Flurbereinigung
Mit dem, was die Putzperle mit Hilfe von Feudel und Staubsauger in der heimischen Wohnung anstellt, hat die Flurbereinigung nichts zu tun. Hinter dem Begriff verbirgt sich vielmehr ein Programm, das mit dem Inkrafttreten des FlurbG (a.k.a. Flurbereinigungsgesetz) im Jahr 1953 die deutsche Landwirtschaft im Allgemeinen und den deutschen Weinbau im Besonderen so tiefgreifend verändert hat, wie vermutlich wenig zuvor. Ziel war es, die zuvor nicht selten aufgrund von Generationen von Erbteilung (a.k.a. Realteilung) extrem klein parzellierten Flächen zu größeren, maschinell besser zu bewirtschaftenden Flächen zusammenzufassen, Steilstlagen durch Terrassierung für Maschinen zu öffnen und zudem zwischen den neu entstandenen, größeren Flächen Wirtschaftswege für einen verbesserten und sichereren Zugang auch mit Fahrzeugen anzulegen.
Was sich zuerst einmal alles anhört wie eine verdammt gute Idee. Und es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die deutschen Weinbaugebiete nach den Flurbereinigungen deutlich einfacher – und damit auch günstiger – zu bewirtschaften waren. Und auch die Winzer selbst haben profitiert, nicht nur durch angenehmere Arbeitsbedingungen, sondern vor allem auch durch sicherere. Die Arbeit in nicht wenigen Fluren war vor der Bereinigung eine zuweilen buchstäblich lebensgefährliche Angelegenheit.
Aber wo viel Licht ist, da ist natürlich auch Schatten. Angefangen mit der Ästhetik. Die wildromantischen Weinberge mit einer Unzahl kleiner und kleinster Parzellen sind großen, uniformen – und tendenziell eher langweiligen – Anlagen gewichen. Die zudem aufgrund mangelnder Variabilität in der Bepflanzung oft unter den typischen Problemen einer Monokultur – wie beispielsweise der erhöhten Anfälligkeit für Schädlingsfall – leiden.
Der vielleicht größte Verlust der Flurbereinigung ist aber sicherlich das radikale Zusammenstreichen der einst über 30.000 Klein- und Kleinstlagen (a.k.a. Gewanne) auf eine amtlich abgesegnete Liste von rund 3.000 Lagen. Viel wurde da zusammengefasst, was vielleicht nebeneinander lag – aber deswegen noch lange nicht zusammen gehörte. Unterschiedliche Bodenstrukturen, unterschiedliche Mikroklimata, unterschiedliches Terroir – kurzum feinste Differenzierungen, fast wie bei den burgundischen Lagen, gingen verloren. Und durften auch bis zum Jahr 2014 nicht auf dem Etikett vermerkt werden. Erst dann hatten Weinproduzenten wieder die Möglichkeit historisch bedeutsame Gewanne – wie beispielsweise die legendäre Abtserde innerhalb des Westhofener Brunnenhäuschens als Katasterlage registrieren zu lassen und auch ohne Wortspielverrenkungen auf dem Etikett zu vermerken. Ein erfreulicher Rückgewinn an Weinkultur und Geschichte.