Vorklärung a.k.a. Entschleimen
Nicht nur Monty Python liebt die wunderbare Welt der Schwerkraft – das tut auch der Kellermeister, insbesondere zur Lesezeit. Denn die hilft ihm bei seiner allersten Maßnahme, nachdem der Saft der Trauben die Kelter verlassen hat: der Vorklärung. Die ist Fachleuten auch bekannt unter dem Begriff Entschleimen. In der Kommunikation mit dem Endkunden taucht der Begriff allerdings eher selten auf. Logisch – Vorklären, da schwingt maximale Reinheit und strahlender Glanz mit. Entschleimen dagegen – mal ehrlich: Wer trinkt schon gern etwas, das vorher schleimig war?
Ganz frisch gepresst ist so ein Most eine ziemlich trübe Angelegenheit. Da schwimmt jede Menge Zeugs drin – und nicht alles davon ist der Gärung und dem Geschmack so zuträglich wie die Aspirin dem Wohlbefinden am Morgen nach der Weihnachtsfeier. Um die Teile von Schalen, Rappen oder Kernen, Fruchtfleisch, Pflanzenschutzreste und andere unerwünschte Inhaltsstoffe vom Most zu trennen, setzt der Kellermeister auf die Sedimentation. Was in der Praxis das Absetzen dieser Stoffe am Boden eines Tanks durch die Schwerkraft bedeutet. Meist lässt er den Most dazu über Nacht stehen, wenigstens aber mehrere Stunden. Je nach Umgebungstemperatur wird er dabei gekühlt, um einen vorzeitigen Start der Gärung zu verhindern.
Man kann Vorklärung auch durch Filtration oder Zentrifuge beschleunigen oder verstärken – aber das ist ein durchaus zweischneidiges Schwert. Einerseits verhindert oder minimiert die Technik zwar die Gefahr von Weinfehlern wie beispielsweise dem Schwefelböckser, übertreibt man es andererseits, fehlt es dem fertigen Wein schnell an Charme und Tiefe. Sie wirken dann ähnlich Botox: Perfekt und ohne Makel zwar – aber seltsam leb- und charakterlos – irgendwie künstlich eben. Auch für die Gärung ist eine zu scharfe Vorklärung beziehungsweise Sedimentationsstandzeit nicht hilfreich. Als Richtwert für die Klärung gelten 0,6 Gewichtsprozent des gesamten Mostes als gutes Ziel.
So ist die Vorklärung für den Kellermeister jedes Jahr eine Güterabwägung. So wenig wie möglich für die Komplexität und Tiefe, so viel wie nötig für die Reintönigkeit und Vermeidung von Böcksern. Im Wesentlichen ist sie abhängig von der Güte und Sauberkeit des Leseguts – und damit letztlich vom Jahrgang.