Allgemein

Road to Revolution 2: Genussvolle Fortsetzung

Südafrika, dieser Ort macht einfach süchtig. Sonne, Wind, wilde Natur und Weine, die dich packen, schütteln und nicht mehr loslassen. Klar, dass das Kap bei uns immer ganz oben auf der Bucket List steht. Also hat sich die Chefetage wieder in den Flieger geworfen. Ziel: Nachschub für die Seele.

Road to Revolution Part 5: Weiter nach Botrivier zu Crystallum und Gabrielskloof im Outback
Von weiten sieht man über die sanften Hügel, über endlose Weizenfelder. Outback Feeling. Hier liegt im Botrivier-Tal das Gabriëlskloof Estate. Umrahmt von den schroffen Gebirgszügen der Houwhoek Range und der Babylonstoren Range. Peter-Allan Finlayson ist tief verwurzelt mit der südafrikanischen Weinbranche. Sein Vater Peter Finlayson ist einer der großen Pioniere, der mit dem Weingut Bouchard-Finlayson einen Klassiker kreierte. Peter-Allan ist heute für zwei Weingüter verantwortlich. Das seiner Frau Nicolene aka Gabriëlskloof und sein eigenes, Crystallum. Bei letzterem geht es um Chardonnay und Pinot aus krassen, teilweise sehr hochgelegenen Parzellen. Die gehören zum Besten, was es hier gibt. In sich ruhend und einfach köstlich zu trinken. Wenig spürbarer Holzeinsatz, kühl und mit einer feinen Säure. Delicious und schwer nicht zu mögen. Peter-Allans Humor und seine Beobachtungsgabe sind legendär, sein Wortwitz erinnert an Monty Python. Er nimmt sich selbst nicht zu ernst. Eine Probe mit ihm ist einfach Spaß und einer der Gründe, warum wir in der Weinbranche sind. Seine Weine sind kompromisslos und seriös, trotzdem lachen wir viel. Wir verkosten uns durch die gesamte Range und kommen aus dem Staunen nicht raus. Unprätentiös und trinkig, mit ein paar Jahren Reife legen sie noch mehr zu, ganz sicher. Wunderschön wie hier scheinbare Schwerelosigkeit und sinnliche Tiefe aufeinandertreffen.

Das Restaurant auf dem Weingut ist lässig und die Küche weinfreundlich. Nicht kompliziert, sondern herzhaft und handwerklich gekocht. Eine großartige Gelegenheit zu sehen, wie gut diese Weine ein Essen begleiten und nicht dominieren. Die Fahrt von Kapstadt hierher lohnt sich. Peter-Allans Schwiegervater begrüßt jeden Gast persönlich und beantwortet geduldig jede Frage. Zum Weingut gehört ein unfassbar schönes historisches Guesthouse, das Peter-Allans Bruder Andrew, ein Architekt, mit viel Fingerspitzengefühl renoviert hat. Am liebsten würden wir hier leben wollen. Eigentlich wollen wir hier nicht weg, aber dann folgt der Lockruf von Chenin-Ikone Chris Alheit.

Road to Revolution Part 6: Meeting the one and only Chris Alheit
Oberhalb des Hemel-en-Aaarde –Tals fängt die Gemarkung Hemel-en-Aaarde Ridge an. Ein Besuch bei Chris Alheit aka Butch ist ein Erlebnis. Er ist eine imposante Erscheinung, der mit seiner Figur sowie dem verschmitzten und gütigen Lächeln in jedem Rugby Team spielen könnte. Chris ist einer der absoluten Superstars am Kap; ruhelos, hemdsärmelig, aufmerksam, mit Witz und Humor und einer positiven Energie, die ihresgleichen sucht. Jedes Wort ist wohldosiert. Ein Spannungsfeld, was uns in seinen Bann zieht und gleichzeitig möchte man ihn knuddeln. Seine Cultivars, so werden Rebsorten in Südafrika genannt: Chenin Blanc und uralte Semillon Weinberge. Das ist Champions League, ohne Frage. Wenn man bedenkt, dass der Jungfernjahrgang erst 2011 war, hat Alheit eine steile Karriere hingelegt. Das sehen alle Experten unisono.

