WEIN AUS GRIECHENLAND 

Eines ist sicher: Griechenland gehört zu den ältesten Weinbauländern der Welt, aber es gehört heute nicht unbedingt zu den bekanntesten. Das hat sicher viel damit zu tun, dass der Weinbau zwischen dem 15. und der Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu komplett zum Erliegen kam, weil Griechenland von Osmanen regiert wurde. Auch danach gab es viele unruhige Zeiten. Doch seit den 1980ern hat sich der Weinbau prächtig entwickelt. Und nach und nach wird das auch außerhalb Griechenlands wahrgenommen.
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WEINBAU-URSPRUNGSLAND 

In Bibliotheken finden sich über den historischen Weinbau Griechenlands meterweise Bücher. Ob er dort quasi erfunden wurde oder doch eher in Georgien, Armenien, Kleinasien oder ganz woanders, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Klar ist aber, dass es ihn in Griechenland seit mehreren tausend Jahren gibt und dass er der Sage nach auf Dionysos, den Gott des Weines und der Ekstase, zurückgeht. Wein war zunächst ein kultisches Getränk, später aber auch beim Volk beliebt, und schon Homer schreibt, dass der Wein über das Mittelmeer hinweg gehandelt wurde. Man weiß ebenfalls, dass es Griechen waren, die den Weinbau nach Süditalien, nach Frankreich und in weitere Anrainerstaaten gebracht haben. Bis ins 14. Jahrhundert war griechischer Süßwein ein Importschlager und wurde vor allem von der am Peloponnes gelegenen Hafenstadt Monemvasia aus gehandelt. Von dort stammt auch der Name einer großen Gruppe von Traubensorten namens Malvasia, die untereinander nicht unbedingt verwandt sein müssen, im Zweifel aber Monemvasia als Zwischenstation in ihrem Lebenslauf stehen haben. 

WEINBAU HEUTE 

Die schon angesprochene Besetzung Griechenlands durch die Osmanen, deren Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453 erfolgte, dauerte bis 1820. Danach gab es zwar erste Neuanpflanzungen, doch die Reblaus und der Mehltau machten dem Weinbau erneut weitgehend einen Strich durch die Rechnung. Später war Griechenland in beide Weltkriege verwickelt, und es folgte eine Militärdiktatur bis 1974. Der eigentliche Aufschwung kam mit dem Eintritt des Landes in die Europäische Union 1981. Seitdem hat sich der Weinbau besser entwickelt als viele andere Wirtschaftsbereiche. 

Heute findet auf den rund 132.000 km2 des Landes auf rund 110.000 Hektar Weinbau statt. Die Hektarzahl entspricht also der Deutschlands, die Fläche aber nur zu einem Drittel. Im Vergleich umfasst der deutsche Weinbau also das Dreifache, weil Griechenland sich auf mehr als 3.000 Inseln verteilt und zu den gebirgigsten Ländern Europas zählt. Das hat aber auch zur Folge, dass Weinbau in Höhenlagen möglich ist und fast immer gleichzeitig in Meeresnähe, was zu einem sehr guten Mix mit den ansonsten heißen Sommertemperaturen führt. Hier gibt es also potentiell viel Aroma und gute Säurestrukturen, die noch durch die oft kalkigen Böden gefördert werden. Kalk, Schwemmland, Sand und im Falle von Santorin oder Limnos auch vulkanische Gesteine herrschen vor. 

