Malbec, der große Verführer
Rosé, das war entweder ein Nebenprodukt der Rotweinmacher, die ihren Rotwein noch ein bisschen dichter und konzentrierter machen wollten, oder Rosé war so eine Art Sommer-Quencher, simpel gemacht und sehr kalt vergoren, sodass außer vordergründiger Frucht meist nur wenig übrig blieb; Süße zum Beispiel, denn Süße und die Eisbonbon-Frucht kalt und schnell vergorener Weine passen natürlich bei Industrieweinen dieser Art sehr gut zusammen. In der großen Masse der Roséweine, die die Regale der Supermärkte überfluten, ist das natürlich noch immer so, und die penetrante Frucht und der Restzucker dieser Weine verfolgt einen durch den Sommer. Doch parallel zu diesem Massenphänomen hat sich die Rosé-Welt deutlich verändert.
Wie entsteht eigentlich Rosé?
Es gibt eine ganze Menge Varianten, in denen heute Rosé gemacht wird. Im Prinzip ist ein Rosé ein Wein, der aus roten Trauben entsteht. Es gibt allerdings auch Anbaugebiete, in denen es Tradition ist, auch weiße Trauben mit zu vergären. In der Provence zum Beispiel gibt es viele Rosés, bei denen auch Vermentino, hier oft Rolle genannt, eingesetzt wird. Nur das nachträgliche Mischen von Weiß- und Rotwein ist grundsätzlich verboten, außer bei der Erzeugung von Rosé-Schaumweinen und beim slowenischen Cviček – der Tradition halber. Weine, die aus Weiß- und Rotwein gemischt werden, heißen in Deutschland Rotling. Bei Schaumwein, vor allem bei Champagner, gibt es zwei Varianten der Erzeugung. Die seltene ist, dass rote Trauben angepresst werden und der ausblutende Saft vergoren wird. Dieser Rosé-Champagner, dessen Verfahren Saignée, also Ausbluten genannt wird, ist recht intensiv in der Farbe und auch in der Aromatik. Das macht ihn nun nicht zum idealen Aperitif, sondern vielmehr zum Essensbegleiter. Viel gebräuchlicher ist eine andere Variante, bei der die typischen Rebsorten Chardonnay, Pinot noir und Pinot Meunier weiß vergoren werden und man zum Schluss einen Schluck Rotwein hinzufügt. Man mag es kaum glauben, aber tatsächlich verändert dieser kleine Anteil roten Weins den Champagner deutlich und macht ihn fruchtiger sowie beeriger.
Neben dem Saignée-Verfahren gibt es auch für Stillweine weitere Varianten. Die erste ist die, dass die roten Trauben direkt gepresst werden und der Saft gar nicht die Chance hat, sich mit den Farbpigmenten der Traubenhäute zu verbinden – bei den meisten Rotweinsorten steckt die Farbe ja ausschließlich in der Haut. Der Wein, der dann entsteht, ist ein Blanc de Noirs, ein Weißer von dunklen Trauben. Presst man die Trauben jedoch an und lässt den Saft eine Zeitlang in der Maische, dann findet man später Farbe im Wein und auch ein wenig Gerbstoff. Mit dieser sogenannten Maischestandzeit kann der Winzer spielen und seine eigene Stilistik entwickeln. Das Saignée-Verfahren für Stillweine wird bis heute vor allem von jenen Winzern angewandt, die ihren Rotwein stärker konzentrieren wollen und nach dem Anpressen nur den ersten freilaufenden Saft für die Rosé-Produktion verwenden.
Der Wiederaufstieg des Rosés
Doch wie hat sich der Rosé verändert, und warum ist er wieder so populär? Ein Weinmacher, der den absolut richtigen Riecher für eine neue – oder sagen wir mal generalüberholte – Form des Provence-Rosés hatte, war Sacha Lichine. Lichine ist im internationalen Weinhandel groß geworden, sein Vater Alexis war der Verfasser eines der Standard-Werke über Bordeaux-Weine, und die Familie besaß das Bordelaiser Cru-Weingut Château Prieuré-Lichine. Sacha aber verkaufte das Weingut und ließ in Bordeaux alles hinter sich, um in der Provence das Weingut Château d’Esclans zu erwerben und in Zukunft nur noch Rosé zu vinifizieren.