Das gemütliche Weingut könnte auch eine Werkstatt oder Junggesellenbude sein. Hier wird geackert und malocht, mit Freude und Leidenschaft. Irgendwie roh und unpoliert, aber alles mit so viel Herzblut. Es ist die reine Freude. Das offensichtliche Chaos dient einem höheren Zweck; das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Chris holt seine Trauben von den legendärsten Weingärten am Kap, gerne alte Reben, vor allem hochgelegene Parzellen interessieren ihn. Wegen der kühleren Temperatur. Neues Holz findet man hier nicht: „I don’t want my wine to taste like a french forest“. Ansonsten gibt es Betongebinde, that’s it. Spontangärung, langes Hefelager, kein Maischekontakt, unfiltriert abgefüllt und zum Harmonisieren noch einige Zeit im Stahlgebinde. War noch was? Ach ja, eine minimale Schwefelung. Chris’ Stoffe sind Natural Wines, nur mag er dieses Prädikat nicht.
Wir verkosten die 2024 Range und sind geflasht. Was für eine Spannung! Chris grinst uns zufrieden an. Wir freuen uns auf die Herbstallokation. Vorher bekommen wir noch den 2023 „Here after Here“. Eine Palette seines Einsteigertropfens haben wir irgendwo versteckt im wuseligen Keller gefunden. Dieser Besuch hat sich gelohnt!

Road to Revolution Part 7: Mondänes bei Leeu Passant
Die 2 Stunden Fahrt von Hemelrand nach Franschhoek durch das Gebirge sind spektakulär. Schroff und menschenleer ist es hier. Der Ausblick vom Franschhoek Pass auf das darunter gelegene Tal ist episch. Hier ist alles „trés francais“, den ersten Siedlern sei Dank, den Hugenotten. Der „Franzosenwinkel” ist ein beschauliches, pittoreskes Örtchen und der Tourismus läuft auf Hochtouren. Dem Provence-Feeling sei Dank.

Von hier stammen legendäre Semillons. Überhaupt ist Südafrika mit dieser Sorte ganz weit vorn im internationalen Vergleich, auch wenn die Nachfrage eher in der Winebubble liegt.
Das Gelände von Leeu Passant ist unglaublich: gepflegte, weitläufige Gärten, die dem vielfältigsten botanischen Königreich alle Ehre machen. Das Hotel mit seinen Studios und Cottages, ein Traum. Leider einer, den wir uns nicht leisten können. Es sei denn wir gewinnen doch noch im Lotto. Das angeschlossene Restaurant, La Petite Colombe, gehört zu den am höchstdekorierten am Kap. Eine Galerie mit zeitgenössischer Kunst gibt es auch. Wir stellen auf Flachatmung um, so beeindruckend ist das alles.

Unsere Freunde Chris und Andrea Mullineux sind vor mehr als 10 Jahren eine Partnerschaft mit dem indischen Impresario Analjit Singh eingegangen. Sein Nachname bedeutet übersetzt “Löwe”, auf Afrikaans: Leeu. Der Raum, in dem unser Tasting zelebriert wird, ist das Wine Studio mit Blick in den Weinkeller und die sehr überschaubare Produktion. Stilistisch haben die Weine einen anderen Fokus als die der Mullineux Family von der Roundstone Farm im Swartland. Vor uns schlummert Klassik im Fass und ein paar Amphoren: Cabernet Sauvignon & Chardonnay aus Stellenbosch, natürlich Semillon aus dem Tal, aber auch Cinsault aus dem ältesten Weingarten Südafrikas (1893), dem Basson Vineyard. Der elegante Red Blend, das Flagschiff, ist eine Huldigung an die große Vergangenheit, als Cabernet und Cinsault geblendet wurden. Diese für uns ungewöhnliche Cuvée hat bewiesen, dass solche traditionellen Weine jahrzehntelang reifen können. Der Grund dafür ist, dass der Pressvorgang der kleinbeerigen und harten Cabernetschalen durch den dünnhäutigen, saftigen Cinsault besser lief. Unser Wineguide AV erklärt uns die Weine mit viel Kompetenz. Bis zu 50 Besucher werden täglich empfangen. Nur mit Termin, klar. Exzellente persönliche Betreuung auf Augenhöhe. Wir fühlen uns wie Privatpatienten. Überhaupt erleben wir während unseres Aufenthaltes überall aufmerksamen Service und ein hohes Maß an Gastfreundlichkeit. Der Tourismus ist in der gesamten Kapregion zu einer wichtigen Einnahmequelle und Branche herangewachsen. Entsprechend wird auf hohem Niveau geliefert.

