Umami
Die deutsche Sprache hat eine unvergleichliche Fähigkeit, bei Bedarf kurze und prägnante neue Wörter zu schaffen. Kindergarten gilt als Klassiker, Zeitgeist oder Zukunftsangst sind neuere Beispiele. Für „so wohlschmeckend fleischig, dass einem immer mehr Wasser im Munde zusammenläuft“ oder „salzig-köstlich, man kann kaum aufhören, zu essen“ ist’s aber bislang eher Essig mit der prägnanten Vokabel. Da muss dann halt ein japanisches Lehnwort herhalten: Umami. Das bedeutet eben genau das gerade Umschriebene und erfunden hat’s – nein, nicht die Schweizer – sondern ein japanischer Chemiker namens Kikunae Ikeda.
Umami ist – neben süß, sauer, salzig und bitter – der fünfte menschliche Geschmackssinn. Annähernd könnte man sagen, er umfasst herzhaft-würzige Geschmackseindrücke. Wenn Steak und Burger besonders gut schmecken, dann beruht das auf UMAMI. Aber auch der Parmesan und die Rinderbrühe verdanken ihren Wohlgeschmack diesem fünften gustatorischen Sinn. Und genau, wie der Sinn für Süße bei der Suche nach Kohlenhydraten hilft, und der für Salziges nach Mineralstoffen, ist auch der Kern des Umami-Sinns eine wichtige evolutionäre Funktion: Er hilft uns Menschen auf der Suche nach proteinhaltiger Nahrung.
So unklar die Beschreibung des eigentlichen Geschmackseindrucks ist, so klar ist seine Ursache. Die Ionen zweier Aminosäuren sind es, die ihn hervorrufen: Glutamat und Aspartat. Ja, genau: Eben das Glutamat, dessen Ansehen innerhalb der Foodie-Welt irgendwo zwischen Heroin und Crack angesiedelt ist, finden wir instinktiv total lecker. Dabei genießt Glutamat seinen schlechten Ruf in weiten Teilen ohnehin völlig zu Unrecht und ist auch nicht die Ursache für das berüchtigte China-Restaurant-Syndrom. Aber das ist nochmal ein ganz anderer Schnack.
In Zusammenhang mit Wein ist das Glutamat allerdings tatsächlich nicht ganz unkritisch. Weil es nämlich auch andere gustatorische Sinneswahrnehmungen verstärkt. Sowohl Salziges als auch Saures und Bitteres wird bei Anwesenheit von Glutamat deutlich stärker wahrgenommen. Gerade die Bitterkeit wird dann bei tanninreichen Weinen schnell zum Problem. Das ist der Grund dafür, warum viele Rotweine mit Käse – fast immer eine Glutamat-Bombe, je reifer, desto bombiger – oft so gar nicht funktioniert.
Der Rezeptor für Umami wurde übrigens erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts auf der Zunge identifiziert. Bis dahin war die These vom Umami als 5. gustatorischen Eindruck durchaus umstritten. Kikunae Ikeda, der ihn schon zu Anfang des Jahrhunderts postuliert und das Glutamat als Auslöser identifiziert hatte, hat sich von der Skepsis nicht beeindrucken lassen. Er hat damals stattdessen eine Methode zur Synthese des Glutamats entwickelt und zusammen mit einem Partner eine Firma gegründet, deren Produkt – eben Glutamat – man noch heute in jedem Asiastore findet: Ajinomoto.
Übrigens: nachdem man vor wenigen Jahren auch dafür entsprechende Rezeptoren auf der Zunge identifiziert hat, wird diskutiert, die Riege der menschlichen Geschmackssinne um einen sechsten Punkt – für Fett beziehungsweise Fettiges – zu erweitern. Aber auch das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte …