WEIN AUS AUSTRALIEN 

Shiraz, Barossa, Grange? Das sind meist die ersten Namen, wenn man nach australischen Weinen fragt. Das kommt nicht von ungefähr; denn über längere Zeit hinweg war nur der Penfolds Grange ein Synonym für australische Spitzenweine. Er stand auch für einen bestimmten Stil, der gerne als Blockbuster bezeichnet wird – auch wenn ein gereifter Grange sehr elegant sein kann. Shiraz, der australische Name für Syrah, wurde seit den 1990ern zur Grundlage dieser konzentrierten Stilistik kraftvoller australischer Rotweine. Und die kamen meist aus Barossa. Der Grange ist auch heute noch der am höchsten ausgezeichnete australische Wein. Aber er steht nicht mehr allein auf weiter Flur. Immer häufiger trifft man auch auf andere Rebsorten als Shiraz oder auch Cabernet Sauvignon. Und auch wenn Barossa bis heute eines der ältesten Weinbaugebiete des Kontinents ist, so hat sich der Blick auf den australischen Weinbau inzwischen deutlich erweitert. Es wäre ja auch seltsam, wenn auf einer Strecke von 4.000 Kilometern und 175.000 Hektar nicht mehr zu entdecken wäre. Doch das ist es, aber man muss eben genau hinschauen.
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AUSTRALISCHER WEINBAU BEGANN MIT EUROPÄISCHEN SIEDLERN 

Australien ist ein eigener Kontinent, dessen Landbrücke zu Neuguinea vor rund 6.000 Jahren überflutet wurde. Bevor die Europäer die terra australis im 16. Jahrhundert erreichten, lebten dort schon seit rund 50.000 Jahren verschiedene Völker. Für uns sind sie nur ein Volk. Wir nennen sie Aborigines. Dass auf dem Kontinent schon Menschen lebten, war den Europäern bei der Besiedlung des Landes ziemlich gleichgültig, aber das beginnt sich heute langsam zu ändern. James Cook nahm die Ostküste des Kontinents im Jahr 1770 für das Vereinigte Britische Königreich in Besitz, und die Briten nutzen sie als Strafkolonie. Es folgten aber schnell auch weitere Auswanderer, Glückssucher und Verfolgte. Zu ihnen gehörte der Schotte James Busby, der als Vater des australischen Weinbaus gilt, ferner der englischstämmige Arzt Dr. Christopher Rawson Penfold, auch die Deutschen Joseph Ernst Seppelt sowie Johann Christian Henschke zählten dazu. Sie siedelten vor allem im Barossa Valley, in Coonawarra, in den Adelaide Hills und am Margaret River. Die Weinbau betreibenden Ärzte nutzen roten Wein vor allem als tonisches Stärkungsmittel für ihre Patienten. Dass der Wein neben der Stärkung gleichzeitig auch leicht sedativ wirkte, wurde dankend akzeptiert. Vielen Einwohnern reichte es aber auf die Dauer nicht aus, nur leicht einen sitzen zu haben. Sie wollten stärker berauscht sein, und so wuchs der Weinbau und mit ihm die Erzeugung von alkoholverstärkten Weinen. 

Es war ein deutschstämmiger Weinmacher, der die ersten Schritte unternahm, dies zu ändern. Sein Name? Max Schubert. Er heuerte schon als Jugendlicher bei Penfolds an, fuhr in jungen Jahren nach Frankreich, um Ausbaumethoden und Rebsorten zu studieren, und kam mit Flausen im Kopf nach Australien zurück. Er wollte Qualitätsweinbau betreiben, was aber bei der Führung von Penfolds auf taube Ohren stieß. Trotzdem bastelte er heimlich an einem neuen Wein, den er nach der Nummer des Fasses, in dem er den Wein ausbaute, BIN 95 nannte und nach seinem französischen Vorbild die Bezeichnung Grange Hermitage hinzufügte. Der Grange wurde schnell zur Mutter aller Qualitätsweine Australiens, und Weingüter wie zum Beispiel Rosemount Estate, Hardy’s oder Peter Lehmann machten es Penfolds nach. 

ERST FETT UND KRÄFTIG, DANN IRGENDWANN DOCH ZUNEHMEND FEIN UND SCHLANK 

Mit diesem dichten, reifen und fruchtbetonten Stil, der immer auch von einem markanten Holzeinsatz unterstützt wurde, ist Australien ab den 1970er Jahren international sehr erfolgreich geworden. Allerdings ging es fast immer nur um Blockbuster aus Shiraz und Cabernet oder um sehr buttrige Chardonnays. Und neben der Tatsache, dass all das schnell ein bisschen zu viel des Guten war, wurde immer klarer, dass die Weine weniger im Weinberg entstanden als im Keller gemacht wurden. Die australische Erzeugung von Wein war weltweit am stärksten technisiert. Und so kam es dazu, dass selbst die eigene Bevölkerung diese Weine irgendwann satt hatte – zumal die immer besser werdende Küche in den großen Städten auch immer eleganter und frischer wurde und nach ebenso eleganten und frischen Weinen verlangte. Und so trank man statt der australischen Weine lieber neuseeländische. Das konnte sich der heimische Weinbau nicht gefallen lassen, und er veränderte sich ab den 2000ern zunehmend. Das hatte auch viel damit zu tun, dass innerhalb eines Generationenwechsels Menschen wie Taras Ochota die Bühne betraten: bestens ausgebildet, erfahren, aber eben auch unabhängig im Denken und im Tun. Es bildeten sich immer mehr Hotspots für frische und elegante Weine, die weltweit wahrgenommen wurden. Und selbst die Natural Wine Szene ist längst in Australien angekommen. 

Den Anfang in Richtung Eleganz machte Margaret River, ein Weinbaugebiet, das abgeschieden von allen anderen im tiefen Südwesten liegt, und zwar dort, wo der Indische und der Pazifische Ozean aufeinandertreffen und die Böden hervorragend geeignet sind für elegante Chardonnays und Cabernets. Eine neuer Hotspot sind auch die Adelaide Hills, die im Hinterland von Adelaide liegen und sich fundamental vom benachbarten Barossa und dem ebenfalls nicht weit entfernten McLaren Vale unterscheiden. Letztere sind eher heiße Gebiete, allerdings mit oft uralten Reben und auch uralten Böden, was beide Regionen absolut spannend macht. Die Adelaide Hills stehen heute für einen frischen Stil und auch für Schaumweine. Die besten Schaumwein-Spezialisten aber findet man in Tasmanien, der großen vorgelagerten Insel, die wie kein anderes Anbaugebiet von den kühlen Einflüssen der Antarktis profitiert. Die größten Veränderungen wiederum hat es in Victoria gegeben, also rund um die Metropole Melbourne. Anbaugebiete wie das Yarra Valley haben sich seit den 1970er Jahren enorm entwickelt. Die Mornington Peninsula, Heathcote, Gippsland, Beechworth, Murray Darling, Geelong oder die Pyrenees sind Anbaugebiete, die erst langsam, aber doch mit Macht ins Bewusstsein dringen. 

SICH NEU ERFINDEN 

Wenn man aufs große Ganze schaut, dann ist Australien insgesamt ein konservativer Kontinent. Das Geld wird vor allem mit dem Export von Rohstoffen verdient, und weil man mit Kohle sehr viel Kohle verdient, wird politisch weitgehend der Klimawandel ignoriert. Zu den großen Problemen zählt inzwischen auch der Wassermangel, zu dem der große Gebiete umfassende Weinbau nicht unerheblich beiträgt; denn neben den feinen Boutique-Weingütern, die wir im Programm haben, sind es vor allem Großkonzerne, die Weine für den weltweiten Lebensmitteleinzelhandel produzieren. Wenn man dann bedenkt, dass für die Erzeugung von einem Liter Wein in heißen Ländern auch schnell mal, übers Jahr verteilt, 800 Liter Wasser erforderlich sind, dann wird das Problem überaus deutlich. Aus unserer Sicht kann der australische Weinbau auf Dauer nur im Kleinen stattfinden, und das nachhaltig. Die handwerklichen Erzeuger arbeiten fast alle so. Und die haben sich nicht nur in Sachen Nachhaltigkeit neu erfunden, sie gehen auch auf andere Weise auf den Klimawandel ein. Zwar dominieren bis heute Shiraz, Chardonnay, Cabernet Sauvignon, Merlot und Sauvignon Blanc, doch findet man immer mehr Nebbiolo, Barbera, Tempranillo oder andere spanische und portugiesische Sorten. Immer mehr Winzer verzichten auf Barriques und bauen ihre Weine in Terracotta oder großem gebrauchten Holz oder im Edelstahl aus. Die Abkehr von Aromahefen hin zur Spontanvergärung ist ebenso offensichtlich wie frühere Lesezeitpunkte, die für mehr Frische in den Weinen sorgen. Wer Australien in Sachen Wein in den letzten Jahren bereist hat, dürfte bemerkt haben, dass sich dort sehr viel tut. Während die Weinmacher aus dem oben schon so oft erwähnten Weingut mit dem „P“ mittlerweile dazu übergehen, Trauben aus Südaustralien und Kalifornien miteinander zu vermischen, gibt es in Australien immer mehr Weinmacher, die ihren Stil weiter verfeinern, mehr auf Terroir setzen – ein Begriff, der in Australien lange gar keine Rolle gespielt hat – und small badges, also nur kleine Füllungen besonderer Weinberge und Parzellen erzeugen, die sie vor allem für den heimischen Markt bereitstellen, weil Adelaide, Melbourne und Sydney nach diesen natürlich erzeugten Weinen verlangen. Wenn wir Glück haben, bekommen wir ein bisschen was davon bis nach Deutschland verschifft.