Trinkfenster
Mit Trinkfenster bezeichnet man den Zeitraum, in dem ein Wein das optimale Trinkvergnügen bietet. Manche Weine – wie beispielsweise klassisch vinifizierte Spitzen-Bordeaux – brauchen eine gewisse Zeit, um sich vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan zu entwickeln. Dann öffnet sich ihr Trinkfenster. Wann es sich öffnet und wie lange es offen bleibt, lässt sich pauschal nicht sagen. Das ist abhängig von vielen unterschiedlichen Faktoren. Wie Jahrgang, Rebsorte beziehungsweise der Zusammensetzung der Cuvée oder Art der Vinifizierung., um nur die wichtigsten zu nennen. Auch die Umstände der Lagerung, die Größe der Flasche und die Korkenqualität üben einen enormen Einfluss aus.
Eines ist aber sicher: Dass sich das Fenster irgendwann wieder schließt. Denn Weine sind ebenso wenig unsterblich wie Menschen. Der vielleicht größte Weinmythos überhaupt – nämlich der, dass praktisch jeder Wein mit zunehmendem Alter immer besser wird – ist gleichzeitig auch der falscheste. Nur ein kleinerer Prozentsatz der jährlichen Weinproduktion braucht überhaupt eine längere Zeit zur Reife nach der Füllung. Und von diesem wiederum hat nur ein verschwindend geringer Anteil das Zeug, um über mehrere Jahrzehnte zuzulegen – oder auch nur sein Niveau zu halten.
Mit der Angabe eines Trinkfensters versuchen Weinhändler und -Kritiker dem Weinfreund eine Hilfe an die Hand zu geben, ab wann denn tatsächlich der Mörderstoff in der Flasche steckt, der ihm beim Kauf angepriesen wurde. Klar muss sein: Es handelt sich dabei um eine Prognose. Die beruht zwar in aller Regel auf sehr viel Erfahrung, sie ist aber – Stichwort Lagerbedingungen und Korkschwankungen – auch von so vielen Faktoren nach dem Kauf abhängig, dass es sich nur um eine Schätzung handeln kann.
Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass dieses Trinkfenster natürlich auch extrem subjektiv geprägt ist. Ein nahezu ausschließlich von Tertiäraromen geprägter Wein beispielsweise kann, je nach persönlicher Vorliebe des Trinkenden, sowohl als freudlos und praktisch untrinkbar als auch als vinologische Offenbarung wahrgenommen werden.