KALIFORNIEN 

Kalifornien ist vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer Staat in den USA. Der Sunshine State beherbergt das Silicon Valley und ist mit Abstand der wirtschaftsstärkste Staat der USA. Er ist gleichzeitig der wichtigste Versorger mit Gemüse, Obst, Nüssen und – Wein. Von den 450.000 Hektar Reben in den USA stehen 320.000 in Kalifornien. Doch so schön das alles sein mag mit der vielen Sonne - mit dem Klimawandel hat sich das Bild getrübt. Die Zahl der Waldbrände wird von Jahr zu Jahr größer. Und natürlich ziehen die Waldbrände auch Weinberge und Weingüter in Mitleidenschaft. Entweder verbrennen sie, oder der Smoke Taint, also der Ruß, macht vor allem die spät reifenden Sorten ungenießbar. Das ist zwar längst nicht überall der Fall, bereitet aber vielerorts Probleme. Kalifornien steht für den Beginn des ökonomisch erfolgreichen Weinbaus in den USA, es steht für moderne Technik und für Blockbusterweine, aber heute auch für eine große Vielfalt und für geschliffen elegante Cool-Climate-Weine.
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FÜNF KLIMAZONEN SORGEN FÜR ABWECHSLUNG 

Der Weinbau wird weltweit in Klimazonen eingeteilt. In Deutschland gibt es beispielsweise deren zwei: das warme Baden und den ganzen Rest. In Kalifornien, wo doppelt so viele Trauben für die Erzeugung von Wein wachsen wie in Deutschland, gibt es fünf Klimazonen. Region 1 ist vom Wärmefaktor her ähnlich wie Mosel, Burgund und Champagne. In Kalifornien gehören Gebiete wie Mendocino, Carneros (bekannt für Schaumwein), Santa Cruz oder Monterey dazu. Region 2 kann man mit Bordeaux und Piemont vergleichen, und sie umfasst zum Beispiel Napa und Sonoma. Die Region liegt auf einem ähnlichen Level wie die Rhône und Teile der Toskana. In Kalifornien zählt das nördliche Napa Valley dazu. In der Region 4 wird es schon so warm wie im Languedoc oder in Zentralspanien. Dazu gehören in Kalifornien ein Teil des Central Valley und San Diego. Schließlich kann man die Region 5 mit dem südlichen Teil des Central Valley und Southern California mit Tunesien vergleichen. 

Die Anbaugebiete erstrecken sich über rund 1.300 Kilometer Küstenlinie von Far North California über die North Coast und die Central Coast bis Southern California. Etwas inländischer liegen die Inland Valleys und die Sierra Foothills. Die Anbaugebiete wiederum sind in sogenannte AVAs, American Viticultural Areas, eingeteilt. Die kann man in gewisser Weise mit unseren Qualitätsanbaugebieten in Europa zu vergleichen, sie sind aber recht unübersichtlich. In Kalifornien gibt es eine AVA für Kalifornien, eine weitere für Anbaugebiete wie North Coast, dann für Dutzende Counties wie Napa Valley oder Sonoma, die dann noch einmal in eigene AVAs unterteilt sein können wie z. B. der Stags Leap District, Rutherford, Oakville, Howell Mountain oder Calistoga.

KALIFORNIENS WEINBAU BEGANN MIT DEN EINWANDERERN 

Doch bevor Anfang der 1980er Jahre der kalifornische Weinbau mitten im Boom geordnet und gegliedert wurde, ist viel passiert. Kaliforniens Weingeschichte begann ähnlich wie die in Mexiko, Argentinien oder Chile mit der Einwanderung spanischer Missionare, welche die sogenannte Missionsrebe aus Spanien mitbrachten, um Messwein zu keltern. Die Mission, wie sie oft genannt wurde, war die Eroberungsrebe schlechthin. Sie heißt eigentlich Listán Prieto, stammt aus Spanien und wurde erfolgreich in Chile als País und in Argentinien als Criolla eingeführt sowie ebenso in Peru und Mexiko, bis ein Mönch namens Junipero Serra, der 1769 eine Missionsstation namens San Diego errichtete, sie in Kalifornien anpflanzte. Der eigentliche moderne Weinbau begann mit Ágoston Haraszthy, einem Österreich-Ungarn, der hunderte europäischer Reben einführte. Neben bekannten französischen Sorten waren das auch solche vom Balkan, und unter anderem der Trebidrag, in Kalifornien besser bekannt als Zinfandel und in Apulien als Primitivo. Haraszthy hat 1860 die Buena Vista Winery gegründet. Ihm folgten Charles Krug, Paul Masson und viele weitere Gründer. 1880 wurden schon mehr als eine Millionen Hektoliter abgefüllt. Dann kam allerdings die Reblaus, die bisher vor allem an der Ostküste aktiv war, auch nach Kalifornien, wo viele Rebsorten neu auf Unterlagsreben gepflanzt werden mussten. 1920 folgte dann die Prohibition, die bis 1933 dauerte. Sie ließ den Weinbau weitgehend zum Erliegen kommen. Die Weltwirtschaftskrise und Zweite. Weltkrieg trugen auch nicht dazu bei, den Weinbau zu reaktivieren. 

PIONIERE WIE MONDAVI & CO. 

Während in anderen Teilen der USA nach dem Krieg vor allem mit Hybrid-Reben (Reben mit Wildreben- und Qualitätsreben-Eltern) experimentiert wurde, veränderte sich der Weinbau im Kalifornien ab den 1960er Jahren mit einigen Visionären. Einige der wichtigsten waren Robert Mondavi, Joe Heitz, Paul Draper (Ridge), André Tchelistcheff und Warren Winiarski. Sie haben damals mit oft einfachsten Mitteln europäische Weinbereitungsmethoden in Kalifornien nachvollzogen und den Gegebenheiten angepasst. Was entstand, waren Weine eines neuen Typs. Mondavis Fumé blanc zum Beispiel, ein Sauvignon mit Rauchnoten, wie man sie auch im Pouilly-Fumé findet, war damals in Kalifornien völlig neu. Anfang der 1970er wurden auch die ersten Monte Bellos der Ridge Winery abgefüllt. Und 1973 entstand ein Cabernet Sauvignon aus dem Stag’s Leap District, der Legende werden sollte. Und das war genau das, was der kalifornische Weinbau dringend benötigte: Aufmerksamkeit und die Schaffung ikonischer Weine.

EINE WEINPROBE IN PARIS VERÄNDERTE ALLES 

Es ist ein seltener Fall, dass man eine grundlegende Veränderung an einem singulären Ereignis festmachen kann. Doch beim kalifornischen Weinboom war es genau das. 1975 hatte der Engländer Steven Spurrier, damals Weinhändler und Leiter einer Weinschule in Paris, die Idee, den Franzosen den kalifornischen Weinbau näherzubringen. Er selbst war durch eine amerikanische Assistentin auf die Weine aufmerksam geworden, war begeistert und organisierte 1976 ein Tasting, in dem er Chardonnay aus dem Napa Valley mit Premiers und Crus bester Weingüter aus dem Burgund vergleichen wollte und Napa Valley Cabernets mit besten Grands Crus Classé aus Bordeaux. Damals war, was Wein anging, Frankreich alles und Kalifornien nichts. Deshalb haben auch alle namhaften französischen Kritiker zugesagt. Was sollte schon passieren? Die Kalifornier würden gnadenlos abgestraft werden. Einige der damals anwesenden Kritiker machten sich tatsächlich über die Qualität verschiedener Weine lustig. Sie hatten sie allerdings blind eingeschenkt bekommen, wussten also nicht, was sie im Glas hatten. Sie waren jedoch so von sich, von Frankreich und dessen Weinbau überzeugt, dass sie sich nicht vorstellen konnten, dass ein Kalifornier besser sein könnte. Was dann tatsächlich geschah, haben die französischen Medien genauso wie die anwesenden Kritiker totzuschweigen versucht. Allerdings war glücklicherweise ein Reporter des New Yorker Time Magazin anwesend, der einige Tage später auf der letzten Seite des Magazins eine Randnotiz veröffentlichte: Weine aus dem Napa Valley siegen bei einer Blindverkostung vor Cru-Classé-Weinen aus Bordeaux und Burgund. Tatsächlich hatten die Franzosen den ersten Jahrgang des Château Montelena Chardonnay höher bewertet als verschiedene burgundische Crus wie beispielsweise den Mersault Les Charmes von Roulot, und sie hatten den 1973er Stag’s Leap Cabernet höher als Mouton-Rothschilds Haut-Brion eingeordnet. Dieses Tasting, das als Judgment of Paris in die Weingeschichte eingegangen ist, sorgte dafür, dass schon wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Artikels im Time Magazine die Bodenpreise in Napa in die Höhe schossen. Investments wurden getätigt, und der Weinbau erweiterte sich von rund 25 Erzeugern und einigen hundert Hektar auf über 2.000 Erzeuger und 200.000 Hektar. 

VON TECHNIK UND KONZENTRATION ZU VIELFALT UND ELEGANZ 

Das viele Geld in Napa und Umgebung hat zwar einerseits für einen enormen Boom gesorgt, der Region aber nicht nur gutgetan. Die Weine wurden in der Breite immer ähnlicher, wurden immer technischer, immer konzentrierter und fetter. Viele mögen diesen Blockbuster-Stil bis heute. Cabernets mit 15 % Alkohol, einem tiefen Fruchtgeschmack, viel Holz und Extrakt, Chardonnay mit oft leichter Restsüße, buttrigen und vanilligen Aromen wurden ein Standard, an dem sich plötzlich die Weinwelt orientierte. Doch der Wind hat sich im Laufe der Zeit wieder ein Stück weit gedreht. Von der Northcoast über die Central Coast, die Inland Valleys rund um Lodi und Sacramento bis hinein in den tiefen Süden von San Diego gibt es heute eine ganze Reihe von Winzern, welche die konzentrierte Marmelade längst satt haben. Cabernet und Syrah, Chardonnay und Grenache bekommt man auch in Kalifornien nunmehr frisch, knackig und saftig. Und neben den klassischen Sorten gibt es noch mehr zu entdecken. Bei Arnot-Roberts oder Matthiasson gibt es beispielsweise Gemischte Sätze, Ribolla Gialla, Trousseau und Touriga Nacional. Überhaupt Steve Matthiasson … der frühere Punk, Skater, Fahrrad-Aktivist und Absolvent der UC Davies mit Fokus auf Nachhaltigkeit ist heute einer der gefragtesten Vitikulturisten in Kalifornien und hat dabei von Beginn an auf Nachhaltigkeit und ökologische Wirtschaftsweise gesetzt. Zu seinen Kunden gehören einige der besten Adressen in Kalifornien, auch Warren Winiarski und seine Stag’s Leap Wine Cellars. Er steht in seiner Arbeit im Weinberg wie im Keller für einen neuen Typus kalifornischer Weinmacher. Experimentiergeist in Verbindung mit gutem Handwerk, die Suche nach kühlen Höhenlagen, eine aufwendige, dem Klima angepasste Weinbergsarbeit und hands off im Keller sind in der Szene total angesagt.