Malbec, der große Verführer
Berühmt wurde er mit Süßweinen aus Constantia. In der großen Zeit der Süßweine im 18. Jahrhundert war Constantia so bekannt wie die Weine aus Sauternes und Tokaij. Doch irgendwann verblasste der Ruhm, und in den Zeiten der Apartheid war es nicht leicht, südafrikanische Weine international zu vermarkten. Deshalb sind viele Weingüter im Laufe der Zeit und vor allem in der Zeit der Apartheid pleitegegangen. Die Nachwirkungen der Apartheid sind bis heute spürbar. Auf der einen Seite der Straße finden sich in Südafrika große, manchmal riesige Farmen, hermetisch abgeschlossen und bewacht, auf der anderen Seite Townships, in die man sich als Weißer definitiv nicht hineintraut. Zu groß ist dort die Frustration über die Ungleichheit zwischen den Menschen mit verschiedenen Hautfarben, und die Kriminalität ist nie weit entfernt. Andererseits aber wird man am Kap fast überall mit großer Freude und Herzlichkeit empfangen, und die meisten Menschen dort haben trotz der Widrigkeiten ihren Optimismus nicht verloren. Missstände gibt es auch in der Wine Industry, vor allem dort, wo Fasswein für Discounter produziert wird. Doch dort, wo man auf Qualität setzt, wird nachhaltiges Handeln immer wichtiger. Nachhaltigkeit hat in Südafrika nicht nur einen ökologischen Stellenwert, sondern vor allem auch einen sozialen. Und daran wird intensiv gearbeitet. Die neue Regierung lässt ein wenig hoffen, dass man in Zukunft tatsächlich schneller zu Ergebnissen kommt. Es herrscht eine spürbare Dynamik. Das gilt sowohl für ökologische und soziale Fragen als auch in Bezug auf das Selbstverständnis des Weinlandes Südafrika.
Was ist eigentlich südafrikanischer Wein? Ist das dieser ultrapolierte Bordeaux-Epigone mit Konzentration und überelegantem Holzeinsatz, wie er von Michel Rolland und anderen flying winemakers ab dem Ende der 1980er Jahre empfohlen wurde, als es wieder anfing zu boomen? Damals wurde jede Menge frisches (aber auch schmutziges) Geld investiert, und der Weinbau galt als zweite Goldgrube. Doch so einfach war es dann doch nicht, wie man heute sieht; denn solche Weine sind auf dem internationalen Markt austauschbar. Es gibt sie in Frankreich und ebenso in den USA, in Südamerika, Neuseeland oder Australien, ja selbst in der Pfalz und in Rheinhessen. Dass es auch anders geht, haben schon Winzer wie Danie de Wet und Walter Finlayson bewiesen, die schon in den 1980er Jahren heimlich Pinot- und Chardonnay-Rebstöcke aus dem Burgund nach Südafrika geschmuggelt haben, um die Cool-Climate-Zonen des Kaps auszuloten und dort eine elegantere Art von Wein zu erzeugen. Und dann gab es die junge Generation, mit der unsere Geschichte als Wein-Importeur begonnen hat. Denn als wir Eben Sadie 2001 im Swartland trafen, hatten wir einen Visionär vor uns – das war uns damals schnell klar, und er hat diese Einschätzung bestätigt.
Die Swartland-Revolution und der Aufbruch am Kap
Was um die Jahrtausendwende im Swartland stattfand, wird heute als Swartland-Revolution bezeichnet. Die Gruppe von Winzern, die sich traf, hat viele Regeln des damaligen südafrikanischen Weinbaus über Bord geworfen, um einen neuen Stil zu kreieren. Zu dieser Gruppe gehörten Adi Badenhurst, Callie Louw, Eben Sadie, Andrea & Chris Mullineux. In der letzten Zeit sind noch weitere Winzer dazugestoßen und aus der Swartland Revolution sind die Swartland Independents geworden. Sie waren auf der Suche nach einer neuen Identität für südafrikanische Weine. Sie wollten nicht mehr als Bordeaux-Epigonen angesehen werden, sondern etwas Eigenes schaffen. Um dies zu erreichen, suchten sie besser an das Klima angepasste Rebsorten, ferner alte Reben, auch alternative Ausbauarten zum Barrique wie etwa große Fuder, Betoneier und Ton-Amphoren. Sie experimentierten mit früheren Lesezeitpunkten und einem anderen Weinbergsmanagement.
