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Vulkan und Pluto – Das Gestein der Götter

Weinberge rund um die Welt sind nicht selten von vulkanischen Böden geprägt. Oft, wie im Fall des Ätnas oder von Teneriffa, ist die Entstehung dieser Böden klar erkennbar; denn der Vulkan ist sichtbar oder sogar noch aktiv. In den meisten Fällen aber findet man vulkanisches Gestein in Gegenden, in denen die vulkanische Tätigkeit bereits vor Jahrmillionen endete oder wo sich Landmassen so verschoben haben, dass vulkanisches Gestein irgendwann an die Erdoberfläche gelangte. Bei diesem Gestein unterscheidet man zwischen plutonischem und vulkanischem Gestein.

Das plutonische Gestein – benannt nach Pluto, dem griechischen Gott der Unterwelt und der Erdtiefe – entstand einst in großer Tiefe, es ist also ein Gestein, das bereits im Erdinneren erstarrt war. Das vulkanische Gestein – benannt nach Vulcanus, dem römischen Gott des Feuers und der Schmiede – ist ein Ergussgestein, das beim Ausbruch eines Vulkans entstand. Um welche Gesteinseigenschaften geht es sich da, und was macht ihre Unterschiede aus? (Link zum Artikel: Tanz auf dem Vulkan – Weinbau auf La Palma und am Ätna)

Diorit geprägtes Weinbaugebiet
Im Vordergrund liegen die Lagen der Cru Gemeinde „Fleurie“ im Beaujolais. Im Hintergrund ist der Mont Brouilly und die dazugehörigen Cru Lagen der „Côtes de Brouiily“ zu sehen, die u.a. durch plutonisches vulkanisches Auswurfgestein Namens Diorit geprägt sind, diese Steine werden auch „Les Rôche Bleues“ genannt.

Le Haut-Planty und der Gabbro

Schaut man über die weite Ebene der Weinberge im französischen Gebiet Muscadet de Sèvre et Main, würde man kaum auf die Idee kommen, dass es dort je vulkanische Tätigkeit gegeben habe. Die hat es auch nicht gegeben, zumindest nicht an der Erdoberfläche. Und doch findet man im Muscadet-Gebiet vulkanisches Gestein neben einer großen Anzahl anderer Gesteinssorten wie Gneiss, Schiefer, Löss, Lehm und Sande.  Die vulkanischen Böden an der unteren Loire bestehen aus Granit und Gabbro. Im Weingut Le Haut-Planty sind es dann auch genau diese beiden Gesteine, die für besondere Merkmale in Weinen wie dem One Way Ticket oder dem Les Yonnières Vieilles Vignes sorgen.

Alain von Gaec de Haut Planty mit Gabbro

Beide sind Weine aus der dort typischen Rebsorte Melon de Bourgogne. Aber in den zwei Weinbergen, aus denen die Weine stammen, kommt das Vulkangestein nicht reinsortig vor, sondern ist mit Schiefer, Lehm und Schluff gemischt. Und doch spürt man bei beiden Weinen eine besondere Spannung, die mit den Eigenschaften des plutonischen Gesteins zu tun hat. Denn Gabbro und Granit sind eben jene schon tief unter der Erdoberfläche erkalteten Gesteine, die zu großen Teilen aus Feldspat, Quarz und Glimmer entstanden sind und über recht viel Kieselsäure verfügen. Da das Gestein moderat sauer ist, verfügt der Wein später gleichfalls über eine moderate Säure; denn der Boden hat einen mittleren pH-Wert:

Grafik Säure im Wein
Grafik Säure im Wein

Doch auch wenn die Säure in Weinen, die von Quarz, Granit und Gabbro geprägt sind, geringer ist als beispielsweise in jenen von Schiefer, Basalt und vor allem von Kreide und Kalkstein geprägten Weinen, so besitzen sie doch in Verbindung mit dem hohen Mineralgehalt des Gesteins eine beeindruckende Spannung und zeigen eine Nervosität, die oft auch als Mineralität bezeichnet wird. Es ist fast so, als würde man die Zunge kurz an einen Batterieblock halten, so lebendig ist die gesamte Säurestruktur dieser Weine aus dem Muscadet.

Mullineux Wines - Decomposed Granite
(Mullineux-Website: Through tectonic collisions and of the continents some millions of years ago, the shale based soils found in the Malmesbury area were infused by Magma, from deep within the earth. It rose along the continental fault line into the thick shale deposit, and slowly cooled and crystalized into the granite rocks and hills we see exposed today.)

Diese besondere Form der vom plutonischen Gestein stammenden Mineralität findet man bei uns noch in einigen anderen Weinen. Bekannt dafür sind natürlich die roten Granit-Weine von Mullineux aus Südafrika und die weißen Granit-Alvarinhos aus dem Norden Portugals von der Quinta de Soalheiro. Auch die Rias Baixas, die auf der spanischen Seite das portugiesische Minho fortsetzen, verfügen über den gleichen Granit-Typ. Man findet diese fantastische mineralische Spannung sowohl in den Albariños als auch in den seltenen roten Rebsorten von Forjas del Salnés.

Gramercy Cellars und der Basalt

Washington State hingegen, diese spektakuläre Landschaft an der oberen Westküste der USA, die bereits an Kanada grenzt, ist von einem ganz anderen Vulkanboden geprägt. Dort ist es nicht das plutonische, sondern das vulkanische Gestein, dass den Untergrund der Weinberge prägt. Mehrfach hat sich im Laufe der Zeit eine gigantische Menge an Magma über die die gesamte Ebene ergossen, und noch heute befindet sich dort eine riesige Magmakammer, die unter anderem drei der aktivsten und gefährlichsten Vulkane weltweit speist. Man geht von 12.800 Kubikkilometern aus, die sich irgendwann Bahn brechen könnten über den Mount Rainier, den Mount Adams oder den Mount St. Helens. Tatsächlich würde bei einem Ausbruch dieser Menge, die unterirdisch dreimal so viel Fläche einnimmt wie das Saarland, innerhalb kürzester Zeit nicht nur der gesamte Weinbau im Staate Washington vernichtet werden, sondern sie würde auch Seattle, der Metropole der Region, gefährlich nahe kommen; denn Seattle liegt im Tal des Mount Rainier. Wie katastrophal ein dortiger Vulkanausbruch sein könnte, hat der Ausbruch des Mount St. Helens im Jahr 1980 gezeigt. Es war einer der gewaltigsten Ausbrüche der jüngeren Geschichte.

Gramercy Boden
Querschnitt des durch Vulkanausbrüche geformten und durch die gigantischen Flutwellen der Missoula-Fluten erodierten Bodens in Washington.

Abgesehen von den seismischen Aktivitäten der Gegend interessieren uns natürlich die Auswirkungen des älteren Magma-Gesteins auf den Weinbau im Staate Washington. Und die sind schon von besonderer Art; denn zunächst hat sich vor 17 bis 14 Millionen Jahren die sogenannte Columbia River Basalt Group geformt. Diese ist eine riesige Basaltplatte von rund 163.000 km2 mit einem Volumen von 174.300 km3, das im Untergrund von Columbia, Washington, Oregon und Idaho liegt und durch unzählige Vulkanausbrüche geformt wurde. Später wurde das Gestein durch immer wiederkehrende gigantische Flutwellen, die Missoula-Fluten, verformt und erodiert. Diese Fluten entstanden durch den Abfluss von Eiszeit-Seen, die mehr als 50-mal die gesamte Ebene des pazifischen Nordwestens der USA überflutet haben. Und Überflutung heißt, dass Flutwellen von ca. 90 Metern Höhe mit rund 130 Stundenkilometern über rund 2000 Jahre hindurch immer wieder die gesamte Landschaft verändert haben. Verformungen und auch Ablagerungen sieht man beispielsweise in der Wallula Gap oder der Columbia River Gorge, wo einer der spannendsten Weinbaubetriebe der USA Weinberge besitzt. Es ist das Weingut von Greg Harrington, das er 2005 gegründet hat. Greg ist einer der Überflieger in der amerikanischen Weinszene.

Gramercy Greg Harrington MS
Greg Harrington von Gramercy ist jüngster Master Sommelier aller Zeiten

Er ist bereits mit 26 Jahren Mastersommelier geworden – so früh wie niemand sonst bisher. Als solcher hat er in einigen der besten Restaurants der USA gearbeitet. 2004 war er zusammen mit seiner Frau Pam bei einer Verkostung der Walla Walla Valley Wine Association, um dort Weine aus Washington State zu bewerten. Die beiden, die sich eigentlich europäischen Weinen verschrieben hatten, waren geradezu elektrisiert. Bereits ein Jahr später hatten sie ihr Weingut Gramercy Cellars gegründet, uns schon 2008 erhielten sie die Auszeichnung Best New Winemaker in Washington und Best New Winery.

Was die Weine auszeichnet, ist zum einen das extreme Klima; denn die Weinberge liegen in wüstenähnlichen Gebieten mit hohen Tag- und kühlen Nachttemperaturen, die auf einzigartige Weise für immense Frucht, für Körper und gleichzeitig für Frische sorgen. Doch auch hier ist es wieder der Boden, der für die besondere Würze sorgt, und zwar vor allem der Basalt. Er ist das vulkanische Gegenstück zum Gabbro und verfügt über hohe Anteile an Feldspat und Quarzit, jedoch auch an Kalk und Soda. Das macht den Boden basisch, der Wein, der dort entsteht, verfügt über ein druckvolles Säuregerüst mit wiederum sehr lebendiger und vibrierender mineralischer Spannung. Davon profitiert bei Greg in besonderem Maße der Syrah, der für uns zum Besten gehört, was es jenseits der Nord-Rhône weltweit gibt.

Hanzell Vineyards Soil
Hanzell Vineyards – Der Boden des vulkanisch beeinflussten Red Hill

Wer von vulkanisch geprägten US-Weinen nicht genug bekommen kann, dem seien einige andere Weine empfohlen, zum Beispiel aus dem Portfolio von Arnot-Roberts und den Hanzell Cellars. Gerade deren Chardonnays und Pinots wurzeln teils sehr tief in vulkanischem Gestein. Beim Vulkan und beim Pluto, das schmeckt man. Probiert es aus!

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