Die Gourmets auf dem Globus sind in Unruhe. Starkoch René Redzepi hat angekündigt, sein mehrfach als weltbestes ausgezeichnetes Restaurant nächstes Jahr zu schließen. Seitdem wird hitzig über das Ende des Fine-Dining diskutiert.
Ein Gourmettempel verändert die Weinwelt
Das Noma hatte großen Einfluss auf die internationale Spitzenküche in den letzten Jahren. Der Gourmettempel in Kopenhagen veränderte aber auch Weinkarten auf der ganzen Welt. Als eines der ersten Restaurants nahmen die Chef Sommeliers dort Gewächse auf die Karte, die bisher kaum eine Rolle in Sternerestaurants spielten. Die Gäste entdeckten plötzlich Weine aus Deutschland, von der Loire und aus den Alpen im Glas. Und das in einer Zeit, in der mächtige Super Tuscans, Bordeaux und Napa Cab das Bild von „gutem Rotwein“ prägten.
n den meisten Restaurants stießen Sommeliers mit der Empfehlung leichter Rotweine reihenweiße auf Unverständnis von Gästen mit einer festen Vorstellung davon, wie ein Wein zu sein hat. Dass diese eine bessere Trinkbarkeit haben und auch viel schöner in der Speisebegleitung sind, spielte keine Rolle. Die Zeit und die Menschen waren noch nicht reif. Welch eine Ironie, dass jetzt, wo die Mehrheit leichte Rotweine endlich schätzt, das Noma schließt. Womöglich ist das das wichtigste Vermächtnis Redzepis für die Weinwelt!
Trinkspaß muss sein
Wein am Limit hat schon lange um den Genusswert leichterer Rotweine gewusst und deshalb auch ganz fabelhafte Tropfen im Sortiment. Natürlich haben wir auch schwere und üppige Rote. Es gibt Regionen, die den Weinen mehr Farbe, Power und Alkohol mitgeben. Eben Sadies Columella ist ein gutes Beispiel hierfür, ebenso die Weine von Montepeloso. Beide Winemaker verstehen es durch geschicktes Blending ihre Weine so zu vinifizieren, dass der Trinkspaß nicht leidet, sondern gesteigert wird.
Eben Sadie gelingt es durch geschicktes Blending seine Weine trotz hohen Alkoholgehaltes leicht wirken zu lassen.
Leichtigkeit ist schwer
Bei Matthiasson begegnet man dieser Herausforderungen durch bis zu drei Lesegängen pro Weinberg. Die Trauben aus dem Ersten bringen frische Säure, die aus dem Zweiten liefern auf den Punkt reifes Material und der letzte Durchgang bringt exotische Noten mit in den Wein. Die Kunst ist, nicht nur den jeweils perfekten Zeitpunkt zu treffen, sondern auch die Anteile richtig hinzukriegen.
In der spanischen Sierra de Gredos gehen Curro und Dani nochmal einen anderen Weg. Sie trauen sich früher und händisch zu lesen (um keine spätgelesenen Rosinen zu ernten) und gegebenenfalls des Nachts, um deutlich mehr Frische zu erhalten. Die beiden achten auch penibel darauf, durch kürzere Mazeration ihren Weinen nur ein Mindestmaß an Farb- und Bitterstoffen mitzugeben. In der Folge sind ihre Weine ungewöhnlich hell, frisch und von betörender Duftigkeit. Ihre Arbeit ähnelt mehr der eines Teezeremonienmeisters.
Dani Landi beherrscht das Timing der Maischestandzeiten perfekt und bringt so Leichtigkeit und Kühle in den Wein.
Diese Besinnung auf das eigentliche Handwerk ist typisch für die wichtigsten Entwicklungen in der Weinwelt. Authentizität und Herkunft werden immer wichtiger bei der Kaufentscheidung, auch wenn eine Marke sich immer noch am besten verkauft. Gegen Oberflächlichkeit und Zeitgeistimpact helfen in der großen Masse auch die besten Argumente nicht.
Wir trinken anders
Ein weiterer Aspekt, für das geänderte Trinkverhalten spricht ist, dass nicht nur immer weniger, sondern auch immer bewusster getrunken wird. Der Trend geht weg vom „Dry january“ hin zum „damp lifestyle“, also nicht mehr phasenweise nichts trinken, sondern dauerhaft deutlich weniger. Was eignet sich hier besser als unsere geliebten Rotweine aus kühleren an der Küste oder höher gelegenen Regionen mit ihren geringeren Alkoholwerten? Sich eine solche Flasche zu teilen, ist in den seltensten Fällen mit Reuegefühlen am nächsten Tag verbunden. Wir sehnen uns nach den drei Jahren Corona mehr denn je nach Geselligkeit, menschlicher Wärme und diesem Gefühl, das die Dänen so trefflich mit „Hygge“ bezeichnen.
Der leichte Stil von Ochota Barrels passt hervorragend zu einer Vielzahl von Gerichten, hier zur Pekingente.
Die Leichtigkeit des Weins
Die alten Konzepte und Weisheiten, die für Rotweine galten, funktionieren nicht mehr. Zu viel ändert sich. Die Zeit der Oechslejäger, für die Reife über alles geht, ist vorbei. Herkunft, Handwerk und Authentizität sind viel interessanter. Das sieht man nicht zuletzt in Bewertungen der großen Kritiker. Selbstverständlich hat jeder Verkoster seine Vorlieben und favorisiert einen eigenen Stil, aber dieser leichte, elegante und frische Stil scheint sich auch hier immer mehr durchzusetzen. Die berühmten Punkte zeigen es. Ein Blick hinter den Horizont lohnt sich.
„Menschen mit einer neuen Idee gelten so lange als Spinner, bis sich die Sache durchgesetzt hat.“
Mark Twain