Diese Entwicklung kann man beispielsweise an Weinen wie dem Palladius von Eben Sadie nachvollziehen. Mitte der 1990er Jahre war dieser Wein noch eine Cuvée aus lediglich vier sehr spät gelesenen Traubensorten, die im kleinen, ordentlich geflämmten Holzfass ausgebaut wurden und irgendwie, zumindest entfernt an weißen Bordeaux aus Graves oder Pessac erinnerten. Wenn man solch ein frühes Exemplar heute probiert, denkt man: „Ja, das ist ein guter Wein, voll, kräftig, komplex …, aber es ist ein Wein von gestern.“ Über die Jahre hinweg kann man am Palladius die Entwicklung von Sadies Weinverständnis erkennen. Heute ist er eine Cuvée aus Chenin blanc, Clairette blanche, Colombard, Grenache blanc, Marsanne, Palomino, Roussanne, Sémillon blanc, Sémillon gris, Verdelho und Viognier. Alle diese Rebsorten sind bewusst ausgewählt im Zusammenspiel. Sie werden genau zum richtigen Reifezeitpunkt gelesen, stammen von alten Reben und werden mittlerweile in Tongefäßen und später als Cuvée im großen Fuder ausgebaut. Es ist ein völlig anderer Wein als vor 20 Jahren. Schon damals war es ein besonderer Wein aus Südafrika. Heute aber ist er einer der ganz großen Weißweine vom Kap.
Und er ist auch auf der internationalen Bühne unverkennbar und unkopierbar ein großer Wein. Ähnliches liefert Chris Alheit mit seinem Chenin blanc von ausgewählten alten oder von hoch gelegenen Weingärten. Auch seine Weine spielen mittlerweile auf der ganz großen Bühne in vorderer Reihe mit. Es sind absolut eigenständige Weine; denn sie bewegen sich geschmacklich fernab der berühmten Loire-Chenins. Sie schmecken kraftvoll, sind selbstbewusst und zudem sehr lebendig und mineralisch, komplex und tief. Doch es hat sich noch etwas anderes verändert. Die junge Generation besinnt sich der legendären Weine der 1960er und 1970er Jahre, wie beispielsweise eines 1967er Lanzerac Cabernet, eines 1976er Zonnebloem Shiraz oder eines 1971er Oude Libertas Selected Cinsault. Dies sind Weine, die jährlich in kleinen Mengen auf der Nederburg-Auction versteigert werden. Wer die Chance hat, diese Weine zu probieren, ist vermutlich verblüfft, wie jung und klar, aromatisch hell und frisch diese Weine auch heute noch schmecken. Sie zeugen von einem Weinverständnis, das mit der Parkerisierung und der anschließenden Rollandisierung ja auch in Bordeaux so gut wie verloren gegangen ist. Heute aber beschäftigen sich zunehmend mehr Weinmacher wieder mit solchen Weinen und versuchen, diesen Stil wiederzubeleben. Das beste Beispiel sind die Weine des Projektes Leeu Passant von Andrea & Chris Mullineux sowie Analjit Singh. Das Geheimnis dieser Weine ist unter anderem ein gewisser Anteil Cinsault – einer Rebsorte, die sich gerade zum heimlichen roten Rebsortenstar am Kap entwickelt.
Old Bush Vines
Glücklicherweise gibt es auch beim Cinsault noch alte Reben, die in den letzten Jahren entdeckt wurden. Denn man mag es glauben, das Thema Vieilles Vignes, alte Reben oder in diesem Fall Old Bush Vines, ist in Südafrika gerade einmal zehn, vielleicht 15 Jahre alt – das Thema wohlgemerkt, nicht die Reben; denn die stammen teilweise aus dem 19. Jahrhundert. Dass die Trauben alter Reben den Besitzern der Weingärten nicht aus den Händen gerissen wurden, sagt viel aus über das südafrikanische Weinbusiness. Doch es hat tatsächlich die letzten Jahrzehnte so gut wie niemand interessiert, dass es draußen in abgelegenen Tälern und Höhenlagen Weinberge mit uralten Reben gab. Es gab auch niemand, der höhere Preise für die exzellente Qualität ihres Saftes bezahlt hätte. Und da alte Reben nun einmal wenig Ertrag lieferten, waren die Weingärten für die Traubenbauern, die nur vom Kilopreis lebten, nicht mehr wirtschaftlich, und sie rissen die alten Stöcke heraus. Das taten sie bis vor wenigen Jahren, bevor nämlich Rosa Kruger kam und damit begann, dies zu ändern. Die hervorragende Viticulturistin und Urenkelin von Paul Kruger, nach dem der berühmte Nationalpark benannt ist und der zwischen 1882 und 1902 Präsident Südafrikas war, war 2002 Weinbergsmanagerin beim Weingut L’Ormarins.
Auf der Suche nach Traubenbauern, von denen sie Erträge kaufen konnte, entdeckte sie einige dieser alten Weingärten. Sie begann, diese Parzellen zu katalogisieren und öffentlich zu machen, fand in André Morgenthal, der damals noch für Wines of South Africa (WOSA) arbeitete, einen Bruder im Geiste, und zusammen gründeten sie das Old Wine Project . Weinmacher wie Eben Sadie, Chris Mullineux und viele andere haben schnell das Potential der alten Reben entdeckt und nutzen heute zusammen mit einigen anderen die Trauben solcher Parzellen für ihre Weine. Das hat sowohl mit der hervorragenden Qualität zu tun als auch mit der Tatsache, dass diese Rebstöcke dry farmed sind, also keine Bewässerung brauchen. Und das ist wichtig in Zeiten aktueller Trockenheit in Südafrika. In manchen Lagen allerdings ist es selbst diesen uralten Buschreben heute zu trocken. Deshalb wird der 2017er Radio Lazarus Chenin blanc von Chris Alheit leider der letzte Jahrgang dieses großartigen Weins sein. Der alte Weinberg hat die Trockenheit der letzten drei Jahre schlichtweg nicht überlebt. Glücklicherweise hat Chris drei andere alte Parzellen gefunden, von denen es neue Chenins geben wird.
Weinmachen geht dort anders als hier
Man muss wissen, dass Weinmachen in Südafrika grundsätzlich anders abläuft als hier. Natürlich gibt es die alten gediegenen, traditionellen Weingüter im Château-Stil, deren Rebflächen direkt um das Weingut gepflanzt sind, das pittoresk im holländischen Kap-Stil in der Landschaft liegt. Doch die junge Generation von Weinmachern verfügt häufig nur über kleine, wenn überhaupt über eigene Flächen. Teilweise besitzen die Weinmacher nicht einmal eigene Keller, sondern mieten sich anderswo ein. Machen sie deshalb schlechtere Weine? Eindeutig nein; denn die Leute sind sehr gut ausgebildet, haben oft schon viele Jahre Erfahrungen gesammelt und können so Projekte realisieren, ohne dass sie sich in zu hohe Schulden stürzen müssten. Wenn es dann irgendwann läuft – wie zum Beispiel bei Peter-Allan Finlayson und seinem Projekt Crystallum, dann kommt auch der eigene Keller. Diese Offenheit und Flexibilität innerhalb der Weinbaugemeinde, die übrigens in Südafrika so übersichtlich ist, dass dort wirklich jeder jeden kennt, macht Südafrika als Weinland geradezu extrem attraktiv. Auf der 2018er Cape Wine, der südafrikanischen Weinmesse in Kapstadt, die nur alle drei Jahre stattfindet, war dies mit Händen zu greifen. Die Mengen an interessanten Weinen werden immer größer, und es macht großen Spaß, mit den Leuten zusammenzuarbeiten; denn die Begeisterung für ihre eigenen Neuansätze ist einfach sehr groß und ansteckend.
An der Spitze
Wir sind froh, dass wir mit Crystallum, Mullineux, Chris Alheit und Eben Sadie einige der besten Winzer in unserem Angebot haben. Das hat Master of Wine Tim Atkin gerade wieder bestätigt. Auf seiner Liste der 2017er Cape Classification gehören sie alle zu den 20 First Growth. Und in seinem zur Cape Wine veröffentlichten Special Report South Africa 2018 hat er zum allerersten Mal 100 Punkte für Weine aus der Neuen Welt vergeben. Neben dem ultra-klassischen 2015er Kanonkoop Paul Sauer sind dies der 2017er Alheit Magnetic North und der 2017er Sadie Family ’T Voetpad. Damit bekommen diese Weine auch international zunehmend die Aufmerksamkeit, die sie längst verdienen. Und dabei ist klar, dass das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist.