Tempranillo
Tempranillo, das ist alter, spanischer Reben-Adel. Vielleicht ist das die beste Kurzusammenfassung, die man zur inzwischen meistangebauten roten Rebsorte Spaniens geben kann. Von der Anbaufläche wird er dort nur von der weißen Airén übertroffen. Genau wie die liefert er amtlich. Aber nicht Unmengen belanglose Massenware, vor allem gedacht zur Destillation von Osborne, Veterano & Co. wie die weiße Konkurrentin. Sondern echte, zuweilen sogar herausragende Qualität. Einige der legendärsten und teuersten Weine Spaniens haben den Tempranillo als Hauptbestandteil in ihren Cuvées.
Es heißt auch: Tempranillo, das ist dem Spanier sein Cabernet. Und da ist viel Wahres dran. Denn genau, wie sein französischer Nachbar können aus ihm Weine mit hohem und höchsten Alterungspotential entstehen. Jedenfalls bei strenger Ertragsbeschränkung und Ausbau im Barrique. Reinsortig liefert er – genau wie der Cabernet – Weine voller Tiefe, Komplexität und Struktur. Mit oft moderater Säure, dafür aber mit Farbe und ordentlich Tannin. Die Frucht variiert je nach Anbaugebiet. Die Faustregel lautet hier: je heißer, desto Pflaume und Gewürz! In kühleren Regionen sind Beerenfrüchte, rote Johannisbeere oder Kirsche typischer. Mit zunehmender Flaschenreife kommt dann vermehrt Tabak, Leder und Röststoffiges dazu.
Wörtlich übersetzt bedeutet Tempranillo der kleine Frühe. Kleinere Beeren, frühere Reife – jedenfalls im Vergleich zur Garnacha (a.k.a. Grenache), mit der er oft zusammen verschnitten wird. Wie beim Rioja zum Beispiel, bei dem die beiden die Hauptrebsorten im Mix stellen. Pinot-Rebe, Zisterzienser, Jakobsweg – das waren lange die Stichworte zur vermuteten Tempranillo-Herkunft. Seit DNA-Untersuchungen von 2012 weiß man: das hörte sich zwar prima an – war aber trotzdem Quatsch. In Wahrheit ist er das Ergebnis einer natürlichen Kreuzung der urspanischen weißen Sorte Albillo Mayor mit dem roten Benedicto.
Seine große Verbreitung auf der iberischen Halbinsel sorgt auch für eine ebenso große Menge an Synonymen. In Ribera del Duero heißt der Tempranillo auch Tinto Fino, andere Namen sind Cencibel (Valdepeñas, Almansa) oder Ojo de Liebre (Penedès). In Portugal heißt er Aragonez oder Tinta Roriz (Douro, Dão) und ist zentraler Bestandteil des Portweins. Weltweit sind über 230.000 Hektar mit Tempranillo bestockt, womit er einen Platz auf dem Treppchen für die Top-3 nur denkbar knapp verpasst. Schaut man sich aber die Tendenz der letzten Jahre an, so scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis er der Airén die Bronzemedaille abgenommen haben wird. In Spanien wäre er dann auch von der Fläche dort, wo er nach Ansicht vieler Fans qualitativ ohnehin längst steht: auf Platz Nummer eins.