SEIT CA. 1855 

Der offizielle Begründer des argentinischen Qualitätsweinbaus ist Don Tiburcio Benegas, der 1883 in Godoy Cruz das Weingut Trapiche gegründet hatte und neben Listán und Criolla auch französische Reben anbaute. Schon der französische Agronom Michel Aimé Pouget hatte Mitte des 19. Jahrhunderts den Auftrag erhalten, geeignete Reben für Argentinien und speziell für Mendoza zu suchen, und er wurde bei den klassischen südwestfranzösischen Sorten fündig – allem voran bei Malbec und Cabernet. 

Malbec – diese Rebsorte aus dem französischen Südwesten, die in Frankreich eigentlich Côt genannt wird, hat sehr viel mit dem Aufstieg des argentinischen Weinbaus zu tun. In Frankreich gehörte sie früher zur Bordelaiser Stammbelegschaft – genauso wie der Carménère. Doch beide Sorten haben die Neuanpflanzungen nach der Reblauskatastrophe in Bordeaux nicht überlebt. Cabernet und Merlot hatten sich als besser geeignet erwiesen. Malbec fand man dann vor allem noch im Cahors und in der Touraine. In Argentinien wurde der Malbec im Laufe der Zeit zur Signature-Rebsorte oder zur unique sales proposition (USP), wie der Betriebswirt das nennt. Weinert, das einzige namhafte Weingut, das im Argentinien der 1970er Jahre gegründet wurde, legte mit dem Estrella einen Malbec auf, der international Beachtung fand. Den eigentlichen Umschwung aber hat Nicolás Catena, der Grandseigneur des argentinischen Weinbaus, gebracht. Der hatte das 1902 gegründete Weingut seiner Vorfahren in den 1980er Jahren verlassen, um eine Uni-Karriere in Berkeley, Kalifornien, zu starten. Doch interessierte ihn natürlich auch der Weinbau dort, und er lernte unter anderem Robert Mondavi kennen. Der war für Kalifornien in etwa das, was Nicolás Catena heute für Argentinien ist: ein Visionär. Er pfiff also auf die Universitäts-Karriere, ging zurück ins heimische Weingut und krempelte den ganzen Laden um. 

Weingüter wie Moët & Chandon, Concha y Toro, Sogrape oder Bacardi haben investiert, und Weingüter wie die Bodegas O. Fournier, Achaval Ferrer oder Catena Zapata spielen auf internationalem Spitzenniveau mit. Fourniers Alfa Crux, Weinerts Estrella, der Cheval des Andes oder die Estiba Reservada von Catena Zapata sind Icons, die sich bei keiner renommierten Probe verstecken müssen. 

COOL-CLIMATE-WEINBAU MIT BLICK AUF DIE ANDEN 

Heute stehen in Argentinien rund 220.000 Hektar unter Reben. Sie verteilen sich längst nicht mehr nur auf Mendoza, sondern finden sich, oft klein parzelliert und immer mit dem Blick auf die Anden, in Catamarca, Chubut, Jujuy, La Rioja, Río Negro, Salta und San Juan. Neben dem allgegenwärtigen Malbec und den heimischen Rebsorten Cereza, Douce Noire, Criolla Grande und Torrontés sind Cabernet Sauvignon, Syrah und Pedro Ximénez heute international am stärksten gefragt. Die Voraussetzungen für die Zukunft sind gut; denn die Höhenlagen in den Anden garantieren den Cool-Climate-Weinbau. Begeisternd sind die Weine jedoch nicht nur im oberen Preisgefüge. Auch die exportierten Alltagsweine machen klassischen europäischen Erzeugern viel Konkurrenz.