Malbec, der große Verführer
Ein Blick in die Geschichte
Der biodynamische Landbau geht zurück auf eine Reihe von Ausführungen, die der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, 1924 auf dem schlesischen Gut Koberwitz nahe Breslau gehalten hat. Er war über Jahre hinweg von Landwirten und Großgrundbesitzern gebeten worden, sich zu seinen Ideen einer anthroposophischen Landwirtschaft zu äußern; denn die Landwirte stellten damals fest, dass der Einsatz von chemischem Dünger, modernem Saatgut und modernen Futtermitteln zu einer Verkümmerung des Bodens und der Nutzpflanzen sowie zu einer Entkräftung der Zuchttiere führte. Dem stellte Steiner damals eine mehr oder weniger kurzfristig ausgedachte, auf seinem esoterischen Gedankengut basierende hellseherisch »geisteswissenschaftliche Landwirtschaft« entgegen. Sie sah den Bauernhof als Organismus mit einer Kreislaufwirtschaft, die sich an den Jahreszeiten, Mondphasen und Sternkonstellationen orientieren sollte. Kern seiner Ausführungen waren Ideen zur Pflanzenproduktion und zur Düngung, zum Einsatz hochtoxischer Stoffe in homöopathischen Dosen sowie zu Präparaten für die Stärkung der Pflanzen. Da Steiner 1925 starb, konnte er seine noch sehr spontanen Überlegungen nicht weiterentwickeln.
Dies taten ab 1925 allerdings einige Landwirte, die überwiegend Großgrundbesitzer waren und Steiners Ausführungen mit traditionellen und modernen Methoden der Landwirtschaft kombinierten. 1928 wurde Demeter als Verwertungsgesellschaft biodynamisch erzeugter Produkte gegründet. Populär wurde die biodynamische Landwirtschaft ab den späten 1950er-Jahren, als der Erhalt der bäuerlichen Lebenswelt und die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel in den Mittelpunkt rückten. Ab den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren waren biodynamisch arbeitende Landwirte in vorderer Front mit dabei, als Ökologie, Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch zu politisch immer wichtigeren Themen wurden. Bei Demeter rückte das ursprüngliche Konzept des Hofes als Betriebsorganismus immer weiter in den Mittelpunkt. Auch wenn das erste Weingut, der Nikolaihof in der Wachau, schon 1971 damit begann, biodynamisch zu bearbeiten, war es doch vor allem der Besitzer des französischen Gutes La Roche aux Moines am Coulée de la Serrant, Nicolas Joly, der zum ersten großen Fürsprecher für eine biodynamische Weinerzeugung wurde. Mittlerweile sind es weltweit hunderte Weingüter, die sich mit ihrer biodynamischen Wirtschaftsweise in verschiedenen Anbauverbänden haben zertifizieren lassen.
Neben Demeter sind das beispielsweise Biodyvin oder respekt-BIODYN. Der biodynamische Weinbau hat in den letzten Jahren auch deswegen für Furore gesorgt, weil einige der besten Weingüter der Welt sich offen zu dieser Wirtschaftsweise bekannten, so die Domaine Arlaud und die Domaine de la Romanée-Conti aus dem Burgund oder die Châteaux Pontet-Canet und Climens aus Bordeaux. Auch von den Weingütern, die wir vertreten, sind einige wie Causse Marine, Gut Oggau, Bell Hill, Noemia und Cupano zertifiziert. Andere nutzen biodynamische Methoden ohne Zertifizierung. Dazu gehören Tschida, Mignon, Sadie, Balthasar Ress oder Alheit.
Die biodynamischen Methoden
Einer der Erfolge der biodynamischen Landwirtschaft dürfte sein, dass die Regeln und Kontrollen, denen sich Landwirte und Winzer unterwerfen, so strikt sind wie sonst nirgendwo. In Zeiten von Skandalen um Fleisch, Eier und andere Lebensmittel bedeutet das schon sehr viel. Biodynamisch arbeitende Landwirte und Winzer dürfen nur wenige bestimmte Produkte einsetzen, die wiederum selber biodynamischer Natur sein müssen oder zumindest biologisch hergestellt wurden. Im besten Fall sollte alles im eigenen Hof entstehen. Zentral sind in diesem Zusammenhang die biologisch-dynamischen Präparate, die aus Heilpflanzen, Kuhmist, Bergkristall und Tierhüllen gewonnen werden.
Es gibt zwei Sorten von Präparaten. Die Kompostpräparate dienen der Verbesserung des Humusaufbaus und der Bodenstruktur im Oberboden. Schafgarbenblüten in der Hirschblase sollen belebend wirken und den Kalium-Stoffwechsel der Pflanzen fördern. Kamilleblüten im Rinderdarm sollen den Dünger stickstoffbeständiger machen. Brennnesseln sorgen strukturverbessernd, Eichenrinde im Schädel hemmt Pilzerreger und soll als Insektizid fungieren, Löwenzahn im Rindergekröse soll die Fähigkeit der Pflanze stärken, Nährstoffe anzuziehen, und vergorener Baldrian soll Phosphorprozesse fördern und Wärmeprozesse regulieren.
Außerdem gibt es die Spritzpräparate, etwa die inzwischen berühmten Präparate 500 und 501. Diese werden rhythmisch in Wasser verrührt und in den Weinbergen verspritzt. P 500 habt Ihr bestimmt schon mal gesehen oder davon gehört. Das sind die Kuhhörner, die mit Kuhfladen gefüllt und ein halbes Jahr in der Erde vergraben werden, um kosmische Kräfte und die Energie der tierischen Hülle zu sammeln. Die erdige Masse, die sich ein halbes Jahr später im Horn befindet, wird nun in kleinen Mengen in Wasser dynamisch verrührt. Das Wasser wird dann in die Weinberge gebracht. Es soll die Bodenaktivität anregen, das Wurzelwachstum fördern, die Bodenlockerung unterstützen, die Wasser- und Nährstoffaufnahme fördern und ebenfalls die Stickstoffbindung der Bakterien. Beim Hornkieselpräparat P 501 wird fein vermahlener Quarz im Kuhhorn vergraben und später ebenfalls dynamisiert. P 501 soll die Fotosynthese fördern, ferner die Widerstandskraft, Wachstumsprozesse, Aroma und Lagerfähigkeit.
Beide Präparate werden nach einem Mondphasen- und Gestirnskalender ausgebracht, nach dem auch gepflanzt und im besten Fall geerntet wird. Der Aussaatkalender der Maria Thun ist seit Jahrzehnten ein Begleitbuch nicht nur für ausgewiesene Biodynamiker. Die Arbeit zumindest nach Mondphasen gibt es seit eh und je. An die mussten sich die Menschen seit Jahrtausenden halten, weil sie keinen anderen Kalender hatten. Hört sich das ziemlich esoterisch an? Ja gewiss. Aber ist deshalb alles Humbug?
Was passiert mit den Reben, wenn sie biodynamisch bewirtschaftet werden?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Für viele Menschen, die sich der Naturwissenschaft verschrieben haben, ist die reine biodynamische Lehre bis heute eine Zumutung. Wenig ist zu beweisen, aber langsam wird es etwas mehr. Was lange Zeit nur Vermutung war bzw. Wissen aus Erfahrung und Praxis, bekommt immer spürbarer eine Grundlage. Zwei Studien seien genannt. Die eine wurde über mehrere Jahre an der Hochschule Geisenheim durchgeführt. Diese Hochschule steht wirklich nicht im Verdacht, die reine Lehre Rudolf Steiners zu vertreten. Dort wurden ab 2010 im Projekt INBIODYN Auswirkungen integrierter, biologisch-organischer und biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise auf Wuchs, physiologische Aktivität der Reben, die Traubenstruktur und die Trauben-, Most- und Weinqualität untersucht. Vorher war von 2006 bis 2009 ein Drittel des Versuchsweinbergs umgestellt worden auf bio und ein weiteres Drittel auf biodyn. Der Weinberg war 1991 mit Riesling bepflanzt worden. Der Feldversuch wurde über vier Jahre hinweg wiederholt. Was schon in der Umstellungsphase auffiel, war, dass sich das Wachstum bei beiden biologischen Methoden signifikant verringerte, bei der biodynamischen Methode konstant über alle Jahre hinweg. Parallel dazu veränderte sich die Traubenstruktur. Die biologischen Trauben waren sowohl lockerbeeriger als auch im Gewicht leichter als die aus integriertem Anbau. Die biodynamische Variante wies die größte Anzahl kleiner und auch dickschaliger Beeren auf. Dadurch veränderte sich deutlich das Fäulnisrisiko der Trauben. Die Beeren wiesen in der Traubenhaut einen höheren Gerbstoff und mehr Phenole auf, auch war der Trockenextrakt höher. Dieses Ergebnis deckte sich ganz klar mit den Erfahrungen von vielen Winzern, die genau das im Laufe der Umstellung und der darauffolgenden Jahre beobachtet hatten. Die Reben wurden viel widerstandsfähiger und schienen deutlich stärker in Wechselwirkung mit dem Boden zu stehen, in dem sie wuchsen.
Interessant ist ebenfalls die Studie von Dr. Jürgen Fritz, die er an den Universitäten Bonn und Kassel durchgeführt hat. Er hat den aus den Trauben des INBIODYN-Weinbergs gepressten Saft genommen und ihn per Kupferchlorid-Kristallisations-, Steigbild- und Chroma-Methoden fotografiert. Daraus wird ersichtlich, dass die Struktur des Saftes aus konventionellem Anbau und auch des Saftes aus biologisch-organischem Anbau weit chaotischer aussieht als die aufgeräumten Strukturen bei biodynamischem Anbau. Die Ergebnisse der Kristallisationsmethode deckten sich schließlich mit denen von Degustationen.
Ja, schmeckt’s denn?
Wie Ihr wisst, sind wir keine Jünger der einen oder anderen Lehre. Für uns ist entscheidend, was im Glas ist, und wie es schmeckt. Und da finden wir tatsächlich überdurchschnittlich viele Weine überzeugend. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass es eben mittlerweile so viele Winzer aus dem Top-Segment gibt, die sich intensiv mit dieser Produktionsmethode beschäftigen. Aber es sind nicht nur Top-Leute und deren extrem teure Weine, die oftmals so entstehen. Es gibt auch den Unter- und Mittelbau mit biodynamisch erzeugten Weinen. Und die haben eigentlich alle gemeinsam, dass sie einen nach oben heben, statt Schwere zu verbreiten, dass sie auf eine andere Art und Weise bekömmlich sind und wir sie besser vertragen. Und um einen letzten Aspekt zu erwähnen, diese Weine haben oft einfach mehr Charakter als die Industrieware mit ihren standardisierten Methoden der Weinbereitung. Dass Biodyn, für sich genommen, nicht das Einzige ist, was zählt, ist hoffentlich auch klar; denn letztlich kommt es auch auf die Menschen an, die den Wein erzeugen. Und das hat immer noch sehr viel mit Know-how und Gefühl zu tun. Wer sich allerdings so intensiv mit den Reben und dem gesamten Drumherum beschäftigt, scheint oft auch überdurchschnittlich viel Gefühl für die Pflanzen und den Wein zu haben.
Biologischer und biodynamischer Anbau wird immer wichtiger
Diese Art, mit der Natur und mit dem Naturprodukt umzugehen, kommt uns allen zugute. Und wir reden hier nicht nur über die Arbeit der zertifizierten Biodyn-Winzer. Doch nicht zuletzt diese haben dafür gesorgt, dass viele ihrer Methoden Eingang gefunden haben in die Arbeit auch nicht zertifizierter Winzer. Im High-End-Bereich und auch im Mittelbau wird deutlich ökologischer gearbeitet als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Dass in der Masse immer noch Glyphosat gespritzt wird, ist zwar eine Schande, aber der Bioanbau zeigt ernstzunehmende Alternativen auf. Der Bio- und Biodynanbau ist schon lange raus aus der kleinen Ecke der Bioläden, wo man die Weine lange kaum ernst genommen hat. Das kommt uns als Verbraucher zugute. Wir können uns heute viel einfacher für Produkte entscheiden, die ein hohes Niveau haben, gut verträglich sind und umweltbewusst entstanden sind. Und dabei, das ist der eigentliche Witz, sind sie nicht mal mehr unbedingt teurer.
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