Es geht weiter nach Riebeek-Kasteel ins Swartland über lange Straßen, die wie an einer Schnur gezogen die imposante Weite durchschneiden. So viel Platz zum Träumen und Staunen. Ohne Frage, wir sind auf der richtigen Spur mit unserer „Road to Revolution“.

Road to Revolution part 8: Eben Sadie
Man kommt beim Anblick dieses Weinguts aus dem Staunen nicht mehr raus. In 25 Jahren hat Eben Sadie nicht nur die südafrikanische Weinszene umgekrempelt und neue entscheidende Impulse geliefert, sondern aus dem Nichts ein Weltklasse-Weingut am Fuße des Paardebergs geschaffen. Sein Vater war bei der Eisenbahn, besaß keine einzige Rebe. Nicht nur von außen ist das elegante Weingut im dezenten kapholländischen Stil imposant. Auch die Hardware im Keller, der Verkostungsraum, die “Library” mit 60.000 Flaschen (eine Ernte!) und das Office. Alles ist sinnvoll angeordnet und mit viel Liebe und Sachverstand zu einem Meisterwerk zusammengefügt. Das alles in für Eben typischer Manier. Mit Perfektion, mit Konsequenz, und mit harter Arbeit. Bei der Sadie Family gibt es keine Zufälle, hier ist Körperspannung allgegenwärtig. Als wir ihn 2001 kennenlernten, hatte er außer seinem Traum, seiner Frau Maria und einem Schuppen nichts. Er hatte gerade genug Geld fürs Essen. Essen gehen war lange nicht drin. Ein Selfmade Man, einer dem wir seinen Erfolg über alles gönnen. Wenn er in seiner Guru-Art über Wein spricht, kommt das positiv, gewinnend und sympathisch rüber. Eben ist kein Klugscheisser, sondern eine integre Erscheinung, mit der man wunderbar über Wein philosophieren kann. Er hat die internationale Weinwelt im Blick, selbst hier unten am Arsch der Welt.

Vor allem im Weinberg geht es kompromisslos zur Sache. Kaum sind wir angekommen, begrüßen uns der Meister und sein Sohn Markus, der auch schon komplett im Familienbetrieb involviert ist. Wir steigen direkt tief ein in komplexe Angelegenheiten wie die Reberziehung, Bodenbearbeitung und welche Cultivars im Swartland sinnvoller sind als die üblichen am Kap anzutreffenden Verdächtigen. Eben stellt vieles infrage, liefert gleichzeitig schlüssige Antworten dazu, wenn es um essenzielles wie Humusbildung, becherförmige Gobelet-Reberziehung für mehr Schatten geht. Oder ausreichend Zeilenabstand für großflächige Wurzelbildung im verwitterten Granitboden. Eben ist ein Farmer, der einen lebendigen Boden will und schafft Biodiversität. Eine solche Sichtweise ist rar hier unten im Süden. Das Prädikat Bio will er nicht, er macht es sowieso, um an solche Ergebnisse zu kommen.

Die Sadie Family hat in den letzten Jahren viele hitzebeständige Sorten angepflanzt, wie Grillo, Rolle (aka Vermentino), Assyrtiko, Palomino oder Counoise. 15 Sorten stehen im gemischten Satz. Noch sind die Reben jung, doch die ersten Abfüllungen (wie der 2023er Vogelfrei /Hyperlink/) sind ziemlich gelungen. So eine Art Swartland Reloaded. Der Keller ist blitzsauber und neues Holz gibt es nicht. Dafür Stockinger-Fuder, ein paar Amphoren und Beton. Zwei neue Crus kommen im Herbst, der Red Blend „Sunvang“ und „Twiswind“, eine traumschöne Chenin-Parzelle von der Farm. Danach lechzen schon jetzt alle Sadie-Jünger weltweit und die erzeugten Mengen sind mikroskopisch gering. In Südafrika und UK gibt es bereits einen Sekundärmarkt für diese großartigen Weine. Solche eleganten Charakterstoffe sind Leuchttürme, nicht nur in Südafrika, sondern auf der ganzen Welt. Mehr als 40 Märkte reißen sich um eine jährliche Allokation. Wir waren seit Day1 dabei. Nächstes Jahr feiern wir unsere 25-jährige Zusammenarbeit mit der Sadie Family. Noch mehr Welklasse gefällig? Auf geht’s zu Mullineux.

