Kommentar

Fünf Jahre Weinhandel - Ein Resumée

Ich habe viel Wein in geschwenkten Gläsern gesehen. Manche Könner schwenkten gar mit links wie mit rechts. Ich habe eine Lady aus einer Magnum-Flasche Wein trinken sehen, die fast so groß war wie sie selbst, inmitten der singenden und tanzenden Avantgarde der WaL-Winzer-Welt. Ich habe Hendrik auf einem Tisch stehend mit Megafon erlebt, als er versucht Geld für einen zerstörten Klodeckel einzutreiben. Und ich habe Menschen gesehen, die wie selbstverständlich die besten Weine der Welt in einen Napf gespuckt haben. Surreal, aber nur solange, bis ich das erste ProWein-Opfer erlebte - das war mir Warnung genug. Ergo, seither spucke ich Wein ohne Reue.

Prowein Gruppenbild Wein am Limit
Auf diesem Bild hält Suzzie Vinding-Diers (vorne rechts) nur ein Glas. Imposanter war die Szene, als sie im Bus die im Verhältnis riesig wirkende Magnum-Flasche Fio-Riesling ansetzte. Natürlich nicht allein. Damals gab es noch keine komischen Blicke, wenn man sich ein Glas oder auch eine Magnum-Flasche teilte oder sich die Hand reichte.

Wein nicht jetzt, wann dann? Ein Plädoyer für Fairness & Interesse.

Fünf Jahre Wein. Man sieht, riecht, schmeckt und lernt. Und das, was ich gelernt und beobachtet habe, möchte ich oder besser – darf ich – hier auf der Bühne des WaL-Magazins teilen, wenn auch nur in ein paar Sätzen. Es ist ein kleines Plädoyer für Wein-Newbies, Fortgeschrittene, Uninteressierte und Profis. Oder einfach an alle, denn was uns verbindet, sind die ersten Schritte in der Weinwelt und die nimmt ein jeder Schluck für Schluck.

Der Kenner und der Amateur grenzen sich voneinander ab, indem sie das Gehabe des jeweils anderen schrecklich finden. Der eine ist der Wein-Snob, der Angeber und der andere der verachtete Grauburgunder-Trinker, den nicht schert, dass da Besseres auf ihn wartet. Natürlich gehören Dogma und Aufschneiderei zum Wein wie zu jeder guten Szene, die etwas auf sich hält. Aber es gibt auch viele, die sich (noch) nicht ausreichend mit dem sozialsten Getränk der Welt – oder eben zweitsozialsten, nach dem Kölsch – auseinandersetzen.

Die Wahrheit ist, dass alles so gut ist, wie es ein jeder, also Du oder sie oder er oder ich, für sich befindet. Grenzen verhärten nur dann, wenn Dogmatiker aufeinandertreffen und den anderen Parteien keinen Raum schenken. Klar, das ist ein globales Problem. Wenn es also nicht Dein fesches Lebensziel ist, Deine bluthochdruckrote Birne mit einem ebenso roten Wein in den sozialen Medien zu teilen, ist das genauso ok, wie dem vermeintlich schlechten Wein ein Bier vorzuziehen. Und was schlechter Wein ist, das ist genauso subjektiv. Zu viel Säure, zu viel Tannin, zu fruchtig, zu holzig, zu teuer, zu viel Natur im Wein usw…

Doch lasst uns die Stereotypen sezieren. Eventuell trinkt derjenige Grauburgunder, weil er von dem Angebot auf der Karte überfordert ist, respektive sich nicht die Blöße geben möchte keinen Plan zu haben. Und vielleicht ist derjenige, der sich und seinen Wein in Social Media teilt gar kein Snob oder Angeber, sondern schlicht jemand, der sich über seinen heißen Scheiß freut, lange gespart hat und sonnengegerbt mit 120 zu 70 Blutdruck posiert. Ist schon klar, man malt sich seine Welt, so wie sie einem gefällt. Schubladen gehen auf und zu, das macht das Leben einfacher. Wir neigen dazu, mit fiesem Humor auf Dinge zu reagieren, die wir nicht ändern können.

Wir, als Fans des Weins die vermeintlich einen Schritt weiter sind, und die Profis sowieso haben die Aufgabe, die Passion – bitte in Gedanken englisch aussprechen – zu teilen, und zwar so ansprechend, dass möglichst viele mit dem Weinvirus befallen werden. Es geht nicht darum die ganze Welt zum Genuss zu bekehren – zur Nachhaltigkeit aber schon und der Grad ist schmal.

Für alle anderen gilt, dass Ihr nicht nur Euch, sondern auch der Welt etwas Gutes tut, wenn Ihr auf die Qualität von Wein achtet. Ich will niemandem absprechen, dass ihm oder ihr ein Wein für drei Euro aus dem Discounter schmeckt, es ist nur eine schlechte Idee. In den Beiträgen Technischer Wein und Was kostet einen Flasche Wein bekommt man einen Einblick in die Welt der Wein-Massenproduktion. Echtes Interesse wird anerkannt werden, die These stelle ich nur auf und kann sie nicht beweisen, aber ich glaube daran. Es ist immer der richtige Zeitpunkt, sich für etwas zu begeistern, und Begeisterung braucht man für das komplexe Sujet „Wein“. Profis werden Euch helfen ein eigenes Profil anzutrinken und nicht wieder das Altbekannte ins Glas zu gießen. Es bleibt ein spannender Moment, den ersten Schluck von etwas Unbekanntem zu nehmen. So springt alle einmal über Euren Schatten, traut Euch und fragt Fragen – jede Antwort birgt Erkenntnis.

Ohne erhobenen Zeigefinger werde ich allerdings nicht aufhören zu tippen. Im Weinzirkus gibt es auch Heuchler und falsche Fuffziger, so wie überall. Mir geht es nicht um Konzerne, die mittelmäßigem Rosé das Image eines High-End-Champagners auferlegen. Fair enough, ich denke, dass deren Kunden ganz andere narzisstische Probleme haben. Gerüffelt fühlen dürfen sich die menschgewordenen Rebläuse, die das Banale anpreisen und mit Prädikat versehen. Sie stehen der Entwicklung der ganzen Szene im Weg, indem sie das Individuum mit Schrott vergraulen. Sei es jemand, der Naturwein mit Weinfehler unter die Leute bringt oder ein Restaurantbesitzer, der einen laschen, säurigen Weißwein ausschenkt. Die meisten Kunden lassen sich nur einmal darauf ein und sind nach einer Enttäuschung nicht so schnell für ein weiteres Experiment zu haben. Der Himmel hat zwar auch so einen Platz für Euch – vorausgesetzt Ihr betet brav – doch die Wahrheit schmeckt deutlich besser.

Wie es nun weitergeht, ist hier tatsächlich nicht zu klären. Das war nur eine stille Hommage für mehr Freundlichkeit und Verständnis für das Gegenüber und dass man mit der Wahrheit besser fährt. So riecht, schmeckt und lernt miteinander. Denn, Wein nicht jetzt, wann dann?

Abschied von Wein am Limit

Ein Sprichwort sagt, dass man gehen soll, wenn‘s am schönsten ist. Es gibt bestimmt journalistische Etiketten, die besagen, dass man einen Text nicht mit Plattitüden füllt, aber zum Glück bin ich kein Journalist und darf mich aus dem großen Hut der abgedroschenen Redewendungen bedienen. Aber, so ist es. Ein tolles Team mit freundlichen, hilfsbereiten, zu Freunden gewordenen Menschen. Nach fünf Jahren Weinwelt werde ich Wein am Limit zum Ende des Monats verlassen. Die Zeit hat mich geprägt und dafür bin ich dankbar. Besonders Hendrik und Bianca und dem Team gegenüber, aber auch Euch Walinauten, denn die Zeit mit Euch war klasse. Und mit einigen von Euch bin ich den Berg der Weinerkenntnis ja gemeinsam angegangen.

Collage Abschied
High Times – Die letzten Jahre waren mir ein Fest. Und nein im Weinhandel ist man nicht ständig berauscht.

Jetzt weiß ich, dass ich immer noch im Basislager jenes Berges stehe. Aber das ist auch gut so, denn das Ende meiner Weintrinkerkarriere ist noch nicht erreicht. Es macht großen Spaß neue Regionen, Rebsorten und Winzer zu entdecken. Und vor allem ist es einfach cool, dass dieses tolle Produkt uns vereint. Uns, unsere Winzer und die Natur, die uns mit dem Saft beschenkt. Wir lernen mit unseren Lieblingsweinen, das Dinge endlich sind und wir uns um Nachhaltigkeit aller Produkte unseres Lebens bemühen müssen. Denn auch dafür steht Wein am Limit.

Und weil ich ja kein Journalist bin, beende ich meinen Text auch platt. Ich sage Adieu und werde dennoch bleiben. Nur wechsle ich die Seite ins Team der Walinauten, denn den Wein werde ich weiterhin trinken und im besten Fall mit den besten Menschen teilen.

Cheers, es war toll, vielen Dank.
Sebastian

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