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Freilauf für Gewohnheitstiere

Jeden Sonntag um 20:15 Uhr den Tatort glubschen. Sich anschweigen, während das einzige Knistern, das in diesem Moment in der Luft liegt, aus der Tüte Chipsfrisch ungarisch strömt, die auf dem Fliesentisch vegetiert. Davor wie immer in der Trattoria am Marktplatz eine Pizza Vier Jahreszeiten und einen kleinen Beilagensalat mit einem Kristallweizen herunterspülen. Dienstag und Donnerstag Wassergymnastik im AQUAPARK. Chlorgeruch. Schwimmnudeln. Mit nassem Haar über den Parkplatz laufen. Im Sommer endlich wieder nach Mallorca. Seit mittlerweile 16 Jahren. In diese eine Finca mit dem Feigenkaktus im Garten. Im Süden der Insel. Und an Ostern gibt es endlich wieder Lammlachse mit grünen Bohnen im Speckmantel, Kartoffelpüree und Bratensoße. Dazu diesen einen Rioja aus dem Bioladen von nebenan, der im Sonderangebot immer 5,99 Euro kostet.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier in Haltungsstufe 2. Routiniert. Behäbig. Irgendwie auch festgefahren. Allradantriebslos, während es Gleichschritt für Schritt Richtung Tränke und Schänke geht. Am Ende sind wir eben doch nur eine Horde Wiederholungstäter, die sich Tag für Tag auf frischer Tat beim Rückfallzieher ertappt, doch die Aussage verweigert, um Däumchen drehend im Zeugenschutzprogramm zu enden.

Die Axt für das gefrorene Meer in uns

Die Routine, die Tradition, der Alltag, das repetitive Grundrauschen. Alles ist zum Schreien und täglich grüßt das Murmeltier. Mark Twain meint: „Eine Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterboxen, Stufe für Stufe.“ Ein Glück gibt es Trüffelschweine wie Hendrik, die mit Maßnahmen um die Ecke brettern, die uns rücksichtslos aus dem Trott stauchen. Die uns auf neue Fährten bringen. Uns ins kalte Wasser schubsen. Inspirieren. Anregen. Aufregen. Vor Fragezeichen stellen. Und Punkte machen. Komma. Klar. Kurz gesagt: Eine flüssige Axt für das gefrorene Meer in uns. Und das bereits seit Juni 2019.

Wissen wo's langgeht: Big Babo Bianca und Hendrik himself.
Wissen wo’s langgeht: Big Babo Bianca und Hendrik himself.

Die Rede ist vom Weinabo, das einmal monatlich erscheint und uns alle davon abhält stets dasselbe zu bestellen. Und mich persönlich davor bewahrt, gebetsmühlenartig Weine von Betrieben wie Huber, Lassak, Ramilo, De Moor, Ganevat und Clos Rougeard zu trinken. Nicht, dass das schlimm wäre, dennoch gehört es als Wein liebender Mensch zum guten Ton, zumindest hin und wieder, über den eigenen Gläserrand zu blicken. Neue Regionen zu erkunden. Neue Betriebe kennenzulernen. Neue Rebsorten zu entdecken. Neue Cuvées, die vielleicht sogar autochthone Rebsorten miteinander rudelbumsen lassen oder uns bereits bekannte Trauben in neuer prozentualer Konstellation in die Manege schicken.

Was das angeht, ist Hendrik einer der besten Weinhändler Deutschlands. Und das sage ich nicht, weil dafür ein Koffer voll Geld zu mir nach Stuttgart wandert, sondern aus marianengrabentiefer Überzeugung. Dafür stehe ich mit meinem Namen. Milton und Sidney und Curtis. Wer sich das Portfolio genauer anschaut, checkt nach siebensekündigem Scrollen, dass bei Wein am Limit ein anderer Wind weht. Nordwind eben.

Ohne B-Ware von süchtigen Ogern

Diese frische Brise weht auch durchs Abo. Man weiß nicht, was man bekommt. Nie. Mal sind es zwei Flaschen desselben Weinguts. Mal drei Flaschen, die eine Region repräsentieren. Mal eine Magnum Freakstoff oder eine Flasche rares Spezialmaterial. Hin und wieder gibt es leicht angereifte Kellerschätze oder Exklusivfüllungen von langjährigen Partnerbetrieben. Teilweise besorgen Big Babo Thoma und Team auch Stoff von Betrieben, die gar nicht im Portfolio sind. Es werden keine Kosten und Mühen gescheut. Ganz im Gegenteil. Was es immer gibt: Spaß im Glas und Wein am Limit. Hendrik-Style mit Thoma-Touch. Liebevoll kuratiert wie meine Spotify-Playlisten. Was es nie gibt: B-Ware, die in Transsilvanien vom Laster eines Travel-Pussy-süchtigen Ogers gefallen ist und dringend weg muss, weil sie sonst im Lager schimmelt, wie diese eine Zitrone im unteren Drittel des Obstkorbs meiner Mutter.

Abo(w)-Weine aus früheren Abos: Jetzt exklusiv in kleinen Mengen für alle verfügbar.
Abo(w)-Weine aus früheren Abos: Jetzt exklusiv in kleinen Mengen für alle verfügbar.

Das Abo ist quasi ein vinophiler Kompass in Zeiten der Reizüberflutung. Eine bunte Tüte Wein für 69 Euro monatlich. Und das versandkostenfrei. Obendrein gibt’s ein Verkostungsvideo vom Babo himself, das wie immer so nahbar daherkommt, als würde uns Hendrik höchstpersönlich in die Ohrmuschel kriechen, um uns sein wertvolles Verkostungsgeyallah in Einzelbetreuung gegen das Trommelfell hauchen. On tipptopp gibt‘s einen top secret Abo-Shop mit wenigen Flaschen des jeweiligen Pakets. Für Nachbesteller, wenn’s richtig lecker war.

Anstelle eines aktuellen Pakets hat mir Mr. T drei einzelne Weine aus verschiedenen Abos geschickt, die es noch im Abo-Shop gibt. Den wir exklusiv für zwei Tage für alle aufsperren. Sonst gibt’s den nur für Abonnenten. Perfekt, um mir ein besseres Bild zu machen. Maximale Neugierde. Maximale Breite. Maximale Diversität.

Wir gehen rein da!

Um es kurz zu machen: Die drei Weine, die mir Hendrik geschickt hat, passen wie die Faust aufs Auge eines Gatekeepers!

Wir starten mit Sympathie-Schwergewicht Marcus Hees, dessen Frau eine bekennende Leserin meiner Texte ist. Deshalb an dieser Stelle liebe Grüße ins Auenland. Ja, ich bin befangen, aber halb so wild, da ich Marcus mag, und das, was er an der Nahe macht, insbesondere im Riesling-Bereich, sowieso ziemlich nice finde, da seine Weine stets piekfein, blitzsauber und trinkfreudig daherkommen. Perfekt für jeden Anlass. Ob Besuch vom palmzuckerverseuchten Schwiegermonster oder Stippvisite eines leicht autistischen Weinfreaks, easy Apéro mit Freunden auf Sundowner-Basis oder seriöser Speisebegleiter beim hedonistischen Dinner. Weltenbummler Marcus schafft den Spagat perfekt und das, ohne sich das Hüftgelenk auszurenken, was mich persönlich für ihn freut, da ich mir das sehr schmerzhaft vorstelle. Hier haben wir den Riesling namens „Insel“ aus dem Jahr 2023. Ein Wein, der für sich steht – wie eine „Insel“ – und doch volle Pulle „Hees“ schreit.

Symptahie-Schwergewichte mit Hang zum Riesling: Marcus Hees von der Nahe und seine wunderbare Frau.
Symptahie-Schwergewichte mit Hang zum Riesling: Marcus Hees von der Nahe und seine wunderbare Frau.

Ein anspruchsvoller, durchaus komplexer, gleichzeitiger trinkfreudig animierender Nahe-Riesling, der sich von Minute zu Minute weiterentwickelt. Leicht herbe, adstringierende Bitterness im Abgang, die für drei Sekunden an Chenin oder knackig gelesen Trebbiano denken lässt. Der Wein bleibt lange im Gaumen, er verweilt förmlich, wie ein Nomade von der Nahe, bis er anschließend nach Minuten weiterzieht. Von Nahe in der Ferne. Der Wein bietet mehr als typische Riesling-Frucht, doch bringt alles mit, was eingefleischte Fans der Rebsorte begeistert. Hier auf der salzig-herben Seite. Ein Anflug von Lakritz, auch etwas Candy, Kräuternoten und dann wieder Riesling, Riesling, Riesling. Sehr guter Wein. Besonders gut getroffen hier: der Lesezeitpunk. Während die meisten Rieslinge jung schmecken wie neongrüne Batteriesäure, haben wir hier durch den slightly späteren Lesezeitpunkt einen sehr präsenten, irgendwo auch vollmundigen Riesling, der durch die Cool-Climate-Lage dennoch frisch daherkommt, doch einem nicht direkt den Weinstein wegflext oder Instant-Sodbrennen schreit. Was soll ich sagen? Eigentlich zu gut für ein Weinabo, aber muss Hendrik wissen und der weiß immer, was er macht. Weißte Bescheid.

Kommen wir zum „Testorio” 2023 von Fedellos Do Couto aus dem „New Spain“-Paket.