Seine Kumpel haben ihn mitleidig belächelt – damals. Heute aber ist das Château d’Esclans gleichsam eine Gelddruck-Maschine mit Weinen wie Whispering Angel, Rock Angel, Les Clans und Garrus. Der Top-Rosé kostet mittlerweile eine dreistellig Summe, und es gibt sogar einen Kritiker, der die Meinung vertritt, dass diese Rosés »eines Tages in einem Atemzug mit La Tâche, Latour, Vieilles Vignes Françaises oder Le Montrachet genannt werden«. Das halten wir nun für ein bisschen übertrieben, aber fest steht, dass Lichine die Zeichen der Zeit erkannt hatte – und zwar früher als nahezu alle anderen. Er hat Qualität und Marketing kongenial zusammengeführt. Das Team Perrin, Jolie und Pitt hätte wohl kaum das Weingut Miraval erworben und einen eigenen Rosé auf den Markt gebracht, wenn Lichine nicht vorher mit seinen als Saint-Tropez-Stil bezeichneten Rosé-Varianten erfolgreich gewesen wäre.
Die Provence, wo alles begann
Diese Provence-Rosés neuen Stils haben die Rosé-Welt verändert, weil sie neben der Qualität auch an der Preisschraube gedreht haben. Es ist in geworden, in Saint Tropez oder wo auch immer das Geld sein mag, Rosé zu schlürfen. Das tut dem Markt durchaus gut; denn solche Weine lenken die Aufmerksamkeit auf andere, die vorher weitgehend unbeachtet geblieben waren; denn es gab natürlich auch schon vorher Rosés, die von ihren Weinmachern genauso ernst genommen wurden wie hochwertige Weiß- und Rotweine, so zum Beispiel die Weine von Clos Cibonne. Wir kommen nur deshalb darauf, weil deren Wein aktuell auf dem Titelbild von Frankreichs wichtigstem Weinmagazin La Revue du Vin de France (LARVF) abgebildet ist. Clos Cibonne vinifiziert seit rund hundert Jahren Rosé aus der Rebsorte Tibouren – nie gehört?
Ist auch sehr selten – und baut die Weine im großen Holzfass aus. Dieser Wein war völlig aus der Zeit gefallen, kommt jetzt aber endlich aus seiner Nische heraus. Ähnliches gilt für die Rosé des legendären Château Simone und natürlich jenen aus Bandol. Es gibt für diese durchaus kräftigen und sehr eigenständigen Rosé wieder einen Markt. Nicht zuletzt deshalb, weil Rosé auch in der Gastronomie wieder seinen Platz erhält, und das eben weil es wieder so gute Weine gibt, die auch gastronomisch hervorragend funktionieren. Zu diesen absolut klassischen Provence-Rosés gehören auch die Weine unseres Freundes Markus Conrad. Der Hamburger hat im Jahr 2011 die Chance ergriffen, die Domaine des Féraud in der Provence zu übernehmen. Das konnte er natürlich auch nur deshalb wagen, weil seine Lieblingsweine wieder Konjunktur hatten. Markus Conrads Rosés Arômes des Maures, Cuvée Prestige, Roberta und Été sind Musterbeispiele für die Bandbreite, die Provence-Rosé haben kann.
Rosé mit Bubbles
Neben der Provence war die Champagne das zweite Gebiet, in dem Rosé Hochkonjunktur erlangt hat. Lange Zeit war auch in der Champagne der Rosé nur ein Nebenprodukt, das die wenigsten im Programm hatten. Das mag auch daran liegen, dass sich die Tannine roter Rebsorten grundsätzlich nicht so gut mit dem Mousseux feiner Champagner vertragen. Doch in den letzten zehn Jahren hat die Rosé-Produktion in der Champagne deutlicher zugelegt als jeder andere Weinstil. Der fruchtbetonte Rosé ist wieder in, und selbst bei solch prestigeträchtigen Häusern wie Taittinger oder Krug wird auf den Rosé ebenso viel Wert gelegt wie auf die weißen Varianten.
