Weingesetz von 1971
Eine Zäsur. Verbunden mit einer Zeitenwende so tiefgreifend wie die durch’s Internet oder das iPhone. Anders kann man das Weingesetz von 1971 (zusammen mit dem ersten Teil der Gesetzgebung 1969) nicht bezeichnen. Auf älteren Etiketten begegnen dem Weinfreund auch heute noch Begriffe wie naturrein, Cabinet (mit „C“ und einen „t“) oder Hochfeine Auslese. Heute sind sie verschwunden – genau wie ein Großteil der über 30.000 Bezeichnungen für Lagen und Gewanne (eine Art Lage in der Lage), die es einst in Deutschland gab – heute sind es noch 2.600. Der Grund dafür ist in beiden Fällen der gleiche: das Weingesetz von 1971.
Im Zentrum des Gesetzes stand vor allem aber: das Prädikatssystem und dessen strikte Fokussierung auf den Zuckergehalt der Trauben zum Zeitpunkt der Lese als entscheidender Parameter der Qualität. Die Chaptalisierung wurde in den Prädikatsstufen dadurch ebenso illegal wie die Herstellung von Strohwein. Und letztlich war es dieser deutschsprachige Sonderweg (die Weingesetz-Struktur ist in Österreich grundsätzlich ähnlich), der den Weg für den großen Glykol-Skandal von 1985 bereitet hat.
Das Weingesetz war auch eine Reaktion auf die großen und zum Teil recht radikalen damaligen Flurbereinigungen – also massiven landschaