It’s the freshness, stupid: Trip durchs atlantische Portugal
Die Frage der Haltbarkeit war schon immer entscheidend beim Wein, und das über die Jahrtausende hinweg. Rebensaft ist ein äußerst fragiles Produkt, das nur unter bestimmten Voraussetzungen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg haltbar ist. Alles Mögliche hat man in den Wein gekippt, um ihn stabil zu halten, Pinienharz zum Beispiel. Das kennt man noch beim griechischen Retsina – im Altertum hat man die Amphoren und die Schläuche aus Ziegenfell mit Harz abgedichtet und auf den Wein eine Harz-Öl-Mischung gegeben, um den Wein nicht der Oxidation auszuliefern. Auch hat man Gesteinsmehl, Kräuter und vieles andere verwendet. Die Königslösung für die Stabilisierung von Wein ist heute eine Kombination aus mehreren Verfahren. Neben der Filtrierung ist die Schwefelung des Weins sicher am wichtigsten. Beides zusammen ist die Grundlage für modernen Weinbau.
Warum ist Wein so fragil?
Das große Problem beim Weinmachen war schon immer der Hang zur Oxidation und der Einfluss schädlicher Bakterien. Sobald Trauben zerdrückt oder im Weinberg durch Insekten oder Schimmelpilze befallen werden, sind Tür und Tor geöffnet für alle möglichen Arten von Bakterien. Eine Gattung von Bakterien, die sich nicht ausbreiten sollte, ist die Essigbakterie Acetobacter. Ihr Einfluss wird genau dann begünstigt, wenn der Wein zu sehr dem Sauerstoff ausgesetzt wird. Die Essigwerdung des Weins geht dann einher mit der Oxidation, bei welcher der Wein vorschnell altert und später wie billiger Sherry schmeckt. Die Oxidation hat man von Beginn des Weinmachens an zu verhindern versucht – erklären konnte den Prozess allerdings erst Louis Pasteur im 19. Jahrhundert.
Was gibt dem Wein einen natürlichen Schutz?
Je sauberer und natürlicher im Weinberg und im Keller gearbeitet wird, desto geschützter ist der Wein vor schädlichen Einwirkungen. Dazu gehört die Lese per Hand und vor allem das Aussortieren beschädigter Trauben, bevor diese in den Keller gelangen. Ein zusätzlicher Schutz sind Gerbstoffe und Phenole. Sie stabilisieren den Wein und machen ihn haltbarer. Rotweine sind deshalb per se stabiler als Weißweine, und von denen vor allem jene, die über viel Tannin verfügen und bei denen auch die Rappen, also Stiele und Stengel, mit vergoren werden. Doch auch Weißweine, die längeren Kontakt mit der Maische hatten, benötigen weniger Zusatzstoffe. Hilfreich ist zudem ein niedriger pH-Wert der Trauben, der vor allem im kühlen Klima und auf basischen Böden wie beispielsweise einem kalkigen Boden entsteht. Ist der pH-Wert der Trauben niedrig, bleiben die bakteriellen Aktivitäten gering, und der Schwefel kann seine Arbeit viel besser erledigen als bei einem hohen pH-Wert.
Was leistet der Schwefel?
Schwefel schützt nicht nur vor Oxidation, Schwefel bindet auch Acetaldehyd, einen Stoff, der bei der Vergärung frei werden kann und der als krebserregend eingestuft wird. Vor allem wirkt Schwefel jedoch wie ein leichtes Antibiotikum, das vor Bakterien und Pilzen schützt. Schwefel wirkt reduktiv und reagiert, wenn man ihn zum Most gibt, so heftig mit Sauerstoff, dass der schädliche Einfluss von Sauerstoff bzw. der den Sauerstoff übertragenden Enzyme unterdrückt wird. Wird an sich schon sehr reduktiv im Keller gearbeitet, wird also der Sauerstoff während des Gärvorgangs weitestgehend ausgeschlossen, so wird keine Schwefelzugabe benötigt. Nach der Gärung kann Schwefel eingesetzt werden, um das Acetaldehyd zu binden, das als ungesund eingestuft wird und außerdem beim Wein für einen vorzeitigen Alterungston sorgen würde. Schließlich werden Weine oft noch kurz vor der Flaschenfüllung geschwefelt, um sie in der Flasche länger zu konservieren.
Und – alles gut mit dem Schwefel?
Wie bei vielem anderen ist es auch hier eine Frage der Menge, die darüber entscheidet, was gut oder nicht gut ist. Schwefel, der bereits mit Sauerstoff oder Acetaldehyd reagiert hat, wird als gebundener Schwefel bezeichnet und beeinflusst das Geruchs- und Geschmacksempfinden nur geringfügig. Schwefel, der mehr oder weniger prophylaktisch eingesetzt wird, ist der sogenannte freie Schwefel, der in Form von Sulfiten als Schwefelsalz oder Schwefelsäure riechbar und schmeckbar ist und in seltener Form auch gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge haben kann. In unseren Breitengraden war es zwischenzeitlich gerade bei Süßweinen üblich, sehr hohe Mengen an Schwefel bzw. an Schwefeldioxid zuzugeben. Bis heute findet man gerade an der Mosel Weine, die spürbar nach Schwefel riechen, wenn man die Flaschen öffnet. Sie haben gegenüber niedrig geschwefelten Weinen vielleicht den Vorteil, dass die Entwicklung des Weins deutlich verlangsamt wurde, weshalb man auch heute noch sehr lange gereifte Rieslinge aus den 1970er- und 1960er-Jahren trinken kann. Bei jungen Weinen ist die Schwefelung hingegen schwierig, da Schwefel den Geschmack des Weins auch überlagern kann.
Kopfschmerzen wegen zu viel an Schwefel?
Es ist ein altes Vorurteil, dass Schwefel im Wein für Kopfschmerzen sorge. Nach aktuellem Stand der Forschung ist das nicht der Fall. Entweder sorgt das Zuviel an Alkohol für Kopfschmerzen, oder es sind die Histamine. Diese biogenen Amine sind Eiweißabbauprodukte, die im Wein enthalten sein können, es aber nicht sein müssen. Eine Histaminunverträglichkeit hat tatsächlich Kopfschmerzen zur Folge, ebenso kann man nach dem Verzehr unter Schlafstörungen, kribbelnden oder geschwollenen Händen oder Durchfall leiden. Histamin kann bei der Vergärung entstehen und ebenso beim Schönen des Weins mit Eiweiß, Casein oder Albumin. Im Gegensatz zum Schwefel müssen diese Zusatzstoffe bis heute leider nicht gekennzeichnet werden. Doch auch der Schwefel kann für Unverträglichkeiten sorgen. Empfindlich reagierende Personen können bei zu viel an Schwefel unter Schwefelasthma leiden.
Schwefel – eine Glaubensfrage?
Abgesehen von den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen hat sich der Einsatz von Schwefel längst als Glaubensfrage in der Bio- und Naturweinszene manifestiert. Während Biodynamiker, etwa dessen bekanntester Verfechter Nicolas Joly, Schwefel als das »unentbehrliche Element des Lichts und der Wärme« bezeichnen und auch einer unserer Winzer, Hans Vinding, sagt: »Schwefel in moderaten Mengen ist ein Freund!«, versuchen Vertreter des Naturweins ohne ihn auszukommen. Unter sehr hygienischen Bedingungen im Keller und bei einer sehr guten Vorarbeit im Weinberg ist das auch durchaus machbar. Solange der Winzer die mikrobielle Zusammensetzung seiner Weine im Blick hat, ist das kein Problem. Entsprechend haben auch schon die ersten Vertreter dieser Szene – allen voran Jules Chauvet aus dem Beaujolais – hervorragende schwefelfreie Weine gemacht. Chauvet ist Chemiker, und er hat den Einsatz von Schwefel auch experimentell erforscht. Wenn es gut läuft, dann macht der Verzicht auf Schwefel oder eine sehr geringe Schwefelgabe aus dem Wein nämlich tatsächlich ein anderes Produkt. Weine ohne oder nur mit gering zugesetzten Schwefel können ganz faszinierend sein. Sie duften nicht nur anders, sie geben einem auch ein anderes Mundgefühl. Kein Wunder eigentlich, wenn man eine Schwefelzugabe von möglichen 260 mg/l (trockener Weißwein) oder bis zu 400 mg/l (Süßweine) auf 10 bis 50 mg/l herunterfährt.
Wie bei allem, was im Weinberg und im Keller geschieht, ist es also eine Frage des Könnens des jeweiligen Winzers, ob zum Schluss ein guter oder sogar ein faszinierender Wein herauskommt. Für große Weingüter, die mit vielen technischen Prozessen arbeiten, ist schwefelfreier Wein kaum realisierbar. Der Verzicht auf Schwefel wird also immer eine Domäne der handwerklich arbeitenden Winzer bleiben. Viele der schwefelreduzierten oder schwefelfreien Weine sind Weine für den frühzeitigen Trinkgenuss, wobei »schwefelfrei« so auch nicht richtig ist, denn selbst in Weinen, in denen kein Schwefel zugesetzt wurde, gibt es eine kleine Menge Schwefel, die sowieso bei der Gärung entsteht. Deshalb steht auch auf so gut wie jeder Flasche »enthält Sufite«. Lediglich Weine, in denen weniger als 10mg Sulfite vorkommen, dürfen auf diesen Zusatz verzichten. Doch wer auf Schwefel in der Weinbereitung verzichtet, kann auch Weine mit großer Lagerfähigkeit erzeugen. Das ist eine Frage des Könnens und der Erfahrung. Wer andere der oben erwähnten Alternativen der Konservierung einsetzt, kann seinen Weinen auch ein langes Leben schenken. Es mag für viele eine Glaubensfrage sein, aber für uns ist Schwefel keine Glaubens-, sondern eine Geschmacksfrage. Gesundheitliche Bedenken haben wir nicht, solange Schwefel moderat eingesetzt wird. Und da vertrauen wir ganz klar den Winzern, die damit umzugehen wissen.