WEIN VON DER MOSEL 

Die Mosel, das ist Deutschlands wohl ältestes Weinbaugebiet, das sind spektakulär steile Weinberge, das sind Campingplätze an Orten, an denen man sich Gartencafés wünschen würde, das ist klassischer Weinstil und das ist Aufbruch. Die Weine der Mosel sind national wie international bis heute sicher insgesamt die bekanntesten Weine aus Deutschland, zumindest die klassischen Stile wie Spätlesen und Kabinette. Und das sind auch bis heute die Weine, an die man denkt, wenn es um Moselwein geht. Der Weinbau dort ist jedoch längst ein paar Schritte weiter.
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RÖMER, RIESLING UND REALTEILUNG 

Zum Anbaugebiet Mosel gehören die Weinberge der Obermosel rund um Perl und gegenüber von Luxemburg, die Weine der Nebenflüsse Ruwer und Saar, des Moseltors, der Mittelmosel und der Terrassenmosel. Als die Römer während des Gallischen Krieges im 1. Jahrhundert v. Chr. ins Moseltal marschierten, fanden sie dort schon keltischen Weinbau vor. Sie besetzten das Tal und gründeten 16 v. Chr. Trier, das damals Augusta Treverorum genannt wurde. Interessant ist die Menge an Fundstücken aus dieser Zeit, die einen intensiven Weinbau belegen. Das wichtigste ist sicher das Neumagener Weinschiff. Das war Teil des Grabmals eines römischen Weinhändlers aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. das belegt, dass die Römer damals Wein bereits in Fässern transportierten. Wie überall anderswo auch kam nach den Römern die Völkerwanderung mit großen Umbrüchen, die erst die frühen mittelalterlichen Reiche und vor allem die Kirche mit der Gründung von Klöstern in den Griff bekamen. Die Klöster reaktivierten den Weinbau und weiteten ihn aus. Nachteilig für den Weinbau war Jahrhunderte später dann die Annexion des Moseltals durch Napoleon Bonaparte am Ende des 18. Jahrhunderts. Dessen große Gebiets- und Gesetzesreform führte zur Realteilung und damit zu immer kleiner zerstückeltem Landbesitz. Als die Mosel 1815 an Preußen fiel, wurden die Weinbergslagen erstmals klassifiziert und drei staatliche Weinbaudomänen gegründet. Die wichtigste Rebsorte war damals schon der Riesling. Und bereits laut Dekret von 1787 sollte sie schon nach Meinung des Trierer Erzbischofs Clemens Wenzeslaus die einzige sein, die auf Kirchengrund angebaut werden durfte. Bis zum Ersten Weltkrieg war der Weinbau überaus erfolgreich. Doch dann kam der Absturz. Weltkriege, Wirtschaftskrisen, der Verlust von Winzern durch den Krieg und die Zerstörung der früher weitgehend in jüdischen Händen liegenden Handelsstruktur sowie die kleine Parzellierung verhinderten, dass die Mosel an die früheren Erfolge anschließen konnte. Es gab zwar an der Mittelmosel Betriebe, die sich davon nicht beirren ließen und weiter hochklassige Weine erzeugten. Die wurden dann aber fast ausschließlich exportiert; denn in Deutschland wurden ab den 1970er Jahren vor allem billige Weine getrunken. Das führte dazu, dass große Flächen an der Mosel mit Müller-Thurgau, Kerner und anderen ertragsreichen Neuzüchtungen bepflanzt wurden. Das neue Weingesetz und die Flurbereinigung Anfang der 1970er vernichteten alte Parzellen und förderten den Billiganbau. Dazu passte dann die Einrichtung von Campingplätzen an besonders schönen Plätzen des Moselufers, wo diese billigen Weine gerne direkt vor Ort konsumiert wurden. Moselwein aber kann eigentlich nicht billig sein, wenn man sich die steilen, oft ausschließlich per Hand zu bewirtschaftenden Weinberge anschaut. 

STEIL, STEILER AM STEILSTEN 

Tatsächlich gehören Weinberge wie der Bremmer Calmont mit 65 Grad Hangneigung zu den steilsten der Welt. Der Calmont liegt im Bereich Mittelmosel. Die Mosel selbst fließt zwischen Hunsrück und Eifel, also durch einen Teil des Rheinischen Schiefergebirges. Im Wesentlichen gehören die rund 8.800 Hektar zu Rheinland-Pfalz. Da aber die Saar auch zum Bereich des Moselweins gehört, liegt auch ein Teil im Saarland. Die Mosel kommt aus den französischen Vogesen und erreicht Deutschland im Dreiländereck bei Perl. Dort findet man dann Weinbau auf der luxemburgischen wie der deutschen Seite. Der deutsche Bereich bis zur Mündung der Saar in die Mosel wird Obermosel genannt. Das Besondere hier: An der Obermosel gibt es keinen Schiefer, vielmehr Muschelkalk und Keuper wie in Teilen von Württemberg oder Franken. Das liegt daran, dass dieser Teil nicht zum Rheinischen Schiefergebirge gehört, sondern noch zum Pariser Becken wie die Champagne. Daher gibt es hier auch mehr Champagne-Rebsorten und viel Schaumwein. Es dominieren der Elbling, eine der ältesten deutschen Rebsorten, dazu gibt es vor allem Weißburgunder, Grauburgunder und Spätburgunder sowie zunehmend auch Chardonnay. Die typischen Moselweine beginnen bei Konz, wo die Saar in die Mosel mündet. Ab da fließt sie durch Schiefer, und zwar über 237 Flusskilometer, obwohl es Luftlinie nur rund 100 Kilometer bis Koblenz sind, wo die Mosel dann den Rhein erreicht. Dass die Mosel so starke Biegungen macht, ist für den Weinbau wesentlich. Die Schieferformationen, durch die die Mosel fließt, sind immer wieder anders. Es gibt vor allem den Devon-Schiefer, der so heißt, weil er im Erdzeitalter des Devon entstanden ist. Es gibt aber auch Varianten wie roten, grünen, grauen oder blauen Schiefer – was immer von den Mineralien abhängt, die sich mit dem Schiefer gemischt haben. Bei Zell wird der Schiefer weicher, und es gibt sowohl Tonschiefer als auch Grauwacke. In den Flachlagen im Hinterland findet manauch Schotter-, Kies- und Sandböden. Die sind bis heute ein Paradies für Müller-Thurgau, Kerner und Bacchus. 

