USA 

Über den Weinbau in den USA zu schreiben hieß lange Zeit vor allem, sich mit Kalifornien zu beschäftigen. Doch der Weinbau in Nordamerika hat sehr viel mehr zu bieten. Von Oregon und Washington hat man das natürlich längst auch hierzulande wahrgenommen Doch tatsächlich wird in allen 50 Bundesstaaten der USA Wein angebaut, in manchen Staaten wie Alaska oder Hawaii zwar noch eher experimentell, in vielen anderen Staaten aber mit großem Erfolg und mit ebenso großen Wachstumsraten. Die Appellationen in den USA werden seit 1983 als AVAs bezeichnet, als American Viticultural Areas. Von ihnen gibt es heute 258 in 34 Bundestaaten. Mehr als die Hälfte findet man im Sunshine State California.
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WIKINGER, SPANIER, UNGARN UND VIELE ANDERE MEHR 

Während sich die Geschichte des Weinbaus in den europäischen Ländern ja weitgehend gleicht und oft ein leichtes Gähnen hervorruft, ist sie in Übersee erheblich vielfältiger, so auch in den USA. Heute ist ja allgemein bekannt, dass nicht Kolumbus den Kontinent für die Europäer entdeckt hat, sondern der Isländer Leif Eriksson so um das Jahr 1000 herum. Der hat das Land, das er erkundete, aber erfolglos besiedelte, Vinland genannt. Weshalb? Aller Wahrscheinlichkeit nach, weil es dort, wo er gelandet war, eine große Zahl von Wildreben gab, die als Schlingpflanzen in den Bäumen hingen und große Beeren hervorbrachten. Ähnliches wurde auch aus dem Stab von Christoph Kolumbus berichtet. Es handelte sich um verschiedene Sorten der Vitis labrusca, also um Wildreben, die ein Aroma besitzen, das gerne als Fox-Ton oder als fuchsig bezeichnet wird. Weine von diesen Reben sind daher eher gewöhnungsbedürftig. Entsprechend haben die Eroberer und Siedler schnell versucht, sogenannte Europäer-Reben anzubauen. Was sie damals noch nicht wussten, war, dass der Boden geradezu überschwemmt war von der Reblaus. Auch gab es dort den Echten und den Falschen Mehltau. Alle drei waren in Europa unbekannt, bis Europäer Jahre später amerikanische Reben nach Europa brachten. Der erste erfolgreiche Anbau begann mit dem natürlich zwischen Vitis labrusca und Vitis vinifera entstandenen Hybriden mit Namen Alexander, also zwischen einer amerikanischen und einer europäischen Rebe. Zudem entdeckte man zwei Wildreben namens Concord und Catawba, die ebenfalls genießbar waren. All das passierte um 1800 herum in Kentucky, North Carolina, Indiana, Ohio und Washington, D.C. 

Der erste erfolgreiche Versuch, eine europäische Rebe anzubauen, gelang in Kalifornien. Es war ein Mönch namens Junipero Serra, der 1769 eine Missionsstation namens San Diego eröffnete und dort die sogenannte Missionsrebe anbaute. Die Missionsrebe ist die Eroberungsrebe schlechthin. Sie heißt eigentlich Listán Prieto, stammt aus Spanien und wurde erfolgreich in Chile als País und in Argentinien als Criolla eingeführt sowie ebenso in Peru und Mexiko. Der erste kommerzielle Weinmacher Kaliforniens dürfte ein Franzose mit dem passenden Namen Jean-Louis Vignes gewesen sein. Ganz entscheidend aber war das Engagement des Österreich-Ungarn Ágoston Haraszthy, der in den 1860er Jahren Zehntausende europäischer Stecklinge in die USA und vor allem nach Kalifornien brachte. Unter den vielen Sorten dürfte auch der aus Kroatien stammende Trebidrag gewesen sein, der in Kalifornien als Zinfandel berühmt geworden ist. In Kalifornien, wo die Reblaus noch nicht weit verbreitet war, begann der Weinbau zu boomen. Ágoston Haraszthy gründete die Buena Vista Winery, Charles Krug ebenfalls ein Weingut wie auch Paul Masson. Doch der Boom fand mit der Prohibition ein jähes Ende. 

