Eiswein
Eiswein ist ein durch ein natürliches Konzentrationsverfahren hergestellter Süßwein. Im Prinzip ist er eine Wette des Winzers auf einen harten Winter; denn fällt der zu mild aus, wird Essig aus den Eisweinplänen. Reden wir also besser davon, was passiert, wenn der Plan funktioniert: Dann entsteht nämlich ein Weinaroma-Superkonzentrat, ähnlich wie bei Beeren- oder Trockenbeerenauslesen mit Botrytis – und doch ganz anders.
Beim Befall mit dem Schimmelpilz Botrytis trocknen die Beeren langsam am Stock von innen aus. Teile des Wassers verdunsten, Zucker und Aromen reichern sich in der Beere an. Beim Eiswein wird die Konzentration dadurch erreicht, dass die Trauben bis in den Winter hinein am Stock hängen, und zwar so lange, bis die Nächte kalt genug sind, um das Wasser in ihnen gefrieren zu lassen. Mindestens fünf Stunden lang knackig kalte minus 7 °C oder kälter fordert das Weingesetz. Erst danach dürfen Trauben für einen Eiswein gelesen werden. Danach heißt’s dann, so schnell wie möglich in die Kelter; denn die Trauben müssen noch in gefrorenem Zustand gepresst werden. So bleibt ein Großteil des Wassers als Eis zurück. Der Zucker und die Fruchtsäuren landen dagegen im stark konzentrierten Most. Der muss mindestens das Mostgewicht einer Beerenauslese haben. Je nach Anbaugebiet sind das zwischen 260 und 300 Gramm Zucker pro Liter Most. Weil bei ihm Botrytis keine Rolle spielt, fehlen auch deren typische Safran-, Gewürz- und Honig-Aromen. Ein guter Eiswein aus gesundem Lesematerial ist deshalb deutlich frischer und fruchtiger als seine edelfaulen Kollegen.
Eine Frage liegt nahe: Wenn der Konzentrationseffekt einzig und allein auf Kälte beruht, warum packt man die Trauben dann nicht einfach in den Tiefkühler? Die einfache Antwort darauf lautet: Weil’s verboten ist, jedenfalls zur Herstellung von Eiswein in Deutschland, Kanada und den USA. In Neuseeland dagegen wird genau das gemacht. Kryoextraktion heißt das Verfahren. Das Ergebnis hat mit echtem Eiswein dann ungefähr so viel zu tun wie der Analogkäse auf der TK-Pizza mit echtem Büffelmozzarella. Aber auch im französischen Süßweingebiet Sauternes wird diese Technik in manchen Gütern genutzt, um die Weine in schlechten Jahren doch noch auf für Sauternes typische Mostgewichte zu pimpen.
Eigentlich gilt Eiswein als eine Spezialität aus Deutschland und Österreich. In Deutschland wurde der erste Eiswein schon 1830 gelesen. Seit 1975 wird aber auch in Kanada Eiswein hergestellt. Auch in den US-Bundesstaaten Oregon und Michigan werden Eisweine gekeltert. Wie lange er in Deutschland noch produziert werden kann, ist nicht sicher. In den letzten Jahren haben immer öfter Winzer wegen des Klimawandels ihre Wette auf einen harten Winter verloren.