Einzelpfahlerziehung a.k.a. Stockkultur
Bei der Einzelpfahlerziehung (a.k.a. Stockkultur) spielt der Winzer mit seiner Weinrebe Cowboy und Indianer: er bindet sie nämlich wie an einem Marterpfahl an. Denn genau wie Erbsen, Bohnen und Kürbis sind die Reben Kletterpflanzen. Sie bildet Lianen, also lange Triebe, die stets auf der Suche nach geeigneten Gegenständen sind, um an ihnen senkrecht nach oben zu wachsen. In der freien Natur sind das meist andere Pflanzen, wie beispielsweise Bäume. Da die sich heutzutage so gut wie nie im Wingert finden (mittlerweile wird es aber wieder; denn Agroforesting ist eine der neuen Maßnahmen in Bezug auf den Klimawandel), schafft der Winzer Ersatz in Form von Holzpfählen. Für jede einzelne Rebe – nomen est omen – gibt’s einen eigenen Pfahl.
Die Methode ist eines der ältesten Erziehungssysteme für Weinreben überhaupt. Schon im 1. Jahrhundert nutzten die Römer sie beim Weinbau an der Mosel. Der verholzte ältere Teil der Rebe wird meist fest an den Pfahl gebunden, die von den zweijährigen Trieben – den sogenannten Ruten – ausgehenden neu wachsenden Triebe werden regelmässig am oberen Teil des Pfahls befestigt beziehungsweise geheftet, wie das die Winzer nennen.
Die genaue Ausprägung dieser Art der Reberziehung – beispielsweise die Anzahl der Rebstöcke pro Hektar, deren Höhe oder auch die Art des Rebschnitts kann je nach klimatischen und topologischen Gegebenheiten stark variieren. Ursprünglich war eine eher dichte Bepflanzung zwischen 8.000 und 10.000 Stöcken an niedrigen Pfählen üblich. Bodenfrost und vom Boden übertragene Rebkrankheiten haben aber dafür gesorgt, dass in den nördlicher gelegenen Weinbaugebieten heute weniger Rebstöcke an höheren Pfählen wachsen.
So oder so ist die Einzelpfahlerziehung aber insgesamt selten geworden. Für die heute übliche maschinenunterstützte Weinbergsarbeit ist sie einfach zu schlecht geeignet. Statt der nur auf die Vertikale setzenden Einzelpfähle haben sich horizontal orientierte Systeme mit gespannten Drähten weitgehend durchgesetzt. Aber die sogenannte Drahtrahmen- oder Spaliererziehung ist nochmal ein ganz anderer Schnack – und hat deshalb hier auch einen eigenen Eintrag.
Nur in Gebieten mit terrassierten Steillagen – wie an Mosel, Mittelrhein und Ahr – sind heute noch in nennenswertem Umfang Rebanlagen in Einzelpfahlerziehung zu finden. Die Moselpfahlerziehung mit ihren zwei langen, pittoresk in Herzform auf dem Pfahl gebundenen zweijährigen Ruten ist dort vor allem in Steilstlagen immer noch anzutreffen. Bei besonders traditionell arbeitenden Winzern sogar in Verwendung mit dem althergebrachten natürlichen Bindematerial – dünnen, gewässerten Weidenruten, die von eigens dafür in den Nebentälern gepflanzten Weiden geschnitten werden.