Malbec, der große Verführer
Irgendwo an der Loire gab’s einen Fehler
Wie so oft entwickelt sich das Neue aus einem Fehler. So war es wohl seinerzeit mit dem Champagner, so war es auch vor wenigen Jahren mit dem Pet Nat. Denn der – der Legende nach – erste Pétillant Naturel, wie dieser schäumende Wein eigentlich heißt (auf den Akzent wird in der Kurzform meist verzichtet), sollte ursprünglich ein stiller Wein werden. Eigentlich hatte Christian Chaussard, der zusammen mit Thierry Puzelat die Naturweinszene an der Loire begründete, Vouvray Chenin blanc demi sec gefüllt. Doch er hatte den Chenin nicht filtriert, und der Wein gor auf der Flasche nach. Chaussard sah die Gärung durch das Flaschenglas und dachte, er könne die gesamte Produktion vergessen und wäre pleite. Als er eine Flasche mit einem sattem »Fumpp« öffnete, sprudelte der Chenin aus der Flasche, und das, was er dann probierte, gefiel ihm. Also machte er aus der Not eine Tugend und verkaufte den Wein als Pétillant Naturel. Das war irgendwann Mitte der 1990er. Er als Naturweinwinzer konnte den Produktionsprozess, der ja so natürlich wie möglich abgelaufen war, hervorragend vertreten, und so entwickelte sich zunächst an der Loire eine kleine Pet-Nat-Szene.
Pet Nat kontra Méthode Traditionelle
Wie unterscheidet sich der Pet Nat von allen anderen Schaumwein-Methoden? Tatsächlich ist Pet Nat der ursprünglichste aller Schaumweine. Ein ungezügelter Wein, der mitten im Vergärungsprozess auf die Flasche gefüllt wird. Champagner und andere Schaumweine, die nach der Méthode Traditionelle vinifiziert werden, durchlaufen ja einen ersten Gärungsprozess, bei dem die stillen Weine komplett durchgegoren werden. Der stille Wein wird dann auf Flaschen gezogen und mit ein wenig Dosage (Zucker) sowie Hefe versetzt und verkorkt, damit er in der Flasche eine zweite Gärung durchläuft. Dies ist zusammen mit der Méthode Charmat, wo die zweite Gärung im Tank verläuft, die modernste Form der Vinifikation. Deshalb hat Pet Nat viel mehr mit der ältesten aller Schaumwein-Methoden zu tun. Man nennt sie heute Méthode Ancestrale oder auch Méthode Rurale. Sie sind die eigentlichen Vorläufer des Pet Nat und wurden 1531 erstmals im südfranzösischen Limoux erwähnt. Auch dort goren die Weine nach dem Winter weiter und sprudelten stark. Man erhob dies zu einer neuen Weinstilistik und nannte sie Blanquette de Limoux. Den Blanquette gibt es bis heute, und ebenso weitere Regionen, in denen die Methode Ancestrale fest verankert ist. Letztlich unterscheiden sich Pet Nat und Méthode Ancestrale im Entstehungsprozess nicht wesentlich. Es ist mehr die Attitüde, die völlig unterschiedlich ist. Die Méthode Ancestrale setzt auf Tradition, die Pet-Nat-Macher sind die Natural-Hipster, die Autonomen, die mit kaum einer Konvention etwas am Hut haben und auf Experimentierlust setzen. Dass sie dabei ihr Handwerk dabei beherrschen sollte natürlich die Grundlage sein.
Kein Schwefel, kein Süße
Was den Pet Nat tendenziell dann doch vom Blanquette und anderen Weinen der Méthode Ancestrale unterscheidet, ist die Tatsache, das Pet Nats heute meist durchgären und oft knochentrocken sind. Der gärende Wein wird meist mit acht bis 30 Gramm Restzucker auf die Flasche gebracht und mit einem Kronkorken verschlossen. Dort wird der Zucker vergoren, und gleichzeitig bildet sich ein Druck von unter drei bis sechs Bar. Je weniger Zucker man verwendet, desto geringer fällt der Druck aus. Unter drei Bar spart man sich dann die Schaumweinsteuer.
Was übrig bleibt, ist das Hefedepot, das bei manchen Pet Nat wie beim Champagner auch in den Flaschenhals gerüttelt und durch das Degorgieren entfernt wird. Tut man das nicht, kann es sein, dass sich beim Öffnen sehr viel Kohlensäure am Hefedepot bildet und schlagartig aus der Flasche spritzt. Da muss man einfach aufpassen. Die echten Puristen belassen die Hefe in der Flasche – auf die Gefahr, dass so mancher beim Öffnen nass wird. Dieselben Puristen trinken die Hefe auch gerne mit, während es anderen lieber ist, dass sie sich absetzt, bevor man einschenkt. Diese abgestorbenen Hefepartikel sorgen während des langsamen Zerfallsprozesses in der Flasche für eine Geschmacksänderung des Weins. Diese sogenannte Autolyse sorgt für hefige, oft an Brioche oder Hefezopf erinnernde Aromen und sorgt für mehr Tiefe und Komplexität. Die Hefe und die entstandene Kohlensäure schützt gleichzeitig den Wein, sodass es nicht notwendig ist, einen Pet Nat zu schwefeln. Auch das kommt dem Naturweingedanken natürlich entgegen.
Es ploppt gewaltig
Was jahrelang das Phänomen einer kleinen, aber stetig wachsenden Weinszene an der Loire und in Paris war, ist heute zu einer weltumspannenden Leidenschaft von Winzern geworden, die mit möglichst wenig Intervention arbeiten wollen. Und für die Kunden ist der Pet Nat so etwas wie das Erkennungszeichen eines Weinguts, das weitgehend natürlich arbeitet. Viele fühlen sich dort, wo Pet Nat erzeugt wird, sehr willkommen und zu Hause. Pet Nat steht für alternative, charakterstarke, oft auch mal aneckende Weine. Pet Nat ist unkonventionell und mit Sicherheit nicht der ganz feine Tropfen. Denn er kommt als halbfertiger Wein auf die Flasche, meist undegorgiert und ungeschwefelt auf den Markt und nimmt bewusst Flaschenvarianzen in Kauf. Aber er ist ein ehrlicher Kerl. Einer, der, wenn er gut gemacht ist, sehr, sehr lecker, sehr frisch und belebend sein kann. Wir haben bei unseren Pet Nats jedenfalls die Erfahrung gemacht, dass sie in kleiner wie in großer Runde geradezu verdunsten, so schnell sind die Flaschen geleert und werden neue verlangt.