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Weinstadt Kopenhagen - eine Reise wert!

In den Tagen meiner Jugend, also vor ca. 30 Jahren, gab es in Dänemark genau zwei Gewürze: Salz und Pfeffer. Auch bei den Saucen war die Vielfalt nicht wesentlich größer. Man unterschied zwischen den Grundsaucen Ketchup, Mayonnaise und Senf, die vor allem zu den unnatürlich wirkenden strahlend-roten „Pølsern“ gereicht wurden. Letztere servierte man in Papierbrötchen und garnierte sie mit industriell gerösteten Zwiebeln. Jahrzehntelang war das meine einzige kulinarische Erinnerung an unser nördliches Nachbarland.

Spätestens durch René Redzepi und sein eigenwilliges, international gefeiertes Restaurant (und nach kreativer & baulicher Pause vor kurzem wiedereröffnetes) „Noma“ wurde ich vor gefühlten 10 Jahren auf Kopenhagen aufmerksam. Ich sah trotzdem kein Grund, und gebe zu, dass ich immer noch zu misstrauisch gegenüber der dänischen Küche war, um mich dort kulinarisch weiterzubilden.

Rückwirkend betrachtet ein Fehler. Denn einer von vielen Verdiensten von Redzepi ist u.a. die Ausbildung mehrerer Generationen von engagierten Köchen. Er inspirierte die Branche sich mehr mit aktuellen Themen wie „regionalen Produkten, Naturbelassenheit und zeitgemäßen Servicekonzepten“ auseinanderzusetzen.

 

„lokaler Weinhändler mit nachhaltiger CO2 gerechter Auslieferung – Riesling ist in Dänemark ein großes Thema“

 

Was hat das mit Wein zu tun? Auf den ersten Blick scheinbar nicht soviel. Doch mit dieser neuen Küchenrichtung begann anscheinend auch der Siegeszug alternativer Weine, die eine andere Philosophie vertreten, als es die großen konventionellen super-premium Markenprodukte tun.

Zumindest wurden die Themen „Natural, Amphore und Orange“ offen aufgenommen, aber auch gastronomische Sorten wie deutsche Rieslinge, Gamay, Sangiovese oder Cabernet Franc uvm. fanden hier prominentere Plätze auf den Weinkarten als anderswo. Vor allem, weil sie sehr gut zu den spannenden Interpretationen nordischer Köche passen. Der wichtigste Grund waren sicherlich die Sommeliers, die einfach sehr undogmatisch in ihrer täglichen Arbeit vorgingen.

 

„Auf der Suche nach dem neuen ‚Wein am Limit'“

 

Das schöne an den skandinavischen Weinfreunden ist anscheinend ihre Offenheit und das Beibehalten eines hohen Qualitätsniveaus, dass mich irgendwie an japanischen Produkt-Fetischismus erinnert. Natürlich ist es teuer hier, aufgrund der Lebensumstände auch teurer als anderswo, wobei ich ab einem gewissen Niveau sogar eher wenig Unterschied sehe.

Was mich besonders beeindruckt, dass die Gastrokonzepte authentisch umgesetzt werden und selbst in der Minibar des Hotels ein ansprechender Wein zu finden ist. In so hippen Restaurants wie „Kødbyens Fiskebar“ ist die mittelgroße Weinkarte mit vielen mutig selektierten Gewächsen wunderbar auf die ultrafrischen Gerichte zugeschnitten. Namedropper und Labeltrinker werden hier nichts finden, denn es geht um Trinkspaß und Focus auf die Küche. Ein ausgewogenes Konzept, dass den Geschmack in den Vordergrund stellt.

 

„Köstliche Miesmuscheln in Kødbyens Fiskebar“

 

Im „Baest“, einer italophilen Pizzeria und Trattoria, sollte man unbedingt nach der großen Weinkarte fragen. Auf der für hiesige Verhältnisse fair kalkulierten Auswahl, finden sich viele unbekannte und entdeckenswerte Namen. Das der Rotwein auch noch top temperiert an den Tisch kommt, ist zwar obligatorisch, aber nicht selbstverständlich in diesen Zeiten.

Die größte Kunst ist es eine ansprechende Mini Weinkarte zu haben. Denn jeder Wein sollte ein Treffer sein und trotzdem muss es genug geschmackliche Varianz geben. In einem mexikanischen Restaurant habe ich in Sachen Weine eigentlich keine großen Ansprüche, aber in dem europäischen Mexikaner schlechthin, dem „Sanchez“ gelingt das ausgesprochen gut. Wie gesagt, die üblichen Verdächtigen wie Lugana & Co. finden sich hier erst gar nicht und für das geschmacklich abturnende Sicherheitsdenken ist „Gott sei Dank“ kein Platz auf der kleinen Karte. Konsequent!

 

„Weinbegleitung im Kadeau**“

 

Die „Wein Pairings“ in den großen Restaurants Kopenhagens, wie dem weintechnisch klassisch orientierten, sehr weltoffenem Geranium *** sind stark. Hier wird man nicht überfordert, eher verblüfft und selten enttäuscht. Ich bin ehrlich gesagt, kein großer Fan der sogenannten Weinreise. Das liegt eventuell an meinem Job, weil ich meine tägliche Reizüberflutung einzudämmen versuche. Aus Kundensicht liegt in einer professionellen Weinbegleitung dennoch ein Reiz und hat seine absolute Berechtigung, vor allem dann, wenn es sich nicht um Rudis Resterampe handelt, oder sie einen missionarischen Charakter hat. Im Geranium kann man zwischen 4-5 unterschiedlichen (preislich wie geschmacklichen) Varianten der Weinbegleitung wählen. Zeitgemäß und serviceorientiert!

 

„Hendrik (Oberwalinaut), Mikael Båth (Headsommelier), Rasmus Kofoed (Küchenchef) und Søren Ledet (General Manager): Team Geranium v.l.n.r. „

 

Im ultraregional konzipierten Kadeau ** ist die Weinkarte komplett Europa gewidmet, vor allem sehr liebevoll ausgesucht mit vielen spannenden Namen, Regionen und Rebsorten. Eine Sommelierkarte die einen guten Guide braucht gibt es hier selbstverständlich. Auch hier gibt es spannende, ausgesuchte Weinbegleitungen. Wie häufig passiert es, dass der Kunde allein gelassen vor der komplexen Weinkarte im Restaurant sitzt? Somit rettet man sich zu bekannten Namen oder löst das Problem über den Preis. Eine archaische und unhedonistische Variante.

 

„Brutal regional – das Menü im Kadeau / Man muss an der blauen Pforte klingeln um hineingelassen zu werden.“

 

Es ist der gut durchdachte, serviceorientierte und professionelle Weinservice der mich an Kopenhagen begeistert. Das gilt nicht nur für die Spitzengastronomie, sondern auch für einfachere Restaurants und Bars. Ich glaube die Dänen sind in Sachen Wein nicht viel aufgeklärter als andere, aber eines ist doch sehr offensichtlich: Mit ihrer lockeren Offenheit, ihrem Verständnis für Qualität und dem echten Interesse an Nachhaltigkeit, wurde auf der Anbieterseite das entsprechende Angebot geschaffen.

Das kosmopolitische, viefältige, extrem hohe Niveau kann ohne weiteres mit Weinmetropolen wie London, New York oder Barcelona mithalten. Der für mich entscheidende Punkt ist, dass in Kopenhagen nichts kopiert wird, sondern etwas Eigenes in den letzten 20 Jahren, ganz ohne großes Brimborium, konsequent geschaffen wurde.

Kopenhagen, ich komme gerne wieder auf ein Glas Wein vorbei, auch wenn ich jetzt erst mal sparen muss.

Euer Hendrik

 

Liste der besuchten Restaurants:

Sanchez Cantina

Kødbyens Fiskebar

Geranium***

Kadeau**

Bæst

 

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