ÖSTERREICH 

Es klingt im ersten Moment wie ein Paradox: Dass sich der Weinbau in Österreich heute qualitativ so glänzend präsentiert, verdankt er ausgerechnet seiner schwärzesten Stunde – nämlich dem Glykolweinskandal von 1985. Nach dessen Aufdeckung war das Vertrauen der Verbraucher in Wein aus Österreich so nachhaltig erschüttert, dass dem Land keine Wahl blieb, als sich in Sachen Weinbau völlig neu zu erfinden. Die Folge: eine radikale Hinwendung zur Qualität mit klaren, einfachen und nachvollziehbaren Strukturen. Heute gilt das österreichische Weingesetz als das strengste in Europa. Auch auf die Zahl der Betriebe ist der Skandal nicht ohne Wirkung geblieben: waren es 1985 noch über 45.000, sind es heute gerade einmal etwas mehr als 14.000. Von denen auch nur rund 4.000 ihre Weine selbst abfüllen. Dafür bewirtschaften heute aber rund 16 % der Betriebe ihre Weingärten biologisch und/oder biodynamisch. Weitere knapp 15 % arbeiten zertifiziert nachhaltig.
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TRADITION UND MODERNE – DIE GESCHICHTE 

Die absoluten Anfänge des Weinbaus in Österreich sind nicht eindeutig geklärt. Die ältesten Traubenkernfunde der Keltertraube Vitis Vinifera im Land datieren zwar rund 700 und 900 Jahre vor Christus. Ob sie allerdings tatsächlich aus keltischem Weinbau stammen – und nicht von aus dem Süden importierten Rosinen – gilt unter Historikern als alles andere als sicher. Eine erste Blütezeit gab’s unter Kaiser Probus im 3. Jahrhundert. Mit Karl dem Großen und den Klosterstiften von Benediktinern, Zisterziensern und Augustinern startete dann die goldene Zeit des Weins in Österreich. Der Höhepunkt war schließlich im 16. Jahrhundert erreicht, als mit sagenhaften 150.000 Hektar mehr als dreimal soviel Fläche mit Reben bestockt war wie heute. Krieg, hohe Abgaben und der unaufhaltsame Aufstieg des frühbarocken Modedrinks Bier kehrten dann im 17. Jahrhundert den Trend ins Negative. Extreme Kälte und die drei amerikanischen Plagen namens Oidium, Reblaus und Peronospora sorgten für dramatische Anbaueinbußen im 19. Jahrhundert. Die in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts von Laurenz „Lenz“ Moser entwickelte Erziehungsform der Hochkultur brachte dann die erneute Trendwende – inklusive des Wechsels vom Einzelpfahl hin zum Drahtrahmen und der damit möglich gewordenen maschinellen Bearbeitung. Danach war 50 Jahre lang Massenproduktion das Mantra im österreichischen Wein – und das Fiasko von 1985 dessen finaler Höhepunkt. 

VIELE BÖDEN – EIN KLIMA 

Die Böden, auf denen der Wein in Österreich wächst, sind vielfältig. Im Weinviertel und Donautal ist’s im wesentlichen Löss, in Kremstal und Wachau sind’s Urgesteinsböden, in der Thermenregion dominiert Kalk. Ein ganz eigene Welt bildet das Burgenland mit seinen Mischböden aus Schiefer, Kalk, Löss und Mergel. In der Steiermark bestehen die Böden hauptsächlich aus Muschelkalk, Vulkangestein und Braunerde (Ausnahme dort: die Schieferböden in der Region Sausal). Meistens liegen die Weinberge auf einer Höhe zwischen 200 und 400 Metern. Mit ein paar Ausreißern nach oben, allerdings. In der Steiermark finden sich auch noch Weingärten in bis zu 600 Meter Höhe. 