Auch hier sind die Spielarten vielfältig. Der farb- und gerbstoffintensive Saignée-Rosé-Champagner setzt sich in der Gastronomie als sehr guter Essensbegleiter durch. Der fruchtbetonte Rosé-Champagner ist als Aperitif ebenso beliebt wie als Party-Wein. Doch Rosé funktioniert nicht nur bei Champagner, sondern auch auf der anderen Seite der Medaille, beim Pét Nat. Das zeigt uns der Piu Piu Pét Nat Rosé aus Spätburgunder von Fio Wines an der Mosel. Der ist so frisch, so wild, so beerig …
Die Individualisten aus Österreich
Wer Rosé noch einmal auf eine ganz andere, absolut seriöse, tiefe, komplexe und gleichzeitig auch ungebundene und freie Weise kennenlernen möchte, dem seien die Weine von Christian Tschida, von Gut Oggau und von Kolfok ans Herz gelegt. Diese Weine aus Österreich werfen sämtliche Konventionen über den Haufen, die es bei Rosé gibt – und vor allem, sie widerlegen alle Vorurteile, Rosé sei nur ein Wein zweiter Klasse. Christians Himmel auf Erde Rosé aus Cabernet Franc durfte ein Jahr im Tonneaux reifen, bevor er unfiltriert abgefüllt wurde. Dieser Wein ist ebenso wie die Rosés vom Gut Oggau ein Ganzjahres-Rosé, ein exzellenter Speisebegleiter und außerdem ein Wein, der sehr guten reifen und sich weiter entwickeln kann. Im Prinzip sind diese Rosés die Pendants zum maischevergorenen Weißwein; denn beide Arten von Weinen verfügen über Kraft und Frische, aber eben auch über Gerbstoff und sind dabei komplett trocken ausgebaut. Das macht sie zu echten Generalisten in der Speisebegleitung.
Allein diese Beispiele zeigen schon, wie vielfältig Rosé geworden ist – und es gibt natürlich noch viel mehr Varianten. Denn selbst bei Bucaço in Portugal gibt es kleinste Mengen Rosé. Der Gran Reserva Rosado von Viña Tondonia aus der Rioja ist seltener als die Weine der Domaine de la Romanée Conti und ist entsprechend begehrt. Da ist der aktuelle Jahrgang gerade der 2008er und er wird nur alle paar Jahre erzeugt. Der als Cerasuolo d’Abruzzo bekannte Rosé von Valentini ist ebenso selten wie der Gourt de Mautens Rosé von der Rhône. Auch der Rosé aus der portugiesischen Rebsorte Touriga National wird Duncan Arnot Meyers und Nathan Lee Roberts jedes Jahr aus den Händen gerissen und wir sind froh, überhaupt eine kleine Menge dieses so eigenständigen, kalifornischen Weines zu bekommen.
Die Rosé aus dem Muscadet-Gebiet von Gaec du Haut Planty oder aus dem Südwesten von Causse Marines zeigen, wie reich die Rosé-Welt geworden ist. Unter der um 43 % gestiegenen Nachfrage der Rosé aus Languedoc-Roussillon und Provence und der global in allen Bereichen gestiegenen Rosé-Nachfrage – im England ist Rosé populärer als Weißwein – mag immer noch viel Mist und Masse dabei sein; aber die Tendenz zu deutlich eigenständigeren und besseren Rosé ist doch ganz klar darin enthalten. Zum Glück, können wir nur sagen und trinken darauf erst einmal ein Glas knochentrockenen Espumante 3B Rosé Extra Brut von Filippa Pato und William Wouters.