
Root-Time bei den Oggaus
Südafrika ist und bleibt ein Sehnsuchtsland. Auch bei Wein am Limit haben Geheimtipps und Kultweine vom Kap einen Platz an der Sonne und in unseren Herzen. Die Chefetage war dort unterwegs, um Nachschub zu holen. Eine Wein-Safari durch Täler, Berge und sturmumtoste Buchten. Mit einem Highlight als Ziel: Swartland Revolution. Dieses Festival gilt als eine Art Burning Man der Vinophilen. Viel Spaß mit dem Reisetagebuch von Hendrik und Bianca.
Road to Revolution part 1: – Alte Freunde – neue Weine
Nach 24 Stunden Reisezeit von Hamburg über Dubai mit einem Pit Stop Reparatur Bier sind wir in Kapstadt angekommen.
Schon beim Überfliegen von nördlichen Teil Südafrikas sieht man die Veränderungen. Sehr gebirgig und trocken, dazwischen fast ausgetrocknete Flussläufe und je näher man an das Kap kommt, umso grüner wird der Teppich aus Feldern und Wäldern. Wir fliegen in das kleinste und artenreichste der 5- botanischen Königreiche. Vor uns liegt der kalte Atlantik mit seiner eiskalten arktischen Benguela-Strömung. Seit über 350 wird hier Wein auf den ältesten Böden der Welt dafür angebaut. Chenin Blanc gibt es hier 80 Jahre länger als Cabernet Sauvignon in Bord. Ich fand den Begriff „neue Welt“ schon immer eine Gedankenfalle. Hier sind keine Greenhörner am Werk, sondern es gibt Tradition und ein an Europa erinnerndes Wein Verständnis (insbesondere für SA gilt das). Wenn da nicht die Apartheit bis 1994 gewesen, die hat hier über 50 Jahre die Entwicklung gebremst.
Der Spätsommer mit 26° C gibt sich milde. Überhaupt erinnert uns das ganze Setting an die Mittelmeerküste in Marseille, nur grüner, weniger mediterran. Überall ragen die Felsen (erinnern an Schichtkuchen) in den Atlantik.
Jörg Pfützner und ich kennen uns 25 Jahre und mit etwas Stolz kann ich behaupten, ich habe ihn für Wein inspiriert. Vor ungefähr 20 Jahren ist er hier hingezogen, hat eine Familie gegründet und ist heute verantwortlich für das Weinprogramm der luxuriösen Hotelgruppe https://singita.com.
In der hiesigen Winzerszene ist er geachtet für seine Ideen und Umsetzung für Festivals wie Constantia Fresh, Big Bottle Party und den legendären Riesling Club (er hat beste deutsche Rieslinge importiert und der hiesigen Weinszene verkauft).
Auch für den Platter hat er mal geschrieben und ich behaupte; Jörg kennen sie alle und er kennt sie. Gefürchtet ist Jörg u.a. für seinen unstillbaren Durst… Der Typ kann hart feiern, richtig hart und verkosten wie wenige.
Einer der besten Scouts, die ich kenne, der die 100.000 Hektar Weinberge von SA kennt, wie seine Westentasche und auch die europäische Weinszene fest im Blick hat. Natürlich kennt er alle Somms und Restaurants (er war auch Sommelier in der Aubergine in Kapstadt) hier unten.
Deswegen gehen wir heute zu Lydia (die Familie stammt aus Madeira), deren Familie in der zweiten Generation das Chapmans Peak Hotel betreibt. Fancy ist es nicht, aber eine mega Terrasse mit Blick auf die Hout Bay und eine spannende Weinkarte mit sehr, sehr fairen Preisen. Jörg meint eine der besten in der Region. Namedropping findet hier nicht statt, dafür ist die ganze Dynamik der jungen, aber auch alten Kap-Winzer abgebildet. Das vermutet man nicht hinter den Mauern dieses historischen Gebäudes am Eingang zum legendären, scenic Chapmans Peak Drive und auf die Kaphalbinsel. So ein eArt Roadhouse und Pit Stop für Vinophile.
