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Wine Fails – Thrills and Kills

Kürzlich saß ich mit Hendrik zusammen und er fragte mich, ob ich nicht mal ein bisschen was Boulevardeskes schreiben könnte, weil das der Stimmung gut tun würde. Klar meinte ich und wir fingen an, über das Staatstragende in der Weinszene zu schwadronieren, über die ständige Ernsthaftigkeit von Gläser-Diskussionen bis zur Wahl des richtigen Säbels beim Sabrieren von Champagnerflaschen. Obwohl, selbst der kann enormen Schaden anrichten, wie Ihr später lesen könnt. Überhaupt Schäden … wie wäre es mit ein wenig Schadenfreude?

Bling-Bling in der Champagne
Da ist zum Beispiel die Geschichte von Jay-Z und Frédéric Rouzaud. Den ersten kennt man, den zweiten wahrscheinlich nur wenige. Jay-Z, 1969 geboren als Shawn Corey Carter in New York City, ist einer der erfolgreichsten Rapper und gilt als erster Milliardär der Hip-Hop-Branche. Dieses Genre hat sich schon immer gerne mit schweren Goldketten behängt. Mit leicht bekleideten Frauen, teuren Autos und kistenweise Champagner geprotzt. Jay-Z gehörte definitiv zu den größten Schaumweinfreunden und er hatte es, wie viele andere seiner Kollegen auch, besonders auf Roederers Cristal abgesehen. Das ist kein Wunder, denn beim Cristal passt schon der Name und auch die dazugehörige Goldfolie super zu dem ganzen Bling-Bling. Das hätte, wenn Roederer clever gewesen wäre, zu einem richtig guten Marketing-Deal führen können. Wurde es aber nicht. Denn Frédéric Rouzaud, Chef des Champagnerhauses Louis Roederer, erwiderte in einen Interview auf die Frage, wie er es finden würde das sein Cristal in der schwarzen Rapper-Szene abgefeiert wird mit den Worten: „Was sollen wir tun? Wir können denen nicht verbieten, ihn zu kaufen.“ Kurze Schnappatmung, … es folgten deutliche musikalische Aufreger in der Szene und dann irgendwann die Meldung, Jay-Z hätte die Marke Armand de Brignac von Sovereign Brands erworben. Das war es dann mit Roederer. Ab dem Zeitpunkt wurde nur noch Armand de Brignacs Ace of Spades getrunken – in folierter silberner oder goldener Flasche und heute für rund € 700 das Stück. Ach ja, … im Jahr 2021 hat Jay-Z noch mal ein bisschen Cash gemacht mit der Marke. Er hat 50 % verkauft. Und das natürlich nicht an Roederer. Sondern an den Rivalen LVMH aka Louis-Vuitton-Moët-Hennessy. Denn die haben gemerkt, dass Jay-Z mit Armand de Brignac ziemlich erfolgreich neue Kundengruppen erschlossen hat. Der erst Fail geht also an Rouzaud.

Killing Nebukadnezar
Wer das Internet nach „Champagner sabrieren“ durchforstet, findet Tausende von Videos mit Leuten … meistens mit Männern, die entweder mit Säbeln (klassisch), oder auch mit Zalto-Universal-Gläsern Champagner entkorken. Manche können das ziemlich gut, andere eher weniger. Einer, der es überhaupt nicht kann, aber es sicher gerne gekonnt hätte, denn dann hätte er sich viel Häme erspart, ist Michael Minnillo. Michael ist nicht irgendein Champagner-Aficionado, sondern der General Manager des vielleicht berühmtesten Restaurants der USA, des Dreisterners “The French Laundry”. Irgendjemand hat ihm an einem feuchtfröhlichen Abend den Auftrag gegeben, eine 15-Liter-Flasche – aka Nebukadnezar – von Billecart-Salmon zu öffnen. Mit dem Säbel. Er sucht die Nahtstelle, was richtig ist, aber er trifft sie nicht richtig, es klappt nicht, er verliert die Geduld und fängt an, mit dem Säbel auf die Flasche einzuhauen, als müsse er sich den Weg durch den Amazonas freischlagen. Klar geht die Flasche kaputt. Aber immerhin behält Minnillo seinen Job – und den Spott musste er halt ertragen. Der zweite Fail geht an Michael Minnillo.

Sabrage went wrong im berühmtesten Restaurant der USA, The French Laundry***


Die teuerste Pfütze der Weinwelt
Bleiben wir noch in den USA. Da hat der New Yorker Weinhändler William Sokolin einmal etwas Ähnliches mit einer Flasche 1787er Château Margaux gemacht. Über Sokolin schrieb das „People Magazin“ damals: „Im Weinhandel hat er den Ruf eines unerschrockenen Selbstdarstellers, der manchmal so tut, als ob sein eigener Korken etwas locker sei“. Ebendieser hatte damals an einem Wein-Dinner im Four Seasons in New York City teilgenommen. Unter den Gästen war unter anderem das Besitzer-Ehepaar von Château Margaux. Nun wollte er ihnen zeigen, dass er in seinem Tresor gerade eine Flasche des besagten 1787er Château Margaux beherbergte, in die außerdem die Initialen von Thomas Jefferson eingraviert waren. Man ging also davon aus, dass diese Flasche einst dem 3. Präsidenten der USA gehört hat, was sie besonders wertvoll machte. Sokolin verließ kurz die Gesellschaft des Weindinners, holte zuhause die Flasche und beschädigte sie vor den Augen von 192 anwesenden Gästen, als er ungeschickterweise mit ihr an einen Servierwagen stieß, so stark, dass er mit der leckenden Flasche wieder von dannen zog. Nix war’s mit der Angeberei. Trotzdem: 100 Punkte für Sokolin.

Thomas Jefferson diente nicht nur im Auftrag der US-Amerikanischen Bürger sondern auch für Bacchus

Noch mehr Thomas Jefferson
Apropos … Ich weiß gar nicht, wie viele Flaschen es mittlerweile gibt, die Initialen dieses großen Weinkenners tragen. Auf jeden Fall gab es mindestens einen Kellerfund in Paris, wo rein zufällig hinter eingezogenen Mauern Regale mit Flaschen aus dem 18. Jahrhundert gefunden wurden, die dann später zu sündhaft teuren Preisen zum Verkauf standen. Neben der 1787er Flasche Château Margaux sollen beim Fund im Jahre 1985 noch zwölf weitere Flaschen Mouton, Lafite und d’Yquem mit den Initialen „Th.J.“ dort gelegen haben. Einen Lafite aus der Reihe hat der Verleger Malcolm Forbes dann kurze Zeit später für $155.453 auf einer Auktion erworben und war zu dem Zeitpunkt die teuerste Flasche der Welt. Danach wurde die Flasche in sein privates Forbes-Museum gebracht, wo sie aber unter grellem, weißem Licht ausgestellt wurde, so dass irgendwann der Korken zerbröselte und in die Flasche fiel.

Ein anderer Sammler hat gleich mehrere Flaschen aus dem Keller erworben: der US-Milliardär William Koch, der einen sagenhaften Weinkeller besitzt. Recht schnell aber kamen Zweifel auf, ob die Flaschen tatsächlich einst Thomas Jefferson gehörten oder vielleicht doch eher irgendeinem Thorsten Jablonski. Oder ob sie vielleicht in der Werkstatt von Rudy Kurniawan entstanden sind, dem GröWfaZ (Größter Weinfälscher aller Zeiten). Dieser hat bis 2005 für rund 130 Million US-Dollar Fake-Bottles verschachert. Möglicherweise sind die Flaschen auch von Hardy Rodenstock manipuliert worden. Zumindest hat er von dem „Kellerfund“ erfahren und sich damals um den Verkauf über den berühmten Auktionator Michael Broadbent von Christie’s gekümmert.

Hardy Rodenstock, der eigentlich Meinhard Goerke hieß, war Musikproduzent in der Schlagerbrache. Er hatte sich ab den 1980ern einen Namen als Sammler seltener Bordeaux und Ausrichter von Raritäten-Verkostungen gemacht. Rodenstock hatte „Kenntnis“ vom Kellerfund in Paris bekommen und die Weine an die Öffentlichkeit gebracht. Später wurde es sehr dubios, denn man fand heraus, dass die Gravur der Flaschen mit einem technischen Präzisionsgerät angefertigt worden war. Diese Technik gab es im 18. Jahrhundert natürlich nicht. Außerdem hatte Jefferson Zeit seines Lebens mit „Th:J“ abgekürzt und nicht mit „Th.J.“ Der Milliardär Koch jedenfalls hat Rodenstock jahrelang erfolglos mit Prozessen überzogen. Der ist 2018 ohne Verurteilung gestorben und in der Weinwelt geistern weiterhin jede Menge gefälschter Weinflaschen herum. Wer mehr darüber lesen möchte, wie sich das genau zugetragen hat: Benjamin Wallace hat darüber das Buch „The Billionaire’s Vinegar: The Mystery of the World’s Most Expensive Bottle of Wine“ geschrieben. Und die Auszeichnung geht hier an wen? Auf jeden Fall an Leute wie Forbes oder Koch, die solche Flaschen nicht kaufen, um sie zu trinken, sondern um sie zu besitzen.

Mal eben 44.000 £ abdrücken, das geht mit Hunger und einer Vorliebe zu raren Weinen

Das teuerste Geschäftsessen der Welt
Einen hab’ ich noch, und der kommt aus London; hat aber auch mit großen Egos und seltenen Flaschen zu tun. Es hat sich im Restaurant „Petrus“ zugetragen und Gegenstand des Aufruhrs waren drei gleichnamige Flaschen „Petrus“ der Jahrgänge 1945 bis 1947 sowie eine 100 Jahre alte Flasche Château d‘Yquem. Die haben sechs Investmentbanker platt gemacht. Fünf waren bei Barclays Capital angestellt, der sechste wurde eingeladen. Die Jungs haben damals mal eben 44.000 £ auf den Kopf gehauen. Kann man machen – nur nicht, wenn man bei Barclays Capital angestellt ist. Denn die Bank hat vier der fünf gefeuert. Nicht direkt, denn eigentlich war die Bank davon ausgegangen, dass die Angestellten das Essen vom eigenen Geld bezahlt haben. Hatten sie auch – zunächst. Deswegen gab es vorerst nur eine kleine Verwarnung, weil die Verschwendung nicht so ganz zum Image der Bank passte und das Dinner als News in den Zeitungen gelandet war und man das Image des Investmentbankings, das in den 1990ern so stark gelitten hatte, aufpolieren wollte. Dann hieß es, die Banker hätten nachträglich versucht, das Geld – als Kundenausgaben deklariert – wieder reinzuholen. Das wurde von der Bank später dementiert. Entlassen wurden sie trotzdem. Weshalb? Dazu hat sich die Bank nicht geäußert, aber man kann es sich denken. Der Besitzer des „Petrus“ jedenfalls hat sich die Rechnung eingerahmt. So einen Umsatz macht man auch nicht alle Tage.

Ein Gastbeitrag von Christoph Raffelt – lebt in Hamburg und bereist die Weinwelt als Betreiber von originalverkorkt.de

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