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Schloss Brézé und Arnaud Lambert

Als ich vor rund 20 Jahren das erste Mal in Saumur war, bin ich an Brézé einfach vorbeigefahren. Das Schloss gehörte für mich nicht zu den beeindruckendsten in der großen Auswahl, die es an der Loire gibt, und die Lage sagte mir überhaupt nichts. Das hat sich nachhaltig geändert mit den Weinen die ich seit rund 12 Jahren aus dieser Lage getrunken habe. Brézé war bisher immer rar, weil es nicht mal eine Handvoll nennenswerter Erzeuger gibt. Einer jedoch erhielt vor einigen Jahren die unerwartete Chance, eine stattliche Anzahl Hektar an diesem Hügel nutzen zu können.

Die Sache mit der Loire und ihren Cabernet Francs und Chenin Blancs ist schon eine sehr besondere. In kleinen ausgewählten Kreisen sind diese Weine ausgesprochen begehrt, aber den großen Durchbruch schaffen sie nicht. Jahrhundertelang gehörten vor allem die Süßweine von der Loire zu den begehrtesten in ganz Europa. Da aber Süßweine immer unpopulärer wurden, gerieten auch diese Gebiete zunehmend aus dem Blickfeld. Wer kennt schon noch Weine aus Quarts de Chaume oder Bonnezeaux? Ähnliches widerfuhr auch einem Hügel unweit von Saumur, auf dem ein recht großes Schloss steht, das von Reben umgeben ist. Es ist der Hügel des Château de Brézé. Die Chenins de Brézé waren jahrhundertelang berühmt. Sie wurden am französischen Hof getrunken und ebenso an anderen Höfen Europas. Darüber hinaus ist dokumentiert, dass Château Brézé und Château d’Yquem über Generationen hinweg jährlich Weine getauscht haben. Doch der Ruhm von Brézé verblasste, und bis vor wenigen Jahren kannte Brézé kaum noch jemand. Das ist auch nicht verwunderlich; denn 90 % der 400 Hektar Weinberge werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts von zwei Kooperativen bewirtschaftet, die dort Weine und Crémants erzeugen. Leider sind die kaum der Rede wert. Auf den verbliebenen 10 % aber hat sich in den letzten Jahren jedoch einiges getan.

Die Loire und ihre Brücken
Die Loire und ihre Brücken. Mehr als nur eine Verbindung zwischen zwei Ufern.

Clos Rougeard und Guiberteau sorgen für einen Aufbruch

Den Anfang der Renaissance von Brézé unternahmen die Brüder Charly und Nady Foucault, die ab 1969 das bereits 1664 gegründete Weingut Clos Rougeard führten. Clos Rougeard ist ein typisches Beispiel dafür, wie sich die Weinwelt in den letzten zehn Jahren verändert hat. Als Hendrik Thoma noch Sommelier im Hamburger Hotel Louis C. Jakob war, hat er die Qualität der Weine erkannt, sie gekauft und eingelagert. Doch in den vielen Jahren, in denen er die Weine immer wieder angepriesen hat, wollte sie so gut wie niemand trinken. Auch Bernd Kreis, sein Weinhändler-Kollege aus Stuttgart, der die Weine schon früh importierte, musste sie lange wie Sauerbier anpreisen. Die Zeit war noch nicht reif für diese feinen und zeitlosen Weine mit diesem wunderbaren Spiel aus Säure und Frische, die so gar nicht zur Stilistik des Weinkritikers Robert Parker, des Flying Winemaker Michel Rolland und zu deren Ideen von konzentrierten Blockbustern passten. Neben drei Cabernet Francs aus Saumur Champigny haben die Foucaults eine kleine Menge weißen Brézé von einer Parzelle erzeugt, die sie 1993 erworben hatten. Kennern war klar, dass dieser Brézé in den besten Jahren eine Klasse wie Weine aus Montrachet hatte. Doch dieser erlauchte Kreis war sehr überschaubar. Erst vor rund zehn Jahren stieg die Aufmerksamkeit an, nahm dann gewaltig Fahrt auf, und die Weine wurden plötzlich der große Hype, sie wurden bald nur noch in geringen Mengen zugeteilt, und ihr Wert auf dem Sekundärmarkt stieg enorm. Wer heute bei Versteigerungen bietet, kann für einen Brézé von Clos Rougeard schnell mal 300 Euro ausgeben. Clos Rougeard, wie wir es kannten, ist allerdings Geschichte. Charly ist 2015 gestorben, 2017 hat Nady das Weingut an die Brüder Bouygues verkauft, denen auch Château Montrose in Bordeaux gehört.

Zwei weitere Erzeuger haben von sich reden gemacht, als die Weine von Clos Rougeard nur noch einem kleineren Kreis vorbehalten waren, und zwar zum einen die Domaine du Collier von Antoine Foucault, dem Sohn von Charly, der selbst erwartet hatte, irgendwann die Domaine der Familie übernehmen zu können, was sein Onkel aber verhinderte. Antoine hat 1999 mit vier Hektar im Brézé-Weinberg La Ripaille begonnen, und seine Weine sind heute ebenfalls sehr gesucht. Am prominentesten sind aber aktuell wohl die Weine von Romain Guiberteau, der in Paris studiert hat und ursprünglich ganz was anderes machen wollte, bis ihm Mitte der 1990er klar wurde, dass es eine Schande wäre, wenn die Domaine der Familie nicht weitergeführt würde – und die lag damals bereits seit 20 Jahren brach. Daraufhin ging er bei den beiden Foucaults in die Lehre. Romain Guiberteau und sein Kellermeister Brendan Stater-West, der mittlerweile selbst Weine erzeugt, sind populär geworden, und auch ihre Mengen sind inzwischen nur sehr begrenzt verfügbar. Brézé ist und bleibt eine rare Angelegenheit. Doch seit einigen Jahren gibt es endlich einen weiteren Winzer, der von sich reden macht. Sein Name ist Arnaud Lambert.

Arnaud-Lambert-und-Yves-Lambert
Arnaud Lambert und sein Vater Yves Lambert (R.I.P. 2011)

»One of the most talented winemakers in the Loire – he farms his 40 hectares in a method close to biodynamic. His whole ranges of wines have drive and are regularly among the best wines in and around Saumur.« Bettane & Desseauve 2019 – Top 100 Producers of France

 

Arnaud, sein Vater Yves und das Château de Brézé

Arnauds Vater Yves hat im Jahr 1996 die Domaine de Saint Just in der kleinen Ortschaft Saint-Just-sur-Dive unweit von Saumur gegründet. Mit der Zeit wandte er sich immer mehr der biologisch-organischen Arbeitsweise zu, und das nicht nur im Weinberg, sondern in insgesamt. Arnaud folgte ihm dabei und arbeitete mit seinem Vater ab 2005 zusammen in der Domaine, nachdem er in Dijon studiert und noch zwei Jahre in einer Fassmacherei in Bordeaux gelernt hatte. 2009 erhielten die beiden die völlig unvorhersehbare Chance, einen Pachtvertrag mit dem Château de Brézé über 20 Hektar Weinberge mit besten Lagen in Brézé abzuschließen. Das war wie ein Sechser im Lotto; denn natürlich wussten die Lamberts von dem Wert dieser Lagen, zu denen einige der besten Weingärten der gesamten Appellation gehören. Sie zögerten nicht lange und teilten sich die Arbeit auf. Yves betrieb weiterhin die Domaine de Saint Just mit Lagen in Saint-Cyr und Montsoreau, während Arnaud damit begann, sich um die Weinberge des Château de Brézé zu kümmern. Dieses parallele Arbeiten funktionierte allerdings nicht lange; denn 2011 erkrankte Yves an einem sehr aggressiven Krebs, sodass er innerhalb kürzester Zeit arbeitsunfähig wurde und verstarb.

»Lambert is now bottling wines under his own name both from his family’s land (formerly under the Saint-Just label) and the plots he rents from nearby Château de Brézé. Both line-ups are fantastic, especially the red Clos du Tue-Loup and white Clos David.« Jon Bonné, PUNCH

Die Weine von Arnaud Lambert reifen im Holz.

Die Weine von Arnaud Lambert reifen im Holz.

Die Entstehung der Domaine Arnaud Lambert

Nun musste sich Arnaud umgehend um beide Domänen kümmern. Und diese umfassten 20 Hektar in Saint-Cyr, 20 Hektar in Brézé und 10 Hektar in Montsoreau. Das war eine gewaltige Herausforderung, zumal Arnaud mit den Weinbergen in Brézé jede Menge Arbeit hatte; denn die Weinberge waren in einem desolaten Zustand: »Dieser Weinberg hat im Laufe des letzten Jahrhunderts immensen Schaden genommen. Sehen Sie sich diesen Mutterboden an … er ist tot, völlig tot …«, erläuterte er in einem Gespräch im Jahr 2010. Tatsächlich sind die Parzellen des Châteaus über Jahrzehnte hinweg intensiv chemisch gedüngt und gespritzt worden. Das hat die Krume trocken und leblos werden lassen. Es war klar, dass es Jahre dauern würde, um hier wieder Bodenleben entstehen zu lassen. Glücklicherweise wurzelten die alten Reben sehr tief im Tuffstein und brachten daher bemerkenswerte Weine hervor. Mittlerweile aber ist das Leben tatsächlich in den Weinberg zurückgekehrt, dank der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise.

Apropos bemerkenswerter Wein … Tatsächlich haben sich die Weine beider Domaines im Laufe der Zeit deutlich weiterentwickelt. Das begann zunächst mit Arnauds Rückkehr zur Domaine de Saint Just; denn »mein Vater war kein wirklich guter Weinmacher, er verstand viel mehr vom Marketing und Verkauf«, sagt Arnaud. Also hat Arnaud dort viel verändert. Doch gerade seine Rotweine wirkten zu Beginn immer recht voll und extrahiert. Das hat sich gewandelt. Hat er in 2010 noch dreimal täglich den Tresterhut während der Gärung untergestoßen, um möglichst viele Extrakte und Farbe aus den Traubenhäuten zu laugen, passiert dies heute nur noch dreimal während der gesamten Gärung. Mithilfe der Bewirtschaftungsweise konnte Arnaud auch den Lesezeitpunkt etwas weiter nach vorne verlegen. Außerdem hat das Traubenmaterial mittlerweile eine solche Qualität erreicht, dass er bis zur Füllung auf jede Schwefelzugabe verzichten kann. Heute arbeitet er je nach Weinberg mit unterschiedlichen Maischestandzeiten und unterschiedlichen Gebinden. Gerade beim verwendeten Holz merkt man, wie sehr sich Arnaud in den Feinheiten auskennt. Bei ihm entstehen mittlerweile sehr präzise und elegante Terroirweine, die seit nun zwei Jahren unter seinem Label veröffentlicht werden, nämlich dem der Domaine Arnaud Lambert.

Domaine Arnaud Lambert Weine

Hier gehts zum „COULÉE DE SAINT CYR“

»Arnaud Lambert has 21 hectares (in Brézé), and makes stunning single vineyard whites from Clos du Midi, Clos David and Clos de la Rue. These are precise crystal sharp wines in their youth, with enough snap to shock the tongue, but still posses the weight and resonance to expand and slightly soften with age. The reds come from Clos de L’Etoile and Clos Mazurique. While differences in each vineyard lead to wines of distinctive character, Lambert’s style arcs toward grace. His wines are stripped down and elemental, ripped with acidity and verve. They plug into the electricity of Brézé’s limestone soils.« Rajat Parr, The Sommeliers Atlas of Taste

 

Brézé und Saint-Cyr – so ähnlich, so anders

Auch wenn Brézé, dieses große Terroir, wieder in den Fokus rückt, so zeigt sich doch gerade auch in Saint-Cyr und Montsoreau, wie höchst unterschiedlich sich die verschiedenen Terroirs präsentieren, die im Untergrund immer auf Tuffeau fußen. Arnauds Importeur in den USA, Ted Vance, beschreibt die besten Weine aus Brézé als »Montrachet auf Dope« in ihrer Mischung aus Klarheit, Präzision und ihrer enorm lebendigen Säure, ihrer Salzigkeit und Energie.

Ein junger Brézé erinnert vor allem einer von alten Reben, die auch wirklich den Tuff erreichen, immer an das Berühren einer Batterie mit der Zungenspitze.
Ein junger Brézé erinnert vor allem einer von alten Reben, die auch wirklich den Tuff erreichen, immer an das Berühren einer Batterie mit der Zungenspitze.

Tatsächlich erinnert mich ein junger Brézé, vor allem einer von alten Reben, die auch wirklich den Tuff erreichen, immer an das Berühren einer Batterie mit der Zungenspitze, was wohl die meisten als Jugendliche schon mal ausprobiert haben. Wenn man ein Beispiel für Mineralität braucht, findet man es in einem Wein wie dem Brézé Clos de la Rue, wo diese schiere Energie am klarsten zum Vorschein kommt. Ähnlich wie im Burgund ist das natürlich ein Wein, der Zeit braucht. Saint-Cyr ist ebenfalls straight, bietet aber mehr Seidigkeit und ist in der Jugend etwas offener und geschmeidiger. Saint-Cyr zeigt sich am klarsten im Coulée de St-Cyr von mehr als 70 Jahre alten Reben. Und diese Weine zeigen auch, wie nahe diese Region an Burgund sein kann in ihrer Vielfalt an Weinlagen und Climats, wo oftmals schon ein paar wenige Meter Veränderungen bringen. Das wird besonders deutlich in der Verbindung mit dem präzise eingesetzten Holz bei Arnaud. Cabernet Franc und Chenin Blanc entstehen hier mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau. Es erstaunt mich allerdings, dass die Weine der Region im Allgemeinen und die von Arnaud Lambert in Besonderen bis heute noch Geheimtipps sind. Selbst wenn die besten von ihnen immer schnell vergeben sind.

Ein Gastbeitrag von Christoph Raffelt – lebt in Hamburg und bereist die Weinwelt als Betreiber von originalverkorkt.de

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