Tannat
Man sagt dem roten, vor allem im französischen Südwesten verbreiteten Tannat zuweilen nach, die männlichste aller roten Rebsorten zu sein. Aber selbst, wenn man solche, auf Geschlechterstereotypen basierende Zuordnungen für albern hält, kommt man nicht umhin zuzugeben: Der Tannat ist eine ziemliche Kante. Viel Farbe, noch mehr Tannin, in jungen Jahren sperrig bis hin zur Unzugänglichkeit. Tannat, das ist so ziemlich das exakte Gegenteil eines Crowd-Pleasers.
Die Homebase des kantigen Südwestfranzosen ist das Madiran, wo er im Jahr 1783 erstmals urkundlich erwähnt wird. Schon der Name verweist auf die ausgesprochen dunkle Farbe der Sorte, andere deuten ihn als Hinweis auf die ebenfalls im Überfluss vorhandenen Tannine. Sein Ursprung ist nicht einhunderprozentig sicher, DNA-Untersuchungen belegen aber eine Eltern-/Nachkommenbeziehung zur ebenfalls im Südwesten verbreiteten Sorte Manseng Noir. Wobei, wie so oft, noch nicht geklärt ist, wer der Elternteil und wer Nachkomme ist.
Die Sorte ist mittelfrüh reifend und gilt als empfindlich für den Befall durch Milben und/oder Zikaden. Sie bildet große Trauben mit kompakten, kleinen Beeren. Das macht sie einerseits anfällig für Botrytis, sorgt durch die kleinen Beeren – und den damit verbundenen relativ hohen Anteil an Schalen – aber auch für die fast verschwenderische Menge an Farbe und Tannin. Folgerichtig zeichnet sich Tannat auch durch einen bemerkenswert hohen Gehalt der wichtigen Antioxydanzien Resveratrol und Cyanidin aus. Was manche Wissenschaftler dazu bringt, den Tannat als „gesündesten Rotwein überhaupt“ zu bezeichnen.
Der große Haufen an Tannin sorgt allerdings auch für eine Menge Adstringenz – mit entsprechender Wirkung am Gaumen. Konzentriertere Madirans wirken dort in jungen Jahen zuweilen ähnlich freudlos wie ein über mehrere Stunden ausgekochter und einreduzierter schwarzer Tee. Weshalb insbesondere die gehobenen Qualitäten nach der Füllung die ein oder anderen Jahrzehnte zusätzlicher Reife auf der Flasche benötigen, um wirklichen Charme zu entwickeln. Mit modernen Kellertechniken wie der Mikrooxigenation – die nicht zufällig in der Tannat-Homebase Madiran entwickelt wurde – wird versucht, die Weine früher zugänglich zu machen. Wird die Frucht ausnahmsweise einmal nicht von dicken Phenolschichten überdeckt, kann der Tannat aber ein ausgesprochen feines Himbeeraroma entwickeln.
Neben dem französischen Südwesten finden sich kleine und kleinste Tannat Bestände auch in weiteren europäischen Ländern (Italien, Portugal, Schweiz vor allem). Die größten Anbauflächen außerhalb von Frankreich liegen aber jenseits des Atlantiks in Südamerika. Hier sind es vor allem Uruguay mit 1.725 und Argentinien mit 837 Hektar (Stand 2016), in denen in beträchtlichem Umfang Tannat angebaut wird. Mit knapp über 5.600 Hektar Anbaufläche weltweit verpasst die Sorte auf Platz 105 trotzdem knapp die Top 100 der Welt-Rebsorten Charts.