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Road to Revolution 3: Das große Finale

Zwei Wochen sind wir durch die Kapregion getourt und haben alte und neue Partner besucht. Es war mehr als an der Zeit für ein Wiedersehen. Denn so viel Positives ist passiert. Unsere „Road to Revolution” war lang und genussvoll. Der Weg gesäumt mit großartigen Menschen, deren Weine und Philosophie uns inspirieren. Das Ziel der letzten Etappe ist die Swartland Revolution 2025 auf der Kalmoesfontein Farm der Familie Badenhurst. Das Festivalgelände liegt vor uns, am Ende einer Dirtroad, malerisch im Schatten des Paardebergs gelegen. Das Gelände ist eindrucksvoll. Vor uns steht ein riesengroßes Zelt, umringt von Stroh und einer Wagenburg: Café, Grillplätze, Smoker, "Fanshop”, Smoker, Bierstand. Sowie eine grüne Zeltstadt für altersgerechtes Glamping zum Wohle der in die Jahre gekommener Revoluzzer. Outback Feeling in der Weite des Swartlands.

Road to Revolution Part 10: Das große Finale
Vor 10 Jahren fand die Revolution das letzte Mal statt, als Finale der fünf vorangegangenen Revolutionen. Unvergesslich das Chaos und der Vibe, dieser unbändige Spirit, diese aufgeladene Energie und die Freundschaft. Voller Lebensfreude und mit einer klar definierten Vision der Protagonisten. Das Swartland sollte seinen verdienten Platz auf der Weltweinkarte erhalten. Nachdem es Jahrzehnte den renommierten Weingütern aus Stellenbosch als billige Beschaffungsquelle diente. Dem Ruf folgten 2015 fast 500 Menschen aus der ganzen Welt. Erfrischend gemischt war das internationale Publikum mit vielen Locals, Nachbarn und dem „Who is Who“ der südafrikanischen Weinszene. Auffällig fanden wir den respektvollen Umgang aller Teilnehmer. Auf dem Festival gab und gibt es keinen Platz für Misanthropen, es ist uns Hedonisten vorbehalten. Dieses Mal waren die Tickets auf 350 Enthusiasten limitiert. Entsprechend hoch ist unsere Erwartung. Das Programm dicht gestrickt, mit verlockenden Verkostungen von gleichgesinnten Weinmachern. Sebastian Zuccardi reiste aus dem argentinischen Mendoza an, brillant vorgestellt von Master of Wine Tim Atkin. Seine linearen, kantigen Chardonnays und Malbecs, die kein Holz sehen und ein paar Jahre Reife benötigen, sind keine Blockbuster, sondern elegante, “alpine” Andenweine. Peter Fraser von Yangarra hatte Roussane und sehr feinen „Old Vine Grenache“ aus dem australischen Mc Laren Vale im Gepäck. Die Lernkurve für uns: mediterrane Sorten passen wunderbar in die australische DNA, vor allem in dieser warmen Region.

Der Höhepunkt der Verkostungen war (nicht nur für uns) eine jung vs alt Vergleichsprobe, die eindrucksvoll unterstreicht, warum das Swartland heute Championsleague spielt. Der 2011 Syrah Porseleinberg vom exzentrischen Callie Louw, ein dichtgeknüpfter Knaller mit berstendem Tannin, der offen lässt, wie lange dieser Marathonläufer zur perfekten Reife braucht. Die Nase hält jedem Vergleich mit den großen Nordhône-Klassikern stand. Wer das krasse Terroir jemals gesehen hat, der versteht eventuell, warum der Wein so intensiv ist. Den 2022er trinken wir mit viel Genuss; diese dunkelblaue Frucht mit Graphitnoten, einfach göttlich.


Andrea und Chris Mullineux, das Powerpaar von der Roundstone Farm, zeigten einen ihrer ersten Weine, den sie seinerzeit im Swartland gekeltert hatten. Den 2010er White Blend. Für die Statistiker: 70% Chenin Blanc, 10% Clairette, 10% Viognier, 10% Grenache Blanc, ein Jahr im gebrauchten Tonneau gereift. Erst der zweite Jahrgang, und was für ein Brett schimmert da im Glas mit zarten grünen Reflexen. Das ist die schlanke Antwort Südafrikas auf Provence-Granden wie Trevallon, körperreich, mit viel Textur, Mandel- und Steinobstnoten, ätherisches Fynbos-Kräuteraroma; es schmeckt köstlich. Der 2024 ist aus demselben Holz geschnitzt und ziemlich vielversprechend. In 15 Jahren noch besser als der 2010er? We’ll see.

Der 2012 Columella von Legende Eben Sadie, damals noch ein Blend aus 76% Syrah, 17% Mourvèdre und 7% Grenache, ist der flüssige Beweis, warum dieser köstliche Icon Wine ein paar Jahre reifen kann, sogar muss. Ein Mix aus dezenten Röst- und Holzaromen (immer noch!), dunklen Früchten, Gewürzen, Kräutern eingerahmt von kühlen mineralischen Noten, mittelkräftig und intensiv im Geschmack. Sehr geil. Gut, dass Eben sich damals entschied, seinem zweiten Standbein, dem Priorat, den Rücken zu kehren, um sich voll auf seine Heimat zu fokussieren. Seitdem hat Eben die Formel bezüglich Ausbaus, Rebsorten, Terroirs immer weiter verfeinert. Dabei ister seinem Stil und seiner Vision treu geblieben, nämlich einen großen Swartland Wein zu keltern. Der 22er kommt diesem Optimum sehr nah. Eigenständig, kühl, rotfruchtig, straff und zugeknöpft, mit feinsten Gerbstoffen und einer brillanten saftigen Säure. Ein handwerkliches Meisterstück, das ohne Effekte auskommt. Ein Star der südlichen Hemisphäre. Ein Einhorn in der Weinwelt. Für diesen Wein gab es nie einen Blueprint!

Spaßvogel, Freigeist, Entertainer und Moderator Adi Badenhurst macht erklärtermaßen „lekker Wein“. Man sollte ihn nicht unterschätzen, im Gegenteil seine Auffassungsgabe und sein Gefühl für Wein sind legendär. Ganz bewusst zeigt er dem Publikum einen seiner wichtigsten und meistverkauften Weine, den 2023er versus 2013er Family White Blend. Flüssiges Glück, sehr viel Wein fürs Geld. Entfernt erinnernd an weißen Châteauneuf-du-Pâpe, aus 17% Grenache Gris, 14% Roussanne, 12% Verdelho, 8% Clairette, 7% Viognier, 6% Semillon, 3% Marsanne 2% Palomino und natürlich 30% Chenin Blanc. Diese Cuvée gibt es nur im Swartland, politically incorrect und beabsichtigt. Kein Technikwein, sondern gefühlvoll und lebendig komponiert mit Honignoten, Bienenwachs, Mandel, Pfirsich und Aprikosen in Gesteinsmehl paniert geben sich die Hand und kitzeln frech die Nasenhaare und Synapsen. Süffig, mundfüllend, voller Lebensfreude. Eben ein Family Reserve.

Die Moderation des Events übernahm Anthony Hamilton Russell aus dem Hemel-en-Aarde-Tal, er war vor mehr als 50 Jahren ebenfalls Pionier. Das Weingut ist ein Leuchtturm am Kap der Stürme, seit vielen Jahrzehnten. Ohne Frage, oben auf dem Podest sitzen keine Rivalen, sondern Brüder und Schwestern im Geiste, die sich gegenseitig schätzen.

In einer Welt voller Neid und Kleinkariertheit ein wohltuender Unterschied. Einer, der ihn ausmacht.

Fazit:

Ob es nach der 10 years after Jubiläumsveranstaltung noch mal wieder geben wird? Die leicht angegrauten Initiatoren sagen, es war das letzte Mal.
Fakt ist, es war die beste aller Revolutionen. Sie ist erwachsen und zum Establishment geworden. Die Fackel der Revolution scheint trotzdem nicht auszugehen. Eben Sadie postuliert am Ende, dass die Dominanz der nördlichen Hemisphäre gebrochen werden muss.

Wir kennen keinen Event, der so viele Aspekte der Weincommunity zusammenbringt wie dieser. Über allem schweben der Qualitätsgedanke und die Vision, das richtige Gefühl für die Herkunft zu vermitteln. Denn obwohl es nur 5000 Hektar Weinberge gibt, ist das riesengroße Swartland ein anerkannter Platz für Spitzenweine geworden. Daran gibt es nichts zu deuten. Die Welt, in der wir leben, wird immer genussfeindlicher und distanzierter. Selbstoptimierer, Gesundheitsapostel und selbsternannte Moralinstanzen dominieren den Diskurs, auch den über „Fine Wine“. Ein Jahrtausende altes Getränk gerät ins Kreuzfeuer.

Es ist erfrischend zu sehen, wie dieses Festival Menschen verbindet. Junge, alte, aus allen Ländern der Erde. Friedlich beisammen, um gemeinsam die Lebensfreude zu feiern. Auf höchstem Niveau voneinander lernen, vor allem von den Weinen und ihren Protagonisten. Brainpool und Thinktank gleichermaßen. Einige sagen, die Swartland Rev ist das „Burning Man Festival“ der Weinwelt. Da ist was dran. Denn auch bei diesem Treffen geht es um Selbstverwirklichung und den Sinn des Lebens. Uns hat die Revolution viele positive Vibes gegeben. In Zeiten von gesellschaftlicher Ausgrenzung, Konflikten, Zollstreitigkeiten und Kriegen hat außergewöhnlicher Wein gezeigt, was er kann. Teilen statt spalten, sprechen statt schweigen. Eine Nische, ja, aber eine wertvolle. Für die gesamte Branche ein Leuchtturm. Mehr davon … bitte. Gerne auch bei uns in Europa.

Mein Freund Tim Atkin MW hat es trefflich zusammengefasst: “I couldn’t come up with another region, anywhere in the world, that has changed its image so successfully in two decades. Today, it’s making some of the greatest wines on the planet. What the Swartland has achieved should be an invitation to dream, to drink, to celebrate.”

Das Swartland ist heute in aller Munde – Mission accomplished, I suppose.

Wer neu einsteigt, hat was verpasst. In Part 1 ging’s los mit Food, Wine und alten Freunden, in Part 2 wurde’s tiefer, intensiver, persönlicher.

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