PROHIBITION, NIEDERGANG, MONDAVI UND DAS TASTING OF PARIS 

Während in den 1880er Jahren schon rund eine Millionen Hektoliter Wein gefüllt wurden, waren es in Zeiten der Prohibition von 1920 bis 1933 nicht einmal zehn Prozent dessen. Sie wurden damals als Messwein deklariert. In der gesamten Zeit der Prohibition, während der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg wurde kein neues Weingut gegründet. Trotzdem tat sich etwas. Der Weinbau-Pionier Philip Wagner begann ab 1939 in Maryland französische Hybrid-Reben zu importieren, die sich an der Ostküste verbreiteten. Den eigentlichen Paradigmenwechsel leiteten aber Wahlkalifornier rund um Robert Mondavi, Joe Heitz, Paul Draper, André Tchelistcheff oder Warren Winiarski ein. Sie erwarben sich in Europa Wissen, Erfahrung und auch Technik und wandten sie in Kalifornien an. Ein erstes Ausrufezeichen setzte Robert Mondavi mit seinem Fumé Blanc, einem Sauvignon Blanc mit Rauch- und Feuerstein-Noten, dessen Stilistik ihm in Pouilly-Fumé sehr gut gefallen hat. Zur Legende geworden ist ein Cabernet Sauvignon aus dem Stag’s Leap District, der 1976 beim legendären Tasting of Paris besser abschneiden sollte als alle vorgestellen Grands Crus Classé aus Bordeaux. Von diesem Ereignis berichten wir etwas ausführlicher unter dem Stichwort –> Kalifornien. Das Tasting hatte jedenfalls zur Folge, dass die Bodenpreise im Napa Valley sich innerhalb kurzer Zeit verzehnfachten, ja sogar verhundertfachten und Napa und mit ihm auch Sonoma und weitere Teile Kaliforniens eine neue Goldgräberstimmung erlebten. Der moderne kalifornische Weinbau war geboren. Er bekam schnell den Ruf, vor allem Weine zu erzeugen, die big & bold, also kraftvoll, konzentriert, alkoholstark und üppig seien. Chardonnays konnten zwischenzeitlich gar nicht okay und cremig genug sein. Diese Weine gibt es noch bis heute. Doch daneben hat sich im der Upper Class des Weinbaus eine ganze andere, eine feine und terroirbetonte Stilistik etabliert. 

VON KALIFORNIEN AUS ENTLANG DER WESTKÜSTE UND ÜBER DAS GANZE LAND 

Nach Kalifornien wurde dann ab den 1990er Jahren auch der Weinbau in Oregon und in Washington bekannt. In Oregon setzte man wegen der Klima- und Bodenverhältnisse vor allem auf Pinot Noir und Chardonnay. In Washington wurden wüstenartige Landstriche bewirtschaftet, die ein einzigartiges Mesoklima haben, in dem kraftvolle Bordeaux-Blends und Syrah entstehen. In den USA werden heute auf rund 450.000 Hektar Trauben angebaut. Rund 275.000 Hektar davon sind Keltertrauben, der Rest Tafeltrauben. Von den 450.000 Hektar findet man allein 320.000 in Kalifornien. Es gibt heute landesweit mehr als 10.000 Weingüter. Doch immer mehr hochklassige Güter gehören wenigen Multis wie Constellation Brand, E. & J. Gallo, The Wine Group, Foster’s Wine Estates, Trinchero Family Estates und Bronco Wine Company, die zusammen rund zwei Drittel des gesamten US-Weins erzeugen. Parallel dazu hat sich eine sehr umtriebige junge Generation von Weinmachern und Weinmacherinnen gebildet, die mit dieser Konzentration und den üblichen Klischees vom amerikanischen Weinbau nichts zu tun haben will und einfach ihr Ding auch außerhalb der AVAs macht. Sie sorgt auch dafür, dass der manchmal als etwas festgefahren wirkende Rebsortenspiegel mit eher selten zu finden Rebsorten aufgebrochen wird. Bei den Rebsorten liegt der Chardonnay knapp vor Cabernet Sauvignon. Beide werden auf jeweils über 40.000 Hektar angebaut, während die dritte Sorte, der Pinot Noir, bei rund 22.000 Hektar liegt. Es folgen Merlot, Zinfandel und Syrah und dann mit Concord eine autochthone amerikanische Rebe. International gesehen, ist das Gebiet um die Finger Lakes im Staate New York nach Kalifornien, Washington und Oregon das bekannteste. Es umfasst elf fingerförmige Seen auf der US-Seite des Ontario-Sees, während auf der West- und Nordseite der –> kanadische Weinbau beginnt.