HUNDERTE EIGENE REBSORTEN 

Neben Italien und Portugal und ganz abgesehen von Georgien und der Türkei gehört Griechenland zu den Weinbauländern mit der größten Rebsortenvielfalt. Es sind um die 300, und die nehmen auch 85 % der Fläche ein. Das ist ein großer Schatz des Landes, der durch die Reblauskatastrophe im 19. Jahrhundert allerdings ziemlich sicher um 80 bis 90 % verringert wurde. Zudem hat die Vielfalt den Export der Weine zunächst nicht leichter gemacht hat. Wer kaufte früher schon Weine, deren Rebsorte er nicht kannte und vielleicht in griechischer Schrift auch kaum lesen konnte? Heute sehen das viele anders. Heute sind viele Sommeliers, Weinhändler und Liebhaber auf der Suche nach der Vielfalt und dem Unbekannten, und deshalb hat auch international die Stunde des griechischen Weinbaus geschlagen. Die flächenmäßig wichtigsten Rebsorten, die weiße Savatiano, die weiß-roséfarbene Rhoditis sowie die rote Agiorgitiko, sind außerhalb Griechenlands bis heute kaum bekannt, stehen zusammen aber auf immerhin 22.000 Hektar. Die beiden am häufigsten angebauten Sorten der Welt, Cabernet Sauvignon und Merlot, liegen im Rebsortenspiegel auf Platz sieben und elf mit zusammen rund 3.300 Hektar. Die bekanntesten griechischen Rebsorten sind definitiv der rote Xinomavro und der weiße Assyrtiko. 

TERROIR-VIELFALT 

Noch vielfältiger als die Rebsorten sind die unterschiedlichen Terroirs. Zunächst kann man zwischen Weinen vom Festland und denen von den Inseln unterscheiden. Doch das wäre ein bisschen zu simpel. Allein das Festland muss zumindest in Makedonien, Thessalien, Epirus, Zentralgriechenland und den Peloponnes unterteilt werden. Und bei den Inseln gibt es die Ionischen Inseln, die vielen Ägäischen Inseln und Kreta. 

WEINE VOM NÖRDLICH GELEGENEN GRIECHISCHEN FESTLAND 

Das historisch vielleicht bedeutsamste Gebiet ist sicher Thrakien. Das wird schon bei Homer erwähnt, wo Odysseus den einäugigen Zyklopen Polyphem besiegen kann, weil er ihm vorher viel thrakischen Wein eingeschüttet hatte. Das historische Thrakien liegt aber nur zum Teil in Griechenland. Ein größerer Teil befindet sich im heutigen Bulgarien, in der Türkei und in Nordmakedonien. In Griechenland wie in Nordmakedonien wird vor allem Xinomavro erzeugt. Der griechische Teil, der im Nordwesten liegt, wird ebenfalls Makedonien genannt, weshalb es mit dem kleinen Nachbarstaat lange Namensstreitigkeiten gab. Das Anbaugebiet Makedonien ist mit rund 34.000 km2 das größte auf dem griechischen Festland. Zu ihm zählen vier Qualitätsweinbaugebiete, die in Griechenland als POP bezeichnet werden, was für Prostatevomenis Onomasías Proelefsis steht, übersetzt: Geschützte Ursprungsbezeichnung. Es sind die landeinwärts und klimatisch eher kontinental geprägten Amynteo, Naoussa, Goumenissa sowie die Côtes de Meliton auf der Halbinsel Sithonia, was auf französische Einflüsse hindeutet. Tatsächlich ist dort der Anbau von französischen Rebsorten neben Xinomavro besonders ausgeprägt. Als einzige POP Griechenlands steht Amynteo auch für klassifizierte Rosés und Roséschaumweine. 

Unterhalb von Makedonien liegt die Region Thessalien etwas weiter im Osten. Das Gebiet ist eine große Tiefebene, in der viel Getreide angebaut wird. Allerdings erhebt sich dort auch der Olymp, der höchste Berg Griechenlands. In Thessalien werden auf rund 7.500 Hektar Tafeltrauben und auf rund 3.500 Hektar Weintrauben angebaut. Die bekanntesten Anbaugebiete sind die POPs Anchialos, Messenikola und Rapsani, wo vor allem die Rebsorten Xinomavro, Rhoditis, Batiki, Krassato und Stavroto zu finden sind. 

Von Thessalien bis nach Albanien reicht die Region Epirus mit der POP Zitsa und der PGE (Prostatevomenis Geografikis Endixis: Landwein) Metsovo. Metsovo ist bekannt für internationale Stile und Rebsorten, in Zitsa werden trockene Stillweine sowie die Perl- und Schaumweine aus der lokalen Sorte Debina vinifiziert, die in Zitsa auch Zitsa genannt wird. Ungewöhnlich ist, dass die roséfarbenen Schaumweine als POP Amynteo deklariert werden, obwohl die POP in Makedonien liegt. 

WEINE VOM SÜDLICH GELEGENEN GRIECHISCHEN FESTLAND 

Während im Norden vor allem rote Trauben angebaut werden, ändert sich das Richtung Süden in Zentral-Griechenland auf der Halbinsel Attika, wo auch die Hauptstadt Athen liegt. Hier finden sich die Region Böotien sowie die Insel Euböa. Beide Gebiete sind bekannt für ihren Harzwein Retsina, den es dort seit der Antike gibt, als man die Amphoren noch mit Harz ausgekleidet und auch verschlossen hat. Retsina heisst übersetzt Harz. Heutzutage wird dem Wein während der Gärung das Harz der Aleppo-Kiefer zugeführt. Neben Unmengen an Massenabfüllungen, wie man sie aus hiesigen Restaurants kennt, gibt es auch einige hochwertige, handwerklich arbeitende Erzeuger. Für diese Weine werden meist die Sorten Savatiano und Rhoditis genutzt. Der Retsina hat die Ursprungsbezeichnung OKP (Onomasía katá Parádosi), was so viel bedeutet wie Ursprungsgeschützt mit traditionellen Kellermethoden. 

Der Peloponnes ist die größte Halbinsel des Festlandes, wo auch rund ein Viertel allen Weines erzeugt wird. Hinzu kommen Tafeltrauben und Rosinen, die dort als Korinthen bezeichnet werden. Der Peloponnes ist die Region von Sparta, Olympia und Mykene, der schon erwähnten Hafenstadt Monemvasia und auch die Heimat zumindest einer Malvasía-Sorte. Deshalb wurde Monemvasia-Malvasía 2010 auch POP, um die alte Tradition des Süßweines zu pflegen. Die vielleicht bekannteste POP ist Nemea, zudem gibt es Mantinia und Patras mit eigenen POPs für Muscat und Mavrodaphne. 

DIE IONISCHEN INSELN 

Die Ionischen Insel liegen im Ionischen Meer westlich des Festlandes vor dem Peloponnes, vor Zentralgriechenland und Epirus. Auf der im Süden der Gruppe gelegenen Insel Zakynthos findet man den zweiten OKP (Onomasía katá Parádosi). Es ist der Verdea, bei dem es sich um einen traditionellen Gemischten Satz handelt, der oxidativ im Fass vergoren wird. Zudem finden sich auf der Insel einige indigene Rebsorten wie Agiomavritiko, Avgoustiatis, Katsakoulias oder Skiadopoulo. Auf der weiter nördlich gelegenen Insel Kefalonia findet man autochthone Rebsorten wie Robola, Savatiano, Tsaoussi oder Zakynthino, die auf kalkreichen Böden in Weinbergen auf bis zu 800 Metern Meereshöhe wachsen. Dort entstehen Weine wie Robola of Cephalonia, Muscat of Cephalonia oder der Mavrodaphne of Cephalonia. Noch weiter nördlich liegt die Insel Korfu, die durch zwei Bergmassive geprägt ist. In den dazwischen liegenden Tälern wird viel roter Mavrodaphne und Pethrokoritho Mavro erzeugt. Eher in Küstennähe entstehen Weißweine aus Kakotrygis, Kozanitis, Petrokoritho und Robola. 

DIE ÄGÄISCHEN INSELN 

Östlich des Festlandes liegt die Ägäis. Auf den größten Inseln wird seit der Besiedlung durch die Griechen, also seit etwa 3.000 Jahren, Weinbau betrieben. Dazu zählen Limnos, Paros, Rhodos, Samos und Santorin. Auf Samos wird zu 95 % die Sorte Moscato Aspro (Muscat blanc) angebaut, aus der vor allem der Muscat de Samos erzeugt wird. Im Gegensatz zu Samos wurde Rhodos weitgehend von der Reblaus verschont, sodass es dort vor allem am Berg Atavyros mehr als 100 Jahre alte wurzelechte Reben gibt. Auch auf Rhodos wird viel Dessertwein erzeugt sowie einfache Tafelweine. Auf Limnos findet man Muscat d’Alexandrie statt Muscat blanc, aus dem der Muscat of Limnos entsteht, der nicht nur wegen der anderen Rebsorte, sondern auch wegen des Vulkangesteins einen anderen Charakter besitzt. Ebenfalls von Vulkangestein geprägt sind Paros und Santorin, die weltbekannt sind für ihre Kriechreben, die auf dem Boden kultiviert werden, damit sie vor starken Winden geschützt sind. 

Auf Paros entsteht ein ungewöhnlicher Wein, der offiziell ein Rotwein ist, aber nur zu zwei Dritteln aus der roten Sorte Mandilaria und zu einem Drittel aus der weißen Monemvasia vinifiziert wird. Die Weißweine sind reinsortige Monemvasia. 

Die Weine von Santorin bzw. Santorini sind heute dank der weißen Sorte Assyrtiko und einige herausragende Winzer die bekanntesten Weißweine Griechenlands. Sie entstehen auf den Vulkanböden der Insel, bei der es sich eigentlich eine ganze Inselgruppe handelt. Die Süßweine waren in der Antike berühmt. Während der Herrschaft Venedigs und selbst unter den Osmanen dufte auf den Inseln weiter Weinbau betrieben werden. Heute werden auf 1.200 Hektar 30 autochthone Rebsorten kultiviert, die alle wurzelecht sind. Zu 80 % entstehen Weißweine, davon 90 % Assyrtiko. Es folgen die weißen Sorten Aïdani Aspro und Athiri Aspro. Die wichtigsten Rotweinsorten sind Mandilaria, Mavrotragano und Athiri Mavro. Die weißen wie die roten Reben werden als Kouloura in Form von Kränzen niedrig erzogen. Die Erträge sind relativ gering, die Weine sind bekannt für ihre hohen Säurewerte und die besondere Mineralität. 

WEIN VON KRETA 

Kreta, die südlichste und größte Insel in der Ägäis, hat eine wechselvolle Weinbaugeschichte hinter sich. Möglicherweise wurden auf Kreta die ersten Reben im Mittelmeerraum gepflanzt. Während des venezianischen Einflusses war Kreta für seinen Malvasía bekannt. Es gibt heute noch eine Malvasía-Spielart, die nach der Insel benannt ist: Malvasia Bianca di Candia. Candia war der damalige Name Kretas. In der Neuzeit wurde Kreta ein Hort des Massenanbaus mit Erträgen von bis zu 400 hl/ha. Heute liegen die Erträge in den POPs Achanes, Dafnes, Peza und Sitoa bei unter 70 hl/ha. Zurzeit gibt es auf der Insel rund 50.000 Hektar Reben, von denen aber der größte Teil für die Erzeugung von Tafeltrauben und nur 20 % für die Erzeugung von Wein genutzt wird. 

DAS NEW GREEK WINE REVIVAL 

Wie in vielen anderen Ländern Europas und in Übersee hat sich auch in Griechenland der Weinbau in den letzten 20 Jahren enorm verändert. Eine junge Generation hat neue Weingüter aufgebaut. Der stark von großen Weinfirmen wie Tsantali dominierte Markt ist diverser geworden, und die Winzerinnen und Winzer sind nicht nur bestens ausgebildet, sie haben auch Visionen, vor allem was heimische Rebsorten, nachhaltigen und biologischen Weinbau oder natural styles angeht. Zudem wurden önologische Ausbildungsstätten aufgebaut, Weinwettbewerbe ins Leben gerufen und die Weine verstärkt auch auf internationalen Wettbewerben vorgestellt. All das führte Hand in Hand zu einer wesentlich größeren Beachtung griechischer Weine im Inland wie im Ausland.