DIE KLASSIK LIEGT IN DER MITTE 

Der bekannteste Teil der Mosel ist sicher die Mittelmosel. Die umfasst mal locker 6.000 der 8.800 Hektar. Dort gibt es die meisten der alteingesessenen Betriebe und all die Orte und Weinberge, die man irgendwie schon mal gehört hat: Bernkasteler Doctor, Brauneberger Juffer, Erdener Prälat, Piesporter Goldtröpfchen, Trittenheimer Apotheke, Ürziger Würzgarten, Wehlener Sonnenuhr oder Zeltinger Himmelreich. Im Prinzip ist das auch der Bereich, in dem sich die klassischen Prädikate des deutschen Weinbaus entwickelt haben, bei denen die Qualität nach Mostgewicht, also Zuckergehalt beurteilt wird, was in Oechsle (Oe) gemessen wird. Aufgeteilt sind die Prädikate in Qualitätswein, der meist der einfache Gutswein ist. Dann folgt der Kabinett: fein, leicht, rassig aus reifen, aber recht früh gelesenen Trauben mit wenig Alkohol. Die nächsten Stufen sind Spätlese: reif mit satter Frucht, Auslese: kräftig, komplex, vollreif, Beerenauslese: fruchtig und konzentriert aus überreifen, teils edelfaulen Beeren, Eiswein mit ähnlichem Mostgewicht, aber aus gefrorenen Beeren. Dann gibt es noch die Trockenbeerenauslese aus rosinenartig eingeschrumpften edelfaulen Beeren mit starker Süße- und Fruchtkonzentration. Solche Weine sind bis heute typisch für die Mittelmosel, aber auch für Saar und Ruwer. An der Ruwer gibt es gerade einmal 200 Hektar mit 90 % Rieslinganteil. Die Weine sind säurebetonter als die von der Mosel, und trotz der wenigen Hektar gibt es dort einige berühmte Lagen. Zu denen gehören der Eitelsbacher Karthäuserhofberg und der Abtsberg, der Bruderberg und der Herrenberg des Weinguts Maximin Grünhaus. Der Weinbau an der Saar ist mit 750 Hektar schon größer, und die Zahl der bekannten Betriebe und Weinbergslagen ebenfalls. An der Saar findet man vor allem den graublauen Hunsrückschiefer, der oft zu einer ganz eigenen Salzigkeit in den Weinen führt. Berühmt sind hier zum Beispiel die Ayler Kupp, der Saarburger Rausch und der Wiltinger Scharzberg. Schließlich gibt es zwischen Zell und Koblenz noch die Terrassenmosel. Die heißt so, weil die Weinberge meist terrassiert und sehr steil sind. Der erwähnte Bremmer Calmont gehört dazu, aber auch das St. Aldegunder Himmelreich und die Winninger Lagen Röttgen und Uhlen. 

AUFBRUCH 

Es gibt an der Mosel heute noch rund 5.000 Winzer, allerdings mit fallender Tendenz, und rund 8.800 Hektar Weinberge, ebenfalls mit fallender Tendenz. Das liegt daran, dass sich für viele der Weinbau nicht mehr lohnt. Die Anlagen sind so steil, dass sie komplett von Hand bewirtschaftet werden müssen. Und für diese Weine wird oft nicht der angemessene Preis bezahlt. Viele Winzer arbeiten auch im Nebenerwerb und liefern Trauben unter Wert ab. So kommt es immer häufiger vor, dass Weinberge offengelassen werden, also verwahrlosen, was für die Nachbarweinberge ein Problem ist, weil die verwildernden Weinberge Wildschweine anziehen und Pilzbefall ermöglichen. Und doch gibt es auch an der Mosel erfreuliche Veränderungen. Man muss halt die Nische finden. Es gibt Winzer an der Obermosel, die sich im Burgund haben ausbilden lassen und das Terroir der Obermosel ganz neu interpretieren. Es gibt ferner eine ganze Gruppe von Winzern um Winningen herum, die sich dem Naturwein verschrieben haben. Es gibt schließlich noch Winzer wie Philipp Kettern und die Niepoorts bei Fio, die Mosel-Riesling ganz neu interpretieren, indem sie ganz alte und traditionelle Ausbaustile anwenden. Tatsächlich ist die Mosel immer noch ein sehr klassisches Gebiet. Doch es hat sich viel in den letzten Jahren getan.