Malbec, der große Verführer
Aus ein paar Trends die unsere Leitplanken im Weingeschäft definieren, sind mittlerweile feste Größenordnungen geworden. Ich habe die wichtigsten zusammengefasst, dabei legen wir keinen Wert auf Vollständigkeit, aber sie bestätigen uns, in unserem Tun und Handeln auf das richtige Pferd zu setzen. Über allem steht der Claim von Wein am Limit: Wir wollen mehr Spaß im Glas.
No Barriquitis, mehr Geschmack
Das ist ein wirklich erfreulich und anhaltender Trend, denn viele Weine rochen in der Vergangenheit einfach zu verholzt. Sie schmeckten nach Tischlerei, oder Bourbon Whiskey, nur nicht nach Wein. Ich erinnere mich an Weine mit 200% neuem Holz (je 18 Monate in neuen Fässern), die es auch gut als Espresso getan hätten. Natürlich mögen wir Weine mit Holzfassausbau, aber nur als behutsames Stilmittel, nicht als alles dominierendes Element. Auch aus ökologischen und auch ökonomischen (ein Barrique kostet neu 800-1000 €) Gründen begrüßen wir die Verwendung von 2.- 6. Belegung und älter.
Bei richtiger Pflege ist die Verwendung von gebrauchten Fässern kein Problem und die für die Stabilität so wichtige Mikrooxydation findet trotzdem statt. Dazwischen gibt es eine Grauzone, die sehr von der Philosophie des Produzenten abhängt. Unser Partner im Burgund, Philippe Pacalet, kauft jedes Jahr nur 5-10% neue Fässer für seinen Chai ein, mit denen er unbrauchbar gewordene Fässer ersetzt. So hat man das auch früher ganz traditionell geregelt und der exzessive Gebrauch von Barriques ist hoffentlich irgendwann einmal Geschichte. Viele, vor allem jüngere Produzenten, setzen vermehrt auf die Reifung in großen Fuderfässern, z.B. von der Küferei Stockinger. Diese sind weitgehend geschmacksneutral und meistens aus heimischer Eiche gefertigt. Einen kleinen Teil bauen sie weiterhin im Barrique aus, um diesen später wieder zu blenden. Die Varianten und Möglichkeiten sind vielfältig, aber das wichtigste ist für uns: Der Wein schmeckt in erster Linie nach Wein und nicht nach Eichenwald.
Es knallt weniger mit niedrigerem Alkoholgehalt, aber trotzdem gut
Insbesondere in den 90ern und Anfang der 2000er übertrieben es viele Winzer und ganze Weinregionen mit der Überreife und späten Lese. Als selbst einige Bordeaux (vor allem St. Emilion) wie marmeladiger Amarone schmeckten, spätestens dann war es um die eigene Identität geschehen. Die Schuldigen waren schnell gefunden, vor allem einige global agierende Önologen wie Michel Rolland mit einem einheitlichen Rezept, oder der amerikanische Weinkritiker Robert Parker mit seiner Vorliebe (so sagt man) für üppige Tropfen. Dieses Duo bildete eine mächtige Allianz und inspirierte viele Winzer, ihre Weine in dieser Richtung auszubauen. Die Umstände nur diesen Beiden in die Schuhe zu schieben ist zu einfach, aber sicher ein Aspekt, der unter „Zeitgeist“ zu verbuchen ist.
Vorausgegangen war, dass in den 70gern und 80gern viele Weine einfach zu dünn waren und sauer schmeckten, oder man musste Jahrzehnte auf sie warten und harmonische Reifung stellte sich nie ein. Es folgte die Ära des Bling-Bling und meistens wenig Substanz. Seit ein paar Jahren findet eine komplette Kehrtwende hin zu traditioneller Weinbereitung, kühlen Regionen oder hochgelegenen Weinbergen statt. Alkohol ist Geschmacksträger, mehr eigentlich nicht, aber es gibt eine Menge andere Komponenten im Wein, die vor allem für eines sorgen was sich viele Weintrinker wünschen: keinen Exzess, sondern Ausgewogenheit. Das Vergären mit Stielen und Stängeln (Rotwein), oder ganzen Traubendolden (Weißwein), die rechtzeitige Lese und der biodynamische Bau ergeben einen festeren, klassischeren und vor allem kernigeren Stil. Natürlich wird es weiterhin Weine, Regionen und Sorten mit hohen Alkoholwerten geben, aber das hinauszögern der Lese um jeden Preis muss hinterfragt werden, insbesondere in Zeiten, in denen sich das Klima drastisch ändert wie jetzt. Wir wollen Weine trinken und nicht bewundern.
Natural Wines – das schwarze Schaf wird salonfähig
Zugegeben, unsere ersten Gehversuche auf diesem teilweise ideologisch verminten Feld waren nicht nur von Begeisterung geprägt. Überhaupt ist diese ganze junge Bewegung noch immer in der Findungsphase. Aber immer mehr Weintrinker kommen in dieser Kategorie an, denn die Kalibrierung der Geschmacksknospen ändert sich, vor allem bei jüngeren, nicht so festgefahrenen Gaumen. In einem der wichtigsten Weinländer der Erde, Frankreich, gibt es seit kurzem eine offizielle Definition dieses Begriffes namens „Vin Méthode nature“.