Schauplatz: Ribeira Sacra. Mit seinen krass steilen Hängen aus schwarzem Stein eine der interessantesten und herausforderndsten Weinregionen Spaniens. Tagsüber brütend heiß für perfekt reife Trauben, nachts wunderbar kühl, um die Säure zu konservieren. Dazu kommen in den höheren Lagen der atlantische Wind und der steinharte Boden aus Schiefer und Granit. Eine krasse Region in allen Belangen, Dramatik pur. Der absurd hohe Arbeitsaufwand, der hier nötig ist, kann nur von weinverrückten Schlingeln betrieben werden. Viele Bewohnerinnen und Bewohner der Region haben längst aufgegeben oder sind weg. Viel Arbeit für wenig Geld – nein, danke. Aber einer muss den Job ja machen. Hier kommen die Fedellos Do Couto ins Spiel mit dem „Testorio” 2023.

Struktur pur meets Niagaratrinkfluss 3000: der schelmische Testorio von den Couto-Bengeln.
Struktur pur meets Niagaratrinkfluss 3000: der schelmische Testorio von den Couto-Bengeln.

Ein mineralischer Strukturweißwein mit grippigem Allradantrieb aus den Rebsorten Godello, Alvarinho und Doña Blanca. Der Wein liegt drei Tage auf den Schalen für etwas Vroom und wird dann sanft gepresst. Fedellos bedeutet so viel wie Bengel und für den erst zweiten Jahrgang aus diesem Weinberg ist das frech gut. Name passt, Wein passt, alles passt. Von über 60 Jahre alten Rebstöcke, nach acht Monaten im Tonneau ungeschönt und unfiltriert mit nur minimaler Schwefelgabe abgefüllt. Ein perfekter Start in den Abend – auf anspruchsvoll angelehnt. Dazu ein paar Snacks für den perfekten Sundowner und ab geht‘s! Pimientos de Padrón, marinierte Oliven, frisch gebackenes Brot und ein Sonnenuntergang. So einfach isses!

Endlich: Rudelbumsende Rebsorten

Last but not least Hendriks vinophile WaL-Heimat. Da haben wir ihn. Wie versprochen. Den Rebsorten-Rudelbums der Südafrikanischen Art. Von niemand geringerem als Swartland-Legende Eben Sadie, der in Kennerkreisen vollkommen zurecht mit den Adjektiven „revolutionär“ und „visionär“ beschmissen wird. Exklusiv gefüllt. Für das Abo. Für Wein am Limit. Und deshalb auch für mich.

Vogelfreiheit für alle: Rebsorten-Rudelbums der Südafrikanischen Art von Legende Sadie.
Vogelfreiheit für alle: Rebsorten-Rudelbums der Südafrikanischen Art von Legende Sadie.

Wie der Mann diese saftige Kühle aus dem heißen Klima kitzelt, grenzt an Raketenwissenschaft. Auch so beim „Vogelfrei Swartland Red“ aus dem Jahr 2023. Eine absurd geile Cuvée aus Syrah, Pinotage, Grenache, Counoise und Cinsaut, die irgendwo zwischen vollmundiger Reife und saftiger Frische tänzelt. Südafrika auf Rhône angelehnt, dank dem uniquen Pinotage-Anteil aber mit Saft, Saft, Saft und ohne Süße, Süße, Süße oder irgendeiner gekochten Grütze. Hinzukommt ein animierender Gerbstoff, der dem Gaumen adstringierend auf die Schulter tippt, um ihn kurz daran zu erinnern, dass er da ist, aber die Gosche nie in die Wüste Gobi verwandelt. Eine meisterhafte Mischung aus allem, was großen Wein für mich ausmacht: Saft, Frische, Tiefe, aromatische Komplexität, Trinkfluss, sauber, doch nie verweichlicht. Ganz stark. Einfach großes Winemaking. Punkt, aus, Ende. Wie Sadie die Farbe – ein wunderschön transluzentes Rubinrot – und die feinen Gerbstoffe extrahiert, hat dabei etwas von einer Teezeremonie. Behutsam gepresst, nicht ausgewrungen, um so den exakten Moment abzupassen, bevor es zu viel wird. Millimeterarbeit mit Fingerspitzengefühl, die hier gelungen ist. Teils entrappt, damit das Tannin schön smooth daherkommt. Ausgebaut im gebrauchten Holz. Wirklich Baba. Auch hier fragt man sich, was solch ein Wein in einem zu Abo suchen hat.

Übrigens: Der Riesling „Insel“ 2023 stammt aus dem Weinabo im September diesen Jahres, der „Testoiro“ 2023 aus dem November und der Sadie „Vogelfrei“ 2023 aus dem Oktober.

Von allen drei Weinen gibt es noch kleine Mengen im Abo-Shop (zeitlich begrenzt vom 6.-7. April 2025), den Hendrik ab heute für zwei Tage für Nicht-Abonnenten exklusiv öffnet. Einfach checken und auschecken.

Der Apple-Jünger in mir meint: Trink different. In diesem Sinne: Viel Spaß im Glas und danke fürs Lesen. Wie immer gilt: Wein am Limit.

 

Ein Gastbeitrag von Milton Sidney Curtis, bekannt von Instagram, wo er seine Follower regelmäßig mit feinem Content versorgt.

 

 

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