Das Essen, was will man mehr, ist nicht kompliziert, dafür superfrisch, vor allem der Fisch, die Calamari und die Austern, unprätentiös gekocht. Lydia ist eine Grande Dame der Sommelier Szene, nicht laut, dafür still und sehr genau beobachtend. Ein must visit für jeden Besucher und Dank Jörg wird es ein feuchtfröhlicher Lunch. Besser kann die Road to Revolution nicht starten, aber wir hoffen, dass wir in den nächsten Tagen den Wine Intake reduzieren können.
Bevor wir weiter zu Jessica Saurwein nach Standford weiterziehen, gehen wir noch zu unserem alten Freund Harald Bresselschmidt in die Aubergine nach Capetown, seit über 30 Jahren schwingt der Hocheifelaner die Kochlöffel in diesem eleganten Restaurant, daß alle Moden überdauert. Ob es an der fantastisch kuratierten und fair bepreisten Weinkarte, oder an Haralds „old school“ raffiniertem Küchenstill liegt. Der Laden ist einfach gut und umsichtig geführt. Als Harald 1992 hier ankam gab es zwar super Produkte, aber sonst nicht viel. Harald ist ein Pionier der ersten Stunde, ein stiller, mit einer scharfen Beobachtungsgabe und Humor. Wenn in Capetown, dann ist die Aubergine ein Must, vor allem so lange Harald noch Lust hat am Herd zu stehen.
Road to revolution Part 2: Die next Generation – Aufsteigende Sterne am Firmament der Südhalbkugel
Jessica Saurweins Lachen und ihr sanftes, freundliches Wesen sind schon die halbe Miete, wenn man leicht verzweifelt durch die engen Dirtroads fährt und letztlich doch ankommt. Der Google needle sei Dank. Auf der wunderschön gelegenen Watervale Farm lebt Jessica mit ihrem smarten Mann Roland – einem bekannten südafrikanischen Weinhändler und -Experten und ihren beiden Jungs. Out of Africa Feeling.
Das Paar ist in den letzten Zügen das Anwesen komplett autark zu machen: Solar, Wasserzisterne, Gemüse und Kräutergarten, Ziegen, Schafe, Hühner, Pferde, Regenwurmzucht usw. Die südafrikanische Variante von „unsere kleine Farm“. Absolute Idylle und wir genießen die Ruhe“ im Hinterland von Standford an der Southcoast. Wir sind am Platz für marginalsten Weinbau, 10 km von der eiskalten Walker Bay. Es ist windig am Kap der Stürme, die lehmhaltigen und mineralstoffreichen Böden (Boekkefield Shale) sind perfekte Wasserspeicher im regenarmen Sommer und die Temperaturen im Verhältnis moderat. Hier werden in der Zukunft spannende Pinot Noirs entstehen, so der Plan.
Das Weingut steht bereits und Jessica als „Kap-Garagista“ zu bezeichnen kommt nicht von ungefähr, wenn man den kleinen Keller sieht. Noch kauft sie Trauben aus spektakulär gelegenen Lagen an der Hemel-en-Aarde Ridge von langjährigen Partnern, aber auch in dieser Sache möchten sich die beiden unabhängig machen. Trotzdem wird die Zukunft nie mehr als 20.000 Flaschen bringen, daran wird die 1 Hektar große Neuanpflanzung nichts ändern. Im Visier ist vorrangig die Erhaltung der Biodiversität des Fynbos und ein holistischer landwirtschaftlicher Gedanke. Einige sagen Träumer, wir sagen ziemlich smart und mit Zuversicht in die Zukunft gedacht. Jessica keltert einen der besten Rieslinge -Chi- am Kap und wir verkosten als Aperitif den 2020er, der eindrucksvoll zeigt: ich kann reifen, ohne diese sonst bei Kap-Rieslingen ölige Textur und übertriebenen Tankstellengeruch zu haben. Von diesem gibt es nur ca. 150 Hektar in Südafrika. Es ist meistens viel zu warm für ihn hier. Das Ding ist stahlig und geradlinig auf der Zunge. Macht richtig Spaß und die Süße ist perfekt kaschiert, oder besser gesagt integriert. Perfekt zu der aromatischen und spicy Kapküche mit ihren vielen malay oder indischen Einflüssen.
Auf die neuen Jahrgänge der Pinots, die bald angelandet werden, freuen wir uns sehr. Die 2023er sind mit ätherischer Leichtigkeit ausgestattet. Filigrane Seiltänzer mit einer Menge Intensität, aber von seidiger Eleganz und voller Saftigkeit. Eigenständig, klar mit dem Blueprint Burgund als Vorlage, aber mit einem eigenen Profil, da wesentlich intensiver. Nichts anderes will ich von hier trinken. Zum Dinner gibt es einen 2016 Pinot Noir aus der Library, still going strong und aus Jessica Anfangsjahren (2015 war der erste). Der Ausblick auf die farbintensiven 24er lässt großartiges vermuten, natürlich Weinhändler Schnack, aber #isso. Die Fahrt geht weiter, aber auf der Farm könnten wir länger bleiben.
Road to Revolution Part 3: Von Buckelwalen & Flüssigen Diamanten
Als ich das erste Mal vor ca. 25 Jahren durch Hermanus durchfuhr war das ein ziemlich verschlafenes, staubiges Kaff mit einer High Street, dem Marine Hotel, das an ein englisches Landhotel mit viele Charme erinnert (heute ein Leading Hotel of the World), sowie der ganze pittoreske Ort. Heute ist es sehr posh hier, mit Vororten und einer Vielzahl an Restaurants und Guesthouses. Von Oktober bis November springen die weiblichen Humpback Wale mit ihren Babies aus dem Wasser. Ein Spektakel, was Touristen in Hülle und Fülle garantiert. Der Blick über die eiskalte Walker Bay ist spektakulär (Heimat von vielen weißen Haien) und der Weinbau im darüber gelegenen Hemel-en-Aarde Tal marginal, am Limit sozusagen. Von hier stammen einige der feinsten und elegantesten Chardonnays und Pinot Noirs, aber auch Syrah und Cabernet Sauvignon sind hier zuhause. Vor 40 Jahren ging es hier los und außer auf Hamilton-Russell glaubte niemand an den Erfolg. Wer jetzt noch investieren will, der sollte mit einem großen Vermögen starten, um ein kleines zu verdienen. Denn hier Wein anzupflanzen ist aufwändig und die Erträge niedrig.
In Afrika gibt es Diamanten, reichlich, die flüssigen wachen in Elgin, mitten im Apfelland oder Overberg, wie diese Region auch heißt. Hier treffen wir auf der „Habibi Farm“ den energiegeladenen, qualitätsbesessenen Jean Smit, eines der ganz großen Talente am Kap und alter Hase. Inmitten der weitläufigen Apfelfarm, die David und Genevieve Curl gehört, keltert er mit seinen Partnern einen würzigen, umamigeladenen Pinot Noir und etwas knackigen Riesling. Es ist es kühler und feuchter als sonst wo in diesem arena-artigen Tal, ein Mikroklima oder eine „cold pocket“, die mit viel Bedacht ausgewählt wurde. Für seine spektakulären Semilons, Chenin Blancs, Cabernet Francs und Syrahs sourct er in den entlegensten Ecken um die gesamte Kapregion sehr bedachtsam Weingärten mit dem passenden Boden und Klima. Irgendwann sollen 60.000 Flaschen aus dem Keller kommen, zurzeit sind 40.000. Ohne Frage, der Stoff ist rar.
Der Ausbau findet in Betongebinden und Stockinger Fudern statt. Ein paar Barriques für seinen klassischen Cabernet Sauvignon gibt es auch. Hier wird nicht gepumpt, sondern nur mit Schwerkraft gearbeitet. Die Weine gibt es erst seit 2017 und werden bereits von vielen Experten (Tim Atkin MW, Neal Martin von Vinous usw.) zu den besten Newcomern der Szene gezählt. Die Weine sind fein, puristisch, definiert, salzig im Geschmack und mit Gripp. Alles bei 12-13 ° Alk.. Echte Terroirweine mit dem Punch der südlichen Hemisphäre.
Wie rastlos das Duo ist, merken wir, als sie uns zu einer neu angelegten Dichtpflanzung (8000 Stöcke auf den Hektar) mit Chardonnay führen. Es geht weiter auf Damascene, ohne Frage, und wir werden von Partnern noch viel hören. Wir sind froh, diese Edelsteine nach Deutschland importieren zu dürfen. Ein Privileg sie auf ihrem Weg zu begleiten.
Road to Revolution Part 4: Ruhelos am Fluss
Das Hemel-en-Aarde-Tal ist eine junge und kleine Region mit 15 Produzenten, von denen eine Handvoll Spitzenweine keltert. Nur 10 Kilometer von der eiskalten Walker Bay entfernt, imposant von hohen Bergzügen umgeben. El Dorado des Cool Climate Weinbaus mit niedrigen Erträgen und natürlicher Säure, die den Mund flutet mit klarer, puristischer Frucht.
Bei Restless River am namensgebenden Onrusrivier im hochgelegenen oder Upper-Hemel-en-Aarde Valley weht ein energiegeladener Wind, in mehrfacher Hinsicht. Was Anne und Craig Wessel in zwei Jahrzehnten harter Arbeit geschaffen haben, ist ein Kleinod. Eines, das in der Zukunft an Größe und Qualität wachsen wird, da die nächste Generation in den Startlöchern steht. Das Powerpaar keltert klassische Weine aus Chardonnay, Pinot Noir und Cabernet Sauvignon. Als wir vor Ort sind, wandern die letzten gelesenen Trauben am Kap in die Presse. Als das Paar 1997 in einer Hütte bescheiden anfing, glaubte niemand an sie, außer sie selbst. Die Leute erklären einen so lange für verrückt, bis sich die Wahrheit durchsetzt. Ihre Weine sind Reminiszenzen an die Klassik. Sie schmecken firm und präzise. Den Chardonnay Ava Marie adelte Neal Martin von Vinous zum Côche-Dury Südafrikas.
Es gibt Ähnlichkeiten mit diesem weltberühmten Wein, vor allem wegen der Feuerstein-Reduktion. Aber der Ava Marie hat nicht die Üppigkeit, den satten Schmelz und die Holznote, er ist strahlend, kühler und saftiger, genauso einzigartig. Ein Monument und einer der besten seiner Art, nicht nur von hier. Craig ist ein konsequenter Mensch, der bis in die letzte Faser seines Körpers seine Profession liebt. Ein Wizard, ein Macher und „a fine soul“. Wir fahren mit dem betagten Land Rover Baujahr 1974 durch die steinigen Parzellen aus Sandstein, Koffieklip und Bokkeveld Shale, die etwas an Châteauneuf-du-Pape erinnern. Weiter geht es zu seinen neuen Weingärten, oberhalb des Weingutes. Wir sind gespannt auf die Weine, die wir eines Tages von hier trinken werden. Die ersten Jahrgänge lassen Großes erahnen.Der Pinot Noir „Le Luc“ hat burgundische Anklänge, aber diese wilde durchdringende rote Frucht, die krasse noch dezente Unterholznote und der umamigeladene Geschmack, das ist Restless River, zweifellos. Craig liebt nicht das Primäre am Wein, seine Stoffe sind reserviert und seriös. Das gilt auch für den Cabernet Sauvignon „Main Road & Dignity“. Die zwei Lagen, mit denen die Reise der beiden begann. Dieser Stoff hält in jeder Bordeaux Probe stand, einfach episch ist die feine Cassisnote und die kräutrige Würze. Diese Weine wurden gekeltert, um zu reifen. Jung trinken kann man sie auch, aber 4-5 Jahre Wartezeit lohnen. Das gilt für die gesamte Range. In der Südafrika Klassifikation von Master of Wine Tim Atkin ist das Weingut ein First Growth. Passt für uns. Jetzt aber auf nach Botrivier zu Crystallum und Gabrielskloof!
Und das war erst der Anfang. Die Reise durch Südafrika nimmt Fahrt auf: Hendrik und Bianca sind mittendrin im Weinwunderland, zwischen Barrel Rooms, Braais und großen Persönlichkeiten.
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