Klimatisch ist der Osten Österreichs vor allem geprägt vom kontinental-pannonischen Einfluss. So, wie auch sonst weite Teile des ehemaligen riesigen KuK-Gebiets (Ungarn, Teile von Rumänien, der Slowakei, Rumäniens, Serbiens und Kroatiens). Kalte Winter wechseln hier mit eher heißen und trockenen Sommern. Die Donau und der Neusiedlersee sind zwei wichtige, das lokale Klima der jeweiligen Weinbauregionen zusätzlich bestimmende Faktoren. Die empfindlich kalten Winter ermöglichen zudem an vielen Orten verlässlich die Produktion von Eiswein. 

VOM PRÄDIKAT ZUR HERKUNFT 

Die österreichische Weinbauphilosophie und die daraus resultierende Weingesetzgebung ist eng mit der deutschen verwandt. Lange Zeit war die Traubenqualität zum Zeitpunkt der Lese die bestimmende Größe für die Qualität eines Weines. Das Resultat: ein Qualitätsweinsystem, dessen Spitze von auf Mostgewichten beruhenden Prädikaten gebildet wird. Doch diese Sicht ist auch in Österreich mehr und mehr auf dem Rückzug. Heute gelten Identität und Herkunft als das Maß aller Qualität. Drei Herkunftsstufen folgen deshalb dem burgundischen System: Gebietswein, Ortswein, Riedenwein (Ried ist der österreichische Begriff für Lage). 

Unterhalb der Stufe der Qualitätsweine gibt es – wie auch sonst in der EU – den Landwein und den noch unspezifischeren „Wein aus Österreich“. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen aber eher die Qualitätsweine. Eine österreichische Besonderheit ist, dass auch unterhalb der Prädikate noch einmal differenziert wird. Zum einen sind da die „einfachen“ Qualitätsweine, deren Herkunft über die generischen Weinbaugebiete – jeweils identisch mit dem Bundesland – Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Wien definiert ist. Man erkennt sie auf den ersten Blick an der rot-weiß-roten Banderole auf der Kapsel. Die zweite, darüber angesiedelte Ebene sind die DAC-Weine. Das Kürzel – das für Districtus Austriae Controllatus steht – soll die hohe Typizität einer spezifischeren Region signalisieren. Und eine damit verbundene höhere Qualität, selbstverständlich. Zurzeit existiert für 16 von insgesamt 18 spezifischen Weinbaugebieten DAC-Regelungen. 

DIE REBSORTEN: SAME, SAME – AND DIFFERENT 

Österreich ist Weißweinland – nicht ganz 70 % der Rebfläche sind mit weißen Sorten bestockt. Mit rund 30 % sind die roten Reben zwar deutlich in der Minderheit, die daraus produzierten Rotweine dafür aber um so beachtlicher. 

Insgesamt 26 weiße und 14 rote Rebsorten sind für die Produktion von Qualitäts- und Landweinen zugelassen. Darunter internationale Evergreens wie Riesling, Weiß- und Grauburgunder, Chardonnay (der in Österreich auch Morillon heißt) und Sauvignon Blanc bei den weißen Sorten. Oder Pinot Noir, Merlot, Cabernet Sauvignon oder Syrah bei den roten. 

Herz und Seele des Österreichischen Weins wird aber durch die autochthonen Rebsorten gebildet. Allen voran: der Grüne Veltliner. Er belegt fast ein ganzes Drittel der gesamten Rebfläche der Republik. Bei den roten Sorten heißen die Austrian Locals Zweigelt, Blaufränkisch und St. Laurent. 

Eine exotische Besonderheit im österreichischen Weinbau ist der Uhudler. Ein Wein, der nicht aus einer Sorte der klassischen Weinrebe Vitis Vinifera, sondern aus den Trauben von Amerikaner-Reben gekeltert wird. Geschmacklich ist das allerdings oft höchst gewöhnungsbedürftig – vorsichtig ausgedrückt. 

AUS DEM OSTEN KOMMT DER WEIN 

Im 16. Jahrhundert wurde in Österreich noch bis hin nach Tirol, tief im Westen des Landes, Wein erzeugt. Heute konzentriert sich nahezu der gesamte Weinbau am östlichen Rand. Trotzdem ist das ganze Land immer noch aufgeteilt in drei große Weinbauregionen. 

Die westlichste davon, das Bergland, wird von immerhin fünf Bundesländern gebildet: Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Mit gerade einmal 235 Hektar Anbaufläche spielt es aber ökonomisch keinerlei Rolle. 

Im Südosten liegt das Bundesland Steiermark, die dazugehörende Weinbauregion heißt Steirerland. Durch die südliche Lage wird das Klima hier neben den kontinental-pannonischen auch von mediterranen Einflüssen bestimmt. 5.054 Hektar sind in den drei DAC-Unterregionen Südsteiermark, Vulkanland Steiermark und Weststeiermark mit Reben bestockt. Fast vier Fünftel davon mit weißen Sorten. Die Weststeiermark ist aber auch die Heimat einer besonderen autochthonen roten Sorte: des Blauen Wildbachers, aus dem der „autochthone Rosé“ namens Schilcher gekeltert wird.

NOMEN EST OMEN: DAS WEINLAND 

Das Herzstück des Österreichischen Weinbaus ist aber ohne Zweifel das Weinland. Fast 90 % der gesamten Rebfläche des Landes finden sich in der größten der drei Weinbauregionen. Sie wird – von Norden nach Süden – gebildet von den drei Bundesländern Niederösterreich, Wien und Burgenland. Wien ist eine Besonderheit: eine europäische Hauptstadt, die gleichzeitig ein Weinbaugebiet ist. Ihre Spezialität: der Wiener gemischte Satz – also die uralte Weinbautradition einer im Wingert gemeinsam wachsenden und auch geernteten Rebsorten-Cuvée. 

Die auf den beiden Flächenländern basierenden Gebiete sind in insgesamt dreizehn Untergebiete aufgeteilt. Rund 60 % des österreichischen Weins wächst allein in Niederösterreich. Grüner Veltliner und Zweigelt belegen hier auf dem Rebsorten-Treppchen Gold und Silber. Bronze hält hier der Riesling, aus dem insbesondere in der DAC Region Wachau Weltklasse-Weine vinifiziert werden. Eine weitere Besonderheit der Wachau: das eigene Prädikatssystem für trockene Weine mit seinen Prädikaten Steinfeder, Federspiel und Smaragd. 

Das Burgenland ist das Rotweingebiet in Österreich. Auf Platz eins und zwei der Rebsortencharts stehen hier Blaufränkisch und Zweigelt. Zusammen belegen sie allein rund 40 % der Fläche. Auf drei dann der Grüne Veltliner. Besondere Erwähnung verdient hier die DAC Neusiedlersee. Mit der riesigen Fläche von 320 Quadratkilometern beeinflusst der See das Mikroklima der gesamten Region. Seine regelmäßigen Herbstnebel bilden auch die Grundlage für die jahrhundertealte Tradition edelsüßer Weine. 

ORANGE, AMPHORE & CO. 

Österreich hat nicht nur eine bemerkenswert hohe Quote an biologisch und bio-dynamisch arbeitenden Winzern – es hat sich im letzten Jahrzehnt auch zu einer der Speerspitzen der Naturwein-Bewegung entwickelt. Die bewusste Hinwendung zu Transparenz, mehr Qualität und weniger Menge nach 1985 war der erste Schritt, das starke Wachstum im Bereich biologischen und bio-dynamischen Weinbaus dessen logische Fortführung. Weine wie die von Gernot Heinrich, Christian Tschida oder Gut Oggau erscheinen heute aus dieser Perspektive wie die konsequente Vollendung dieser Entwicklung. 

1985 lag der Weinbau in Österreich im Trümmern. Beim Wiederaufbau danach blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Den heilsamen Schock, der damit verbunden war, würde man heute auch vielen anderen Weinbauländern als Anstoß zur Veränderung wünschen.