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Auf der anderen Seite ermöglichen die besonderen Verhältnisse überhaupt erst den Weinbau in dieser klimatisch nicht ganz einfachen Region. Das Ahrtal gehört nämlich zu den nördlichsten deutschen Anbaugebieten und wird hinsichtlich seiner Sonnenscheindauer nur noch von der Mosel unterboten. Ähnlich also wie an der Mosel mussten die Weinberge vornehmlich auf steilen, südexponierten Hängen angelegt wurden, um die Trauben ausreifen zu lassen. Mehr als zwei Drittel der Rebfläche an der Ahr gelten definitionsgemäß als Steillage mit einer Hangneigung von über 30 Prozent.
Bei geringer Bodenauflage, quasi direkt auf dem wärmespeichernden Fels wachsend, kann es mikroklimatisch in den Steilhängen fast mediterran heiß werden. Diese Bedingungen haben sich vermutlich bereits die Römer zunutze gemacht, wobei für deren Tätigkeiten die archäologischen Beweise bislang fehlen. Urkundlich erstmals erwähnt wurde der Weinbau im Ahrtal in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Im Mittelalter dominierten die Klöster das Geschehen und mit ihnen die weißen Rebsorten, die man auch aus dem Mosel- oder dem Rheintal kannte. Nein, damit ist nicht der Riesling in Monokultur gemeint. Bis tief ins 19. Jahrhundert hinein war es nämlich üblich, verschiedenste Rebsorten als Mischsatz gemeinsam anzubauen. Die unterschiedlichen klimatischen Vorlieben der einzelnen Rebsorten ermöglichten auch bei schwankenden Jahresverläufen eine relativ verlässliche Ernte.
Heute besitzt die Ahr mit 82 % roten Sorten den mit Abstand höchsten Rotweinanteil aller deutschen Weinbaugebiete. Der Spätburgunder liegt dabei mit 65 % Flächenanteil an der Spitze, eine Position, die er vermutlich bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg erstmals erreichte. Wie aber kamen die Winzer im Ahrtal darauf, ausgerechnet in diesen Lagen mit ihrer doch recht kurzen Wachstumsperiode so stark auf Rotwein zu setzen? Tatsächlich scheint es sich da nicht um eine singuläre Entscheidung, sondern vielmehr um einen graduellen Verlauf zu handeln. Zwar hatten die roten Rebsorten im 17. Jahrhundert entsprechenden Anklang bei den Ahrtälern gefunden, aber offenbar wurden auch diese zunächst primär weiß gekeltert. Einen Hinweis darauf liefert die Bezeichnung „Ahrbleichart“ für derartige Weine, unter der sie vor allem nach Belgien exportiert wurden.
Quellen des 19. Jahrhunderts belegen dann zwar eine zunehmend höhere Rotfärbung der Ahrweine, aber mit dem Beitritt Preußens zum Deutschen Zollverein im Jahr 1833 geriet der gesamte Ahrweinbau in eine Krise. Der Handel mit dem belgischen „Ausland“ brach nämlich dadurch ein. Gleichzeitig standen die Ahrweine gegenüber der nun inländischen Konkurrenz aus der Pfalz auf fast verlorenem Posten. Gegen die unter bequemeren Bedingungen hergestellten und entsprechend günstigeren Pfalz-Roten war kein Kraut gewachsen. In der Folge wanderten viele Winzerfamilien von der Ahr nach Amerika aus. Die Notlage machte die verbliebenen Winzer allerdings auch erfinderisch: Im Jahr 1869 gründeten die Mayschosser Winzer eine der ersten Winzergenossenschaften der Welt.
Die schwierige Zeit mit Reblaus und zwei Weltkriegen traf die Ahr ebenso stark wie alle anderen deutschen Weinbaugebiete. Mit dem Beginn des Wirtschaftswunders der 1950er Jahre stieg der Ahrwein jedoch zu nie gekannten Höhen empor. Tagesausflügler und Wochenendtouristen aus dem Bonner und Kölner Raum erwanderten sich das Tal der spektakulären Ausblicke und kehrten in den vielen Heckenwirtschaften ein. Rot blieb der Wein, aber trocken und ausdrucksstark war er selten, musste es auch nicht sein. Die Rheinländer waren bereit, für das Gesamtkunstwerk Ahrtal gehobene Preise zu zahlen, und so lohnte sich selbst der Terrassenweinbau wieder. Ertragsstarke Spätburgunder-Klone lieferten dabei die entsprechenden Mengen, Absatzprobleme waren den Ahrwinzern unbekannt.
Die ersten zarten Versuche, einen echten Qualitätsweinbau zu etablieren, gab es in den 1980er Jahren. Bezeichnenderweise waren daran Winzer beteiligt, die erst etwas anderes gelernt hatten wie der Mathematiklehrer Werner Näkel oder der Steuerberater Wolfgang Hehle. Das französische Barrique hielt Einzug im Ahrtal, erst mit eher zweifelhaften Ergebnissen, bei denen dünne Weine auf neues Holz trafen, zunehmend aber auch mit überzeugenden Exemplaren. Mittlerweile haben sich die Ahr-Burgunder längst in der Spitze der deutschen Rotweinlandschaft etabliert. Auf lediglich 25 Kilometern Länge finden sich an der Ahr nicht weniger als sieben VDP-Betriebe. Ohnehin ist das ganze Weinbaugebiet ungemein kompakt. Kein einziger Weinberg befindet sich weiter als zwei Kilometer von der Ahr entfernt.
Die Flutkatastrophe des Sommers 2021, als viele Weingüter die im Keller gelagerte Ernte des Vorjahres, Holzfässer, Maschinen und Gebäudeteile verloren, ist weiterhin auch mental überall präsent. Sie hat allerdings auch eine Solidarität unter den Ahrwinzern und weit darüber hinaus hervorgerufen, die einen wieder an das Gute im Menschen glauben lässt. Wenn diese Folgen erst einmal überwunden sind, könnte sich die Ahr erneut in ihrer schönsten Form zeigen mit einer spektakulären Landschaft, prächtigen Steilterrassen und vielfältigen Wander- und Einkehrmöglichkeiten.
Herausforderungen bleiben allerdings bestehen. Die zunehmend höheren Sommertemperaturen machen dem notorisch heißen, steingeprägten Mikroklima zu schaffen. Maßnahmen wie die ganzjährige Begrünung, die etwas abdämpfen können, sind an der Ahr weniger ausgeprägt als anderswo, der Anteil der Biowinzer ist gering. Die junge Winzergeneration wird sich entsprechend darauf einstellen müssen.
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