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Die beste Weinbegleitung meines Lebens - und warum die Flasche unwichtig war

Um von der besten Weinbegleitung meines Lebens zu erzählen, muss ich mit der Schlechtesten anfangen. Die liegt schon 20 Jahre zurück, bleibt aber unvergessen.

Das Restaurant am Brandenburger Tor gibt es längst nicht mehr. Wir waren damals mit sechs Leuten in Berlin zum Abendessen unterwegs. Ungefragt (ich mach mal was Schönes!), voller Enthusiasmus und durchaus charmant vorgetragen servierte der Sommelier uns mindestens drei Weine pro Gang. Und jetzt wird ein Abenteuer draus: das Menü bestand aus rund zehn Gängen! Einige freuten sich über diese Flut an Rebensäften, andere fanden es interessant. Ich war völlig reizüberflutet, benebelt und ratlos.

Danach bin ich nie wieder dort hingegangen, obwohl meine vorherigen Besuche sehr angenehm waren. Eigentlich grenzte das bevormundende Verhalten des Sommeliers schon an Geschäftsschädigung. Im Englischen nennt man sowas „Patronizing“.

Für die meisten Restaurantbesucher ist eine Weinbegleitung eine inspirierende Abwechslung, weil viele Geschmäcker und unterschiedliche Aromen angesprochen werden. Zuhause öffnet man nicht so viele Flaschen und es fehlen Zeit und Muße, die bei einem Restaurantbesuch gleich mit erkauft werden. Für Fortgeschrittene oder Profis ist die Weinbegleitung häufig eine lästige Erscheinung zur Verklappung von untrinkbaren Stoffen, hohen Lagerbeständen oder einfach nur der Zeitgeist. Mit dieser Vielfalt soll suggeriert werden, dass es nur einen -und zwar den richtigen Wein- zu jedem Gang gibt.

 

Poulet Bresse mit Trüffel in der Schweinsblase gegart, im fantastischen L’Ambroisie in Paris – dazu ein Vin Jaune von Chateau d’Arlay, extraordinaire!

Meine Empfehlung ist, ein „One bottle Menü“ zu wählen.

Das heißt, Du trinkst eine oder zwei Flaschen durch das Menü hindurch, ohne Rücksicht auf Verluste. Ob es zu 100% passt, ist unwichtig. Die Philosophie dahinter ist, dass ein großartiger Wein immer und zu allem schmeckt. Zuviel Lockstoffe -Pheromone- verwirren nur die Sinne, wie den einbindingen Traubenwickler, der die Weintrauben durchlöchert und mit der gefürchteten Sauerfäule überzieht. Er findet sie nicht mehr vor lauter Lockstoffen.

 

So einfach wie möglich, aber bitte nicht einfacher. Tolle Produkte können mit vielen flüssigen Sparringspartnern kombiniert werden.

 

Eine Weinbegleitung ist keine „Schwarz-weiß-Trinkerei“. Natürlich gibt es eine Grauzone, zu der ich selbst häufig tendiere. Vor allem wenn ich das Restaurant nicht kenne. So passen Weine mit viel Gerbstoff und Säure besser zu reichhaltigem Essen, Röststoffe korrespondieren gut zu Barriqueweinen, zu Seefood harmonieren Weine mit jodigen Noten und herber Mineralität. Es gibt gesetzte Harmonien. Aber eben kein Gesetz und kein „must drink“.

Wer sich gegen das „One bottle Menü“ entscheidet und mehr will, der ist auf der sicheren Seite mit einer Mischung aus Sekt oder Champagner als Einstieg, ein bis zwei Gläsern Wein zu den Vorspeisen. Ab dem Zwischengang eine Flasche Rotwein oder umgekehrt eine Flasche Weißwein zu den Zwischengängen, ein Glas Rotwein zum Hauptgang. Eventuell Dessertwein oder einen würdigen Abschluss mit Port oder Madeira. Somit bleibt genug Zeit, jedes Getränk ausreichend zu würdigen.

Ein Glas Wein in Gesellschaft getrunken macht am meisten Spaß. Für den allein Trinker im Restaurant macht eine Weinbegleitung Sinn, weil der Entertainment Faktor höher ist und der Fokus mehr auf dem Essen liegt als auf der Gesellschaft. Aber, wer will sich schon eine Flasche oder mehr allein unter Beobachtung des Service oder der anderen Gäste reinlöten? Gut, ich kenne einige Fälle. Jedem Tierchen sein Pläsierchen.

 

Die beste Weinbegleitung meines Lebens

Neben unzähligen großartigen Empfehlungen und Erfahrungen, bleibt dieses Erlebnis unvergessen.

Wie immer hängt es stark von der eigenen Laune und den Lebensumständen ab. Bei meinem Besuch im legendären Steirereck (** Michelin) kamen wir mit hohen Erwartungen. Der letzte Besuch lag schon lange zurück. Er war an anderer Stelle, zu einer anderen Zeit mit anderen Menschen. Der unfassbar gut gefüllte Zigarrenwagen war ein Beleg für die Art, wie man damals Genuss zelebrierte. Die Kunst, mit der Zeit zu gehen, ohne an Qualität zu verlieren, sie sogar zu steigern, gelingt den heutigen Besitzern, Birgit und Heinz Reitbauer, perfekt.

Meine Partnerin „in Crime“, Bianca und ich hatten uns vorgenommen, etwas kürzer zu treten, weil wir am Vorabend schlimm abgefüllt wurden und entsprechend angeschlagen waren.

 

Je komplexer die Teller angerichtet sind, umso größer die Herausforderung, den richtigen Wein zu finden. Gleiches gilt für die Artischocke, aufgrund ihrer hohen Bitterkeit.

Was macht einen guten Sommelier aus?

Ich denke, das Fachwissen und die handwerklichen Fähigkeiten, wie Temperatur der Weine, Glasauswahl und das Kennen seiner Weinkarte, sind die Grundlage dieses Berufs. Auch wenn es merkwürdig klingt, aber 90% sind Psychologie, vor allem Empathie, Menschenkenntnis und ein perfektes Timing mit der Küche. Und eben kein enzyklopädisches Wissen. Einen guten Sommelier zeichnet aus, dass er Kundenwünsche lesen kann, sie ggf. sanft umlenkt- wenn überhaupt nötig. Letztendlich entscheidet der Gast.
René Antrag, einer der besten Sommeliers Europas, hat ein untrügliches Gespür. An diesem Abend hat er alles richtig gemacht. Wir wurden mit auf eine Reise genommen und neugierig gemacht. Nachdem wir anfangs noch zögerten, hat er uns mit Witz und Leidenschaft für seine Tropfen überzeugt, ohne seinen Gästen ein Ohr abzukauen.

Der sympathische Vortrag war locker inszeniert, unaufgeregt, umsichtig ausgeführt und kam weltgewandt, ohne Bodenhaftung zu verlieren, rüber. Alles mit Leichtigkeit vorgetragen unter Verzicht von Fachlatein oder Superlativen. Einfach mit Liebe und Begeisterung für das Produkt. That’s it.

Jeder Wein war ein Treffer für unseren Geschmack, der das Essen harmonisch begleitete und nicht dominierte. Wir kannten keinen davon und für diesen Überraschungsmoment waren wir ihm dankbar. Ein guter Sommelier ist kein Missionar, sondern ein Scout, ein Servicemann und ein Berater und Verbesserer der Lebensqualität seiner Gäste. Der Spannungsbogen blieb während des vierstündigen Menüs die ganze Zeit erhalten, ohne nur einen Anflug von Langeweile zu verbreiten.

 

… und manchmal tut es auch ein Bier, wie hier im Yabase in Düsseldorf mit seinen köstlichen Sashimi.

 

Nicht nur die Kombinationen aus salzig, süß, sauer, bitter, umami, Textur, Temperatur, auch die eingeschenkte Menge waren perfekt an diesem Abend. Es war genau so viel im Glas, wie es für die genialen Gerichte nötig war.

Die Choreografie und Reihenfolge waren klasse, mit einer sachten Steigerung von Gang zu Gang an Komplexität und Tiefe. Die Zeit verging wie im Flug. Wir wären gerne geblieben. Auch das ist eine Kunst, nämlich zum richtigen Zeitpunkt zu gehen.

 

René Antrag – Chef Sommelier und Hüter des Weinkellers im Steirereck – einer der besten Sommeliers Europas

 

Leicht beschwingt, voller Adrenalin und ohne das Gefühl von Schwere verließen wir durch den regnerischen Bürgerpark zufrieden das Steirereck. Welche Weine es gab? Völlig unerheblich, denn es war ein wunderbarer Abend. Danke René und an das gesamte Team vom Steirereck!

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