KANADA
Wenn es um Weinbau und Klimawandel geht, dann gibt es sehr viele Verlierer, aber auch einige – zumindest mittelfristige – Gewinner. Dazu gehören Länder wie Portugal, das UK und – Kanada. Das Land hat sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten zu einem sehr ernsthaften und hochklassigen Weinbauland entwickelt. Der Weinbau findet in den Provinzen Ontario, British Columbia und in kleinerem Maße auch in Quebec und Nova Scotia statt. In 2015 – dem Jahr der letzten aktuellen Zahlen – haben 548 Weingüter rund 12.000 Hektar bewirtschaftet, und zwar mit steigender Tendenz.
GANZ SCHÖN DEUTSCHSPRACHIG
Die Meilensteine im kanadischen Weinbau haben oft etwas mit deutschsprachigen Winzern zu tun gehabt. Der Erste, der Reben pflanzte und damit den kanadischen Weinbau begründete, war ein deutscher Soldat im Ruhestand, nämlich Johann „John“ Schiller. Der setzte 1811 Vitis labrusca-Reben, also Wildreben, die er am Fluss Credit westlich von Toronto gefunden hatte, und legte einen zunächst acht, dann 20 Hektar großen Weinberg an. Im Jahr 1866 pflanzten drei Landwirte aus Kentucky die ersten Reben auf dem Pelee Island mitten im Eriesee an, also quasi am südlichsten Punkt Kanadas. Es waren acht Hektar mit der Sorte Isabella, die ebenfalls einen hohen Wildrebenanteil in sich trägt, weshalb der Wein einen ausgeprägten Foxton hat. Fuchsig nennt man den unerwünschten Geruch und Geschmack von Wildrebenwein.
Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es mehr als 40 Weinbaubetriebe, die meisten in Ontario. Damals wurde auch schon das Okanagan Valley in British-Columbia bepflanzt, das heute zu den wichtigsten Hot Spots des Weinbaus gehört. Allerdings waren es damals vor allem Priester, die Reben pflanzten, um an Messwein zu kommen, seltener Landwirte. Die Prohibition, die in Kanada nicht so lange dauerte wie in den benachbarten USA, verlief auch völlig anders. Die Weinbauern hatten lange vorher schon politische Lobbyarbeit betrieben, sodass der Wein vom Alkoholverbot ausgenommen wurde und es zum Ende der Prohibition im Jahr 1927 immer noch 57 Weinkellereien gab. Damals wurden in den Provinzen staatliche Monopole gegründet – ähnlich wie das Systembolaget in Schweden. Diese gibt es bis heute, wenn auch in einigen Provinzen parallel dazu einige private Lizenzen vergeben wurden.
Bis in die 1970er Jahre waren die Wildreben der Vitis labrusca vorherrschend, aus denen meist süße, alkoholverstärkte Weine im Sherry- oder Port-Stil erzeugt wurden. Das änderte sich mit dem Aufkommen von Boutique-Wineries wie der von Walter Hainle. Der aus Deutschland stammende Winzer hatte sich zu Beginn der 1970er Jahre in Okanagan niedergelassen und im Jahr 1972 den ersten Eiswein Nordamerikas erzeugt. Sein Weingut war – ganz nebenbei – 1988 das erste bio-zertifizierte Weingut Kanadas. Eine Flasche 1978er Eiswein – der erste kommerzielle Jahrgang bei Hainle – wurde auf einer Londoner Wein-Auktion auf 1,5 Mio. Britische Pfund taxiert.
NACH DEM EISWEIN FOLGEN DIE TROCKENEN WEINE
Hainle hat damals einen Boom ausgelöst, und Kanada wurde auch international bekannt für seine Eisweine. Aber es gab nicht nur Hainle. Auf der anderen Seite Kanadas, unweit der Niagara-Fälle in Ontario, wurde 1975 die erste Weinguts-Lizenz nach der Prohibition an Donald Ziraldo und an den österreichischstämmigen Karl Kaiser vergeben. Sie gründeten dort das Weingut Inniskillin. Auch dieses Weingut setzte zunächst auf Eiswein, verlegte sich aber schnell auch auf trockene Weine aus Sorten wie Cabernet Franc, Chardonnay, Gamay, Merlot, Riesling und Pinot Noir. Im Prinzip ist Inniskillin das Pionierweingut der Region. Wer sich etwa den Rebsortenspiegel von Pearl Morissette anschaut, erkennt die Ähnlichkeit. Im Laufe der Zeit wurde der Markt für trockene Weine immer stärker. Bei den kanadischen Eisweinen nun gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede. Es gibt Eisweine, die zu den besten der Welt zählen, aber auch viele, die per Cryoextraction entstehen – also aus gefrorenem und konzentriertem Traubenmost, der teilweise sogar aus anderen Ländern importiert wird.
EINZIGARTIGES KLIMA
Wenn es um Weinbau am Limit geht, ist Kanada natürlich weit vorne. Deshalb sind die 12.000 Hektar Weinberge vor allem an großen Gewässern oder zumindest an Flüssen entstanden, die das Klima immer mildern. Früher war das weniger problematisch, da man Wildreben verwendete, die sehr frostbeständig sind. Bei den Edelreben ist es wichtig, dass es nicht zu spät und nicht zu stark friert. Wer auf den Globus schaut, dürfte überrascht sein, dass die kanadischen Weinberge auf einem Breitengrad liegen wie das Languedoc, die Toskana oder die Rías Baixas. Im Sommer ist es dort tatsächlich oft heißer als in Bordeaux, aber die Vegetationsperiode ist meist kürzer und die Zeit außerhalb der Vegetationsperiode deutlich kälter. Das kanadische Klima eignet sich in allen vier Weinbauprovinzen besonders gut für die Herstellung von Schaumweinen, die nach den trockenen Weißweinen und Rotweinen der nächste große Hit sind. Viele der Weingüter sind – typisch für Übersee und weniger für Europa – gleichzeitig Restaurants und betreiben Agritourismus. Fährt man als Tourist in die Weinbaugebiete, dann oft für mehrere Tage. Der mit Abstand meiste kanadische Wein wird im Land selbst konsumiert. Von den rund 56 Mio. Litern, die Kanada 2017 erzeugt hat, wurden gerade einmal 2,1 Mio. Liter exportiert. Doch der Ruf des kanadischen Weins ist hervorragend und das Potential so groß, dass sich in British-Columbia immer mehr Winzer von der US-Westküste nach Investitionsmöglichkeiten umschauen.