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Reduktion im Wein - Mehr Grauzone wagen!

In meiner perfekten Welt, ist das Weingenießen und Weintrinken eigentlich eine sehr tolerante Angelegenheit. Geschmack, Gerüche, Vorlieben oder Ablehnung unterliegen subjektiver Wahrnehmung. Das dürfte unstrittig sein.

Doch vielen Weintrinkern ist das Verlassen der Komfortzone zu anstrengend. Sie bleiben lieber in der Nähe ihres Nestes. Das ist irgendwie verständlich, dokumentiert aber auch den eigenen Stillstand.

Mit Schwarzweißmalerei, Abgrenzung oder Dogmatismus kommt man auf dem Feld des Genusses nicht weiter. Grenzen sind fließend, auch wenn es immer wieder Menschen gibt, die uns das Gegenteil predigen. Deshalb plädiere ich für eine geschmackliche Grauzone. In dieser bewegt sich das Thema „Reduktion“.

Was ist Reduktion überhaupt?

Von einigen wird die Reduktionsnote gefeiert, andere sehen in ihr einen klassischen Weinfehler.

Reduktion hat nichts mit reduktivem Ausbau im temperaturgesteuerten Edelstahlgebinde jenseits der Anwesenheit von Sauerstoff, oder dem Gegenteil von oxidativem Ausbau im Holzfass oder der Amphore zu tun. Die Reduktion kann sowohl im Edelstahlgebinde als auch z.B. im Barrique auftreten.

 

Der Geschmack von Feuerstein hat nicht nur mit dem Boden zu tun, sondern auch bestimmte Thiole, die durch chemische Reduktion nach der Gärung entstehen.
Der Geschmack von Feuerstein hat nicht nur mit dem Boden zu tun, auf dem die Reben wachsen. Bestimmte Thiole, die durch chemische Reduktion nach der Gärung entstehen, führen ebenfalls zu diesem Geschmackseindruck.

 

Gemeint ist mit dieser flüchtigen schwefeligen Note ein Geruch, der an chinesische Böller, Feuerstein und brennende Streichhölzer erinnert. Das sind die netten Aromen. Doch schon diese bringen so manchen an die Grenzen seiner Komfortzone. Unstrittig problematisch wird es, sobald das unangenehm riechende Mercaptan ins Spiel kommt. Auf einmal tanzen abstoßende Geruchsmoleküle wie verfaulte Eier, menschliche Ausdünstungen a.k.a. Fürze, gekochter Kohl oder scharfer Knoblauch über die Nasenschleimhäute. Selbst durch hartnäckiges Karaffieren ist das nicht weg zu belüften. Am besten verlässt der Flascheninhalt die Welt durch den Spülstein. Ein solcher Wein ist ganz sicher fehlerhaft.

 

Brennendes Streichholz Reduktionsaromen
Die flüchtigen schwefeligen Aromen der Reduktion erinnern an abbrennende Streichhölzer, chinesische Böller und Feuersteine.

 

Aber genau zwischen diesen extremen Düften gibt es eine Vielzahl von Winzern, die mit der Reduktion experimentieren. Das wirkt zwar selten gekonnt, oft stümperhaft, aber einige der besten erreichen eine wahre Meisterschaft in dieser Disziplin.

Die Liste derer liest sich wie die Champions League des Weines. Da finden sich Granden wie Côche-Dury und Guy Roulot, Huber aus Baden, Giaconda aus Australien, Suertes del Marqués aus Teneriffa, J.-F. Ganevat aus dem Jura, Heinrich aus dem Burgenland usw… You name it! Alle haben den Böllergeruch in der Nase.

 

Reduktionsaromen im Wein
Aromen nach Zündplättchen und Feuerwerkskörper können sowohl im Holzfass als auch im Edelstahl entstehen.

 

Das Spiel mit der Reduktion ist das Spiel mit dem Feuer und erfordert viel Erfahrung und handwerkliches Geschick. Ich denke es braucht darüber hinaus eine gewisse Risikobereitschaft, ggf. die ein oder andere Charge zu verlieren. Das ist kein Spielfeld für große Kellereien oder Riesengebinde.

Wie entsteht die Reduktionsnote?

