WEIN AUS NEUSEELAND 

Wenn man so will, dann beginnt die Geschichte des neuseeländischen Weinbaus im Jahr 1985. Natürlich ist das nicht ganz richtig, weil es schon im 19. Jahrhundert ein paar Weingüter gab und sich auch nach der langen Prohibition, die bis in die 1970er Jahre gedauert hat, ein paar neue Weingüter gegründet haben. Doch 1985 hat Dave Hohnen Cloudy Bay gegründet. Und das war der Startschuss für eine beeindruckende Erfolgsstory, die bis heute anhält.
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VON CAPE MENTELLE ZUR CLOUDY BAY 

Dave Hohnen war schon vor Cloudy Bay kein Unbekannter. Er hatte 1970 eines der ersten fünf Weingüter im australischen Margaret River gegründet und es erfolgreich gemacht. So wie er Cloudy Bay nach der oft wolkenverhangenen Bucht in –> Marlborough benannt hat, hatte er das australische Weingut nach dem nicht weit entfernt liegenden Cape benannt, an dem sich Indischer und Pazifischer Ozean treffen. Hohnen hat in Marlborough ebenfalls dort angefangen, wo es außer seinem gerade einmal vier weitere Weingüter gab. Auch sonst steckte der Weinbau noch in den Kinderschuhen, und in den 1970ern hatte man beim Neubeginn die falschen Berater. Die kamen aus Geisenheim und hatten die damals so angesagte deutsche Züchtung Müller-Thurgau mit im Gepäck, von der aber keiner in Neuseeland etwas wissen wollte. Das Projekt ging gründlich schief. Doch es gab ein paar Optimisten, die sich davon nicht entmutigen ließen und auf französische Rebsorten setzten. Zu ihnen gehörten Clive Paton mit seinem Weingut Ata Rangi, ferner Judy und Tim Finn mit Neudorf Estate und George Fistonich mit Villa Maria – das er allerdings schon 1961 gegründet hatte. Hohnen war das Potential von Marlborough schnell klar geworden, und er setzte auf eine Rebsorte, die damals nicht besonders populär war: Sauvignon Blanc. Klar, es gab die Weine aus der Touraine, aus Sancerre und Pouilly-Fumé. Die waren auch beliebt, aber nicht weltweit geschätzt. Hohnen hat in Marlborough den Sauvignon Blanc völlig neu interpretiert, indem er die Anbaumethoden an die alluvialen Schwemmlandböden von Marlborough und an das besondere, von der Antarktis beeinflusste Klima anpasste. Damit schuf er einen Typ von Sauvignon Blanc, der so etwas wie eine Blaupause für einen weltweit erfolgreichen Sauvignon-Blanc-Stil wurde. Aus den damals fünf Weingütern ist längst eine dreistellige Zahl geworden, aus den 30 Hektar rund 27.000, und Cloudy Bay wie auch Cape Mentelle sind längst an LVMH verkauft, ihre Weine heute crowdpleaser.

SAUVIGNON BLANC IST DIE PARADEREBSORTE 

Der Sauvignon Blanc wurde schnell zum Synonym für neuseeländischen Weinbau. Jedes Weingut, wo auch immer gelegen, hatte in den 1990er Jahren mindestens einen Sauvignon Blanc im Programm und hat zunächst einmal weitgehend den typischen etwas lauten und expressiven tropischen und grün-grasigen sowie kreidig-kalkigen Stil übernommen. Das ganze Land, das ja aus zwei großen und vielen kleinen Inseln im Pazifik besteht, hatte einen neuen Wirtschaftszweig erhalten. Fast alles an Wein wurde exportiert. Der Neuseeländer selbst trinkt tendenziell lieber Bier, auch wenn sich das ein wenig geändert hat. Die Weinmacher wurden im technikaffinen Australien ausgebildet. Manche kamen auch aus anderen Weltgegenden. Aber schnell wurden die Weine sehr stromlinienförmig und waren technisch absolut sauber und clean, allerdings auch etwas langweilig, weil vorhersagbar. Die meisten Sauvignon-Blanc-Trinker hat das jedoch nicht gestört, auch nicht die Australier – aber eigentlich trinkt auch der Rest der Welt bis heute diesen Typ von Sauvignon Blanc. 

DAS RAD DREHT SICH WEITER 

In Neuseeland selbst hat sich viel getan seit den 1990ern. Irgendwann bekamen die Weingüter einen eigenen Verband, der Regeln erließ und vor allem dafür sorgte, dass die Qualität der Weine, die exportiert wurden, bestimmten Anforderungen genügte und alle Weine als nachhaltig zertifiziert waren. Gleichzeitig förderte der Verband in hohem Maße den biologischen Anbau. Klar, Neuseeland als Inselstaat hat viele Zeichen der Zeit in Bezug auf den Klimawandel und die damit drohenden Gefahren früher erkannt als wir. Besonders deutlich hat sich die Entwicklung vom ausgesprochen kellertechnisch geprägten Weinbau hin zu einem handwerklicheren Wein- und vor allem Ausbau verändert. Der Terroir-Gedanke war in die Köpfe eingezogen. Aus Marlborough kommen längst unterschiedliche Sauvignon-Blanc-Typen, aber auch hervorragende Pinot Noirs und Chardonnays. Die Weine stammen heute nicht mehr nur aus Marlborough, sondern gerne auch aus den Southern Valleys, dem Wairau Valley, dem Awatare Valley oder gar aus Einzellagen. Von den Schwemmlandböden in der Ebene ausgehend, haben sich immer mehr Weingüter in den oft kalkreicheren Hügeln diversifiziert. 

PINOT NOIR IST DER ZWEITE SIEGER, ABER ES GIBT NOCH WEITERE 

Nach dem Sauvignon Blanc ist der Pinot Noir die zweite erfolgreiche Rebsorte geworden. Dabei haben sich von Beginn an sehr unterschiedliche Stile, abhängig vom Standort, entwickelt. Die erfolgreichsten kommen vom unteren südlichen Rand der Nordinsel in Wairarapa (Martinborough und Gladstone) sowie aus fast allen Regionen der Südinsel, also aus Nelson, Marlborough, –> North Canterbury, Waitaiki und Central Otago. Tendenziell sind die Pinots dunkel und würzig. Lediglich in Marlborough und Nelson, also dort, wo auch viel Sauvignon Blanc und Chardonnay angebaut werden, sind die Weine oft rotfruchtiger und heller. Auf jeden Fall haben sie sich mit ihrer Finesse und Komplexität einen festen Platz im internationalen Pinot-Noir-Ensemble erarbeitet. 

Noch deutlich weniger bekannt, aber eigentlich auf einem vergleichbaren Niveau spielen neuseeländische Chardonnays und Syrah. Grundlage für den besonderen Charakter des Chardonnay ist der Mendoza Clone, der besonders kleinbeerige und säurestarke Trauben liefert, die hervorragend zum Klima in Neuseeland passen, obwohl sich Neuseeland natürlich durchaus unterscheidet vom subtropischen Auckland bis zum kühlen Central Otago. Der Chardonnay in Neuseeland ist expressiv, bringt einen Touch südlicher Wärme mit, liefert aber gleichzeitig Finesse und Eleganz. Die Weine fangen – und das gilt für fast alle Weine in Neuseeland – immer auf einem recht hohen Preislevel an, stellen aber von da aus viele Konkurrenten schnell in den Schatten. 

Das gilt auch für den Syrah. Der fühlt sich vor allem auf Waiheke Island und in Hawke’s Bay sehr wohl und erhält dort einen hohen Rotundon-Anteil. Dieses Aromamolekül ist für den Syrah so prägend wie das Methoxypyrazin für den Sauvignon. Während Methoxypyrazin für den Duft und Geschmack von grüner Paprika und Gras sorgt, erzeugt Rotundon den Duft von weißem Pfeffer. Auch wenn Syrah gerade einmal auf 437 Hektar angebaut wird, so entstehen hier sehr charakterstarke Syrah-Weine. 

RIESLING, PINOT GRIS, GRUNER UND BORDEAUX-STYLE 

Als Ende der 1970er, Anfang der 1980er die französischen Rebsorten populär wurden, hat man in Hawke’s Bay ein paar Bereiche gefunden, die vom Klima und vor allem vom Boden her hervorragend zu Bordeaux-Rebsorten passen. Auch wenn man hier und da auch anderswo Cabernet und Merlot findet, so konzentrieren sich diese Rebsorten vor allem auf die Gimblett Gravels und das Bridge Pa Triangle mit zwei Schwemmland-Kies-Ebenen, die einen ähnlich guten Wasserabzug bieten wie das Médoc. Dazu gibt es Viognier und Pinot Blanc in kleinen Mengen und ebenso Grünen Veltliner, der hier meist als Gruner bezeichnet wird, ferner Marsanne, Roussanne, Arneis, Tempranillo oder Montepulciano. Mit rund 1 % Gesamtanteil und 0,1 % Exportquote ist der Anteil der Rieslinge an der Gesamtproduktion extrem gering, doch was in Neuseeland erzeugt wird, ist auf jeden Fall der Rede wert, und das von trocken bis hin zu Beerenauslesen. 

GUTE DYNAMIK 

Die Voraussetzungen für den High-End-Weinbau sind in Neuseeland so günstig, wie kaum irgendwo sonst. Die Böden bieten eine große Vielfalt von alluvialem Schwemmland bis hin zu komplexen Kalkformationen. Die Anbaugebiete sind von Auckland im Norden bis nach Central Otago im Süden zunehmend stark vom pazifischen Klima und vor allem von der Antarktis geprägt. Würden die Weinbaugebiete auf der Südinsel nicht allesamt von Hügel- und Gebirgsketten geschützt, wäre es sogar zu kühl und zu feucht für Weinbau. So aber ist es optimal, und der Weinbau in Neuseeland ist extrem dynamisch. Das hat viel damit zu tun, dass man sich vom großen Nachbarn Australien emanzipiert hat, experimentierfreudig ist und in der Weinszene einen Austausch pflegt wie in kaum einem anderen Land. Es gibt keine Berührungsängste zwischen großen Weingütern, hinter denen manchmal große Konzerne stehen, und kleinen familiengeführten Weingütern. Weinmacher bzw. Kellermeister wechseln gerne mal zwischen großen und kleinen Betrieben. Im Laufe der letzten drei Jahrzehnte haben die Winzer ihr Terroirs kennengelernt, sie schauen viel differenzierter auf ihre Weinberge und können viel bessere und eigenständigere Weine erzeugen. Das kommt weltweit sehr gut an.