WEIN AUS DEM LIBANON
Der Libanon ist eines der ältesten Weinbauländer der Welt. Und er ist eines, in dem es so schwierig sein dürfte, hochklassige Weine zu erzeugen, wie in kaum einem anderen Land der Welt, allerdings nicht weil Terroir und Klima nicht passen würden. Ganz im Gegenteil, beide sind hervorragend. Doch der Libanon ist seit Mitte der 1970er Jahre gebeutelt von Bürgerkriegen, Religionskriegen, Konflikten mit Nachbarn, Finanzkrisen, einer korrupten Kaste von Regierenden und Profiteuren, die das Volk ausbeuten und betrügen, und er wurde zuletzt Opfer einer gewaltigen Explosion am 4. August 2020 im Hafen von Beirut, bei der mehr als 200 Menschen starben, mehr als 6.000 verletzt wurden und unzählige Wohnungen zerstört oder beschädigt wurden. Der Libanon, früher als die Schweiz des Nahen Ostens bezeichnet, hat es schwer. Und trotzdem gibt es dort Menschen, die sich nicht aus der Fassung bringen lassen und exzellente Weine erzeugen. Tatsächlich ist die Anzahl der Weingüter von 1996 bis 2020 von 40 auf knapp 80 gestiegen.
LIBANON, DAS IST GESCHICHTE PUR
Über die Weinbaugeschichte des Libanon kann man sicher mehrere Bücher schreiben. Möglicherweise ist sie schon 5.000 Jahre alt. Definitiv aber gehörte der heutige Libanonschon in der Antike zu einer der Wiegen der Weinkultur. Der Libanon zählte teilweise zu Kanaan, teils zu Phönikien. Die Stadt Batroun, wo sich heute neben dem Bekaatal ein neuer Hotspot des Weinbaus befindet, gehörte ehedem zu den phönizischen Stadtstaaten, ebenso Berytos (Beirut), Byblos (Djebeil), Sidon (Sayda) und Tyros (Sur). Drei Jahrtausende herrschten die Phönizier im Libanon, bis sie von Alexander dem Großen geschlagen wurden. Dann kamen die Römer und erbauten beispielsweise in Baalbek, dem Weinbauzentrum im Bekaatal, im 2. Jahrhundert n. Chr. einen Tempel für den Weingott Bacchus. Was danach folgte, waren immer wieder unterschiedliche Herrschaften, teils christlich, teils muslimisch. Im Jahr 1857 pflanzten französische Jesuitenmönche im Bekaatal Cinsault-Reben an dem Ort des heutigen Châteaus Ksara. Und die Anwesenheit der Franzosen währte bis zum Ende des 2. Weltkriegs und hat die Kultur im Libanon wie auch die Weinkultur nachhaltig beeinflusst. Zu Beginn des 15-jährigen Bürgerkriegs im Libanon, der von 1975 bis 1990 wütete, gab es nur sechs kommerzielle Weingüter. Dazu gehörte das weltweit bekannte Château Musar, das sich unter der Führung von Serge Hochar zu einem der bedeutendsten Weingüter der Weinwelt entwickelt hat. Er ist der Vater des heutigen Weinbaus im Libanon.
DIE BESONDERHEITEN DES WEINBAUS
Der Libanon liegt am östlichen Rand des Mittelmeers und grenzt überwiegend an Syrien und auch an Israel, wo ein ähnlich ambitionierter Weinbau betrieben wird. Im Libanon gibt es heute vier Weinregionen. Die mit Abstand größte und bekannteste liegt im Bekaatal. Außerdem gibt es Weinbau in Batroun im Norden, in Mount Lebanon und Jezzine in der Nähe von Sidon im Süden. Die Weinbaugebiete unterscheiden sich in den Höhenlagen der Weinberge, die sich durchschnittlich auf rund 1.000 Metern befinden. Die Sonnenstunden liegen bei rund 3.000 pro Jahr. Es regnet genügend, und ideal sind die hohen Tag-Nacht-Unterschiede in der Temperatur, die für eine sehr gute Säurestruktur sorgen. Wie stark der französische Einfluss sich auf den Weinbau ausgewirkt hat, sieht man am Rebsortenspiegel. Es dominieren Syrah, Grenache, Mourvèdre und Carignan neben Bordelaiser Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Die Sorte, die eine große Renaissance erlebt und als eine der ersten französischen im Libanon angebaut wurde, ist der Cinsault. „Cinsault liebt das mediterrane Wetter im Libanon und die frischen Sommernächte, die durch die Höhenlage des Bekaatals bedingt sind“, sagt Faouzi Issa, Winzer des historischen Weinguts Domaine des Tourelles. Das Weingut erzeugt einen Cinsault aus über 50 Jahre alten Reben. Doch auf der Domaine gibt es noch eine größere Besonderheit als diesen Cinsault. Es gibt dort einen 150 Jahre alten Weinberg mit Merwah (Sémillon), der direkt neben Zedern auf einer Höhe von 1.500 Metern wächst und seit wahrscheinlich einem Jahrhundert nicht mehr beschnitten wurde. Er reguliert sich also selbst. Lange dachte man, Merwah sei eine ebenso autochthone Sorte wie der Obeideh. Doch tatsächlich ist Merwah wohl eine lokale Mutation des Sémillon. Ob Obeideh bzw. Obëidi autochthon ist, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Es kann auch sein, dass die Sorte eine lokale Mutation des Chardonnays ist. Auf jeden Fall wird sie nicht nur für Wein, sondern gerne auch für Arrak oder als Tafeltraube genutzt. Die Tafeltrauben machen heute den Großteil des Anbaus aus. Rund 14.000 Hektar gibt es im Libanon. Lediglich 4.000 davon werden für Keltertrauben genutzt. Was den Wein angeht, so war dieser bis vor wenigen Jahren klassisch und traditionell im französischen Sinne. Doch auch hier werden alternative Ideen realisiert. Manche Winzer gehen zurück zu den Wurzeln und experimentieren mit Amphoren, andere wie Maher Harb von Sept arbeiten zunehmend mit verlängerten Standzeiten und haben den biodynamischen Anbau eingeführt.