Da ich kein Chemiker bin, will ich mich nur oberflächlich auf dieses dünne Eis begeben. Einige von diesen Prozessen sind nach wie vor mysteriös und auch von der Wissenschaft nicht gelöst. Während der Wein auf der Hefe reift und fermentiert, kann es zu Stresssituationen, vor allem durch fehlenden Stickstoff und Sauerstoff kommen. Das Phänomen stammt nicht selten von nährstoffarmen Böden. Die Hefen kollabieren und sondern seltsame Noten ab.

Es können flüchtige Schwefelverbindungen entstehen, von denen die bekannteste Hydrogensulfid (H2S) ist. Es besteht die Möglichkeit, dass durch die Reaktion mit dem Alkohol Disulfide wie Mercaptan, Thiol und Thioester gebildet werden. Letztere sind vernichtend für den Wein, da sie nicht flüchtig sind und im Wein verbleiben und mit der Zeit ihr fauliges Aroma freisetzen. Sollte das auf der Flasche passieren, bedeutet es das Aus für den Inhalt. Sollte es im Tank oder Fass passieren, so lässt sich der Fehler ggf. noch korrigieren.

Reduktion kann sowohl im Holzfass als auch im Edelstahlgebinde entstehen. Hier liegt wohl der größte Teil der Verwirrung, oder der Hase im Pfeffer.

Mit Reduktion sind flüchtige Schwefelverbindungen gemeint, die nicht unbedingt unangenehm riechen müssen. Die Winzer suchen vor allem nach der positiven Reduktion, die für den Böller-Feuersteinduft verantwortlich ist. Ihr Name: Benzenemethanethiol oder Benzylmercaptan, organische Schwefelverbindungen. Diese Moleküle findet sich z.B. auch im Kaffee. Sie entstehen häufig dann, wenn der Most ohne langes Absetzen oder Vorklären gleich mit „Dreck und Speck“ vergoren wird und auf der Vollhefe weiter reift.

 

Abstich des Weines von der Vollhefe
Schwefelverbindungen können während der Gärung und der Lagerung auf der Hefe entstehen, bevor der sogenannte „Abstich“ folgt.

 

Vor allem Weißweine wie Chardonnay, aber auch Chenin Blanc, Sauvignon Blanc und anscheinend auch Listan Blanco scheinen als Sorten dafür prädestiniert zu sein.

Eine andere Methode, um die gewünschte positive Reduktion zu erhalten ist, den Wein im Barrique „schmutzig“ zu vergären und ihn im Anschluss ein paar Monate auf der Hefe im Edelstahlgebinde fernab vom Sauerstoff reifen zu lassen.

Was mache ich, wenn mein Wein nach schwefeliger Reduktion riecht?

Nicht gleich wegschütten, sondern versuchen, zu differenzieren. Ist das Aroma unangenehm oder mir einfach nicht bekannt? Nicht alles ist negativ, nur weil ich es nicht kenne. Wer auf sehr cleane Weine steht, hat natürlich eine andere Wahrnehmung als jemand, der gerne erdige Burgunder mag.

Bildhaft gesprochen ist es der Unterschied zwischen dem Aroma einer üblen Stinkmorchel zum wohlriechenden, aber auch polarisierenden weißen Trüffel – ein schmaler Grat.

Auf alle Fälle sollte man erstmal den Flascheninhalt in eine Karaffe umfüllen und beobachten, ob sich das Aroma verflüchtigt, oder durch Belüften zum Positiven verändert. Sollte es sich hartnäckig halten, dann reden wir von einem Böckser, einem Weinfehler.

Früher hat man einen Kupferpfennig in das Glas oder die Karaffe geworfen. Mit etwas Glück hilft das.

Die Reduktionsnote ist so volatil wie sie im Glas erscheint. Es gibt einige Winzer, die das Spiel perfekt beherrschen und dem Wein ein interessantes Gerüst und ein eigenständiges Aroma verleihen. Wenn die Reduktion zu dominant ist, dann zerstört sie das Bukett, subtil eingesetzt, hebt sie das Aroma des Weines.

Am Ende bleibt es jedem Weintrinker selbst überlassen, wieviel Reduktion im Wein er toleriert. Wer ihren Ursprung kennt, für den ist es einfacher mit ihr umzugehen.

Um es mit den Worten von Ed Kowalczyk und meiner Lieblingsband „Live“ zu sagen, erhebe ich das Glas auf mehr toleranten Weingenuss:

The Beauty of Gray (1995)

“This is not a black and white world
To be alive
I say the colours must swirl
And I believe
That maybe today
We will all get to appreciate
Yes we will all get to appreciate”

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