Italien und Spanien werden folgen. Diese Umstellung wird noch dauern, aber der Anfang ist gemacht. Natürlich haben die großen Player im Weingeschehen bis dato keine Motivation gehabt und wahrscheinlich auch nicht die Möglichkeiten. Es bleibt spannend, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen werden. Denn die besten Naturals sind längst angekommen und ob der Begriff auf dem Etikett steht oder nicht ist unerheblich. Am Ende wird sich die Qualität durchsetzen. Viel wichtiger finden wir den wertvollen Beitrag der „Natural Wine Bewegung“ für das qualitative vorankommen der Weinwelt und dass es sich wieder lohnt, das Feld als Weinbauer zu bestellen. Es ist eine ganz andere Art des Genusses, verbunden mit der Chance auf Neuausrichtung und eine Bereicherung für die Vielfalt.
Aus B und C Lagen werden AAA Lagen – Swartland, Madrid und Bairrada
Mal ehrlich, selbst eingefleischten Weinkennern waren die o.g. Regionen bis vor kurzem, oder sind es noch immer, kein Begriff. Viele Zeitgenossen wollen, dass die Weinwelt eine Scheibe ist oder sogar das sie so bleibt. Diesen mentalen Stillstand werten wir als Rückschritt, völlig unbegründet und reaktionär. Wenn unsere globalisierte Welt einen Vorteil bietet dann den, dass es noch nie so viel guten und interessanten Wein wie heute gegeben hat.
Einige dieser aufstrebenden Regionen und Produzenten hatten wir schon früh auf dem Zettel und nur mit Engelszungen konnten wir einige unserer Kunden überreden, diese Terra Incognita zu erforschen. Aber mit Erfolg. In der Zwischenzeit sind Winzer wie Eben Sadie, die Mullineux Familie, Filipa Pato und William Wouters oder Dani Landi gefeierte Visionäre, nicht nur in ihrer Zunft, sondern auch auf den Weinkarten der Welt. Ihr Mut und die Besinnung auf Handwerk und die Rückkehr zu alten Traditionen, gepaart mit einem Quäntchen Innovationsgeist, sind auf der Höhe der Zeit. Wir freuen uns darauf, Euch weiterhin mit spannenden Geschichten aus der Welt des Weines zu versorgen.
Social Media – Instagram, Facebook & Co.
Zu allem und jedem gibt es eine „Downside“. Mit den Jahren sind diese Netzwerke immer mehr zu geistigen Kloaken frustrierter Menschen, Agitierern, Besserwissern und Neidern verkommen. Wer sich einmal auf deren Spielchen einlässt, davon sprechen wir uns nicht frei, der verschenkt wichtige Lebenszeit und Energie. Dennoch bieten diese Plattformen großartige Möglichkeiten und diese möchten wir nicht missen. Wir sind uns auch im Klaren über deren Einfluss und die Gefahren der totalen Überwachung. Natürlich ist eine persönliche Begegnung wertvoll, aber eine Beziehung auf z.B. Facebook kann man genauso ernst nehmen wie eine persönliche Begegnung. Denn hinter oder an jedem Tablet, Smartphone oder Rechner sitzt ein Mensch (manchmal auch nur ein Robot).
Das Leben ist mobiler, individueller und vielfältiger geworden, Informationen kommen „Gott sei Dank“ nicht nur aus einem Kanal. Wir sind stolz auf unsere Gemeinschaft und die vielen lustigen, interessanten und vor allem passionierten Beiträge unserer Freunde. Den Unterschied in dieser virtuellen Welt, zumindest für uns, macht Persönlichkeit aus. Das merken wir insbesondere in diesen bizarren Zeiten von Shutdown und Lockdown und wie wichtig diese Kommunikationskanäle geworden sind. Man muss in diesen Foren, wie auf der Straße, selektiv vorgehen und die wertvollen Informationen herausfiltern. Guter Content ist König und nicht rumpöbeln. Wer positiv denkt und handelt, der bekommt positives zurück. Wir haben viele sympathische Menschen erreicht, die wir sonst nie getroffen hätten. Vor ein paar Jahren hat mir der Leiter einer Sommelier Schule am Rande einer Veranstaltung gesagt: „Sie und diese ganzen Internetvideos und Netzwerke werden so schnell wie sie gekommen sind auch wieder verschwinden!“ Wir sind immer noch da, er schon lange nicht mehr an seinem Platz. Wir sagen Danke an alle die uns mögen, unterstützen und sich trauen ihre Meinung zu sagen.
Wir sagen Danke, bleibt offen, ohne die wichtigen Werte zu vergessen. Wir erleben krasse Zeiten und stehen vor großen Veränderungen, die jeder von uns annehmen muss. Man muss vor ihnen keine Angst haben und den Zustand so akzeptieren wie er ist. Er bietet auch Chancen auf Rückbesinnung, fordert zu mehr Gelassenheit auf und den Focus auf die wirklich wichtigen Dingen zu legen.
In diesem Sinn, bleibt gesund, erhaltet Euren Optimismus und seid achtsam.
Wir, Bianca und ich, aber auch unser ganzes Team von Wein am Limit wollten einfach mal lieben Dank sagen für Euren Respekt und die uns zuteil gewordene Aufmerksamkeit, nicht nur in diesen Tagen.
Eure Hendrik & Bianca