Road to Revolution Part 9 – Mullineux – Wir surfen weiter auf der Top-Niveau!
Check-in im Royal Hotel in Riebeek-Kasteel. In Gedanken sind wir bereits bei unserem gepflegten Gin & Tonic unter den Arkaden. Mit Blick auf das den Ort. Typ „laid back Hippiekommune.” Gleich gegenüber war das alte Weingut von Mullineux, das heute ein Latino-Restaurant beherbergt. Nun, der Wandel ist Teil der Dynamik. Am frühen Abend geht es zur Roundstone Farm von Andrea und Chris am Fuß des Kasteelbergs. Ein weiteres Weltklasse-Weingut. Hier ist der Boden verwitterter Schiefer aka Schist. Es war Eben Sadie, der das Power-Paar ins Swartland gelockt hat und der erste Jahrgang kam 2009 auf die Flasche. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Wir waren von Anfang an dabei und durften den atemberaubenden Weg der beiden begleiten.

Bei unserem heutigen Besuch schlendern wir gemeinsam mit dem Argentinier Sebastian Zuccardi aus Mendoza und dem Australier Peter Fraser von Yangarra aus Mc Laren Vale über das weitläufige Gelände. Morgen sind wir dann alle auf der Revolution. Die Weinbergslagen schmiegen sich spektakulär an die Hänge der Riebeekberge, immer wieder mit großen Streifen von Fynbos durchzogen. Es brummt und zirpt überall, über die Insekten freuen sich die Hundertschaften wilder Perlhühner, über die letzteren die drei Weimaraner der Mullineux. Auf der Roundstone Farm wird in natürlichen Kreisläufen gedacht. Auch im Keller geht es zu wie bei Eben Sadie. Nach dem Prinzip ‘weniger ist mehr’. Die Single Vineyard Syrahs sind – wie die Lagen Chenins – so geschliffen, präzise und fein, … unerreicht. Auch die Syrah Blends sind längst auf Augenhöhe mit der Rhône.

Uns begeistert der 2024er White Blend aus Chenin, Clairette, Grenache, Viognier und Semillon Gris. Die Cuvée schielt Richtung Provence und bleibt trotzdem einzigartig. Als wir den 2010er auf der Revolution verkosten, denken wir an die südafrikanische Ausgabe der legendären Domaine de Trevallon, in elegant und zu einem Drittel des Preises. Ein Texturwunder mit kühlem, steinigem Aroma mit im Hintergrund wabernden Kräuterstrauß. Reifen kann der auch, sehr gut sogar.

Wir verkosten mit den prominenten Kollegen und unseren Gastgebern viele neue Jungweine aus mediterranen Rebsorten. Das Paar hat vor einigen Jahren einen Hektar Sémillon Gris angepflanzt, eine einzigartige südafrikanische Mutation des Sémillon. Die Probe ist großartig. Der ruhige Chris hat einen feinen englischen Humor, der sich selbst nicht so ernst nimmt. Als wir das Dutzend Proben aus den eigens für uns gefüllten PET-Flaschen an einem pittoresken Platz mit Blick auf das Anwesen verkosten, fragt er in die Runde, wie uns das neue Packaging gefällt. Wir brauchen einen Augenblick bis wir alle in schallendes Gelächter ausbrechen. Danach wartet das Pre-Revolution Dinner. Es ruft das BBQ, oder Braai, wie das hier unten heißt…lekker, lekker.

Doch der Höhepunkt kommt noch. Die Reise steuert auf ein echtes Brett zu: die Swartland Revolution: wo Wein-Nerds, Rock’n’Roll-Winzer, Hendrik und Bianca aufeinandertreffen.
Hier geht es zu Part 3

Spread the Love - Teile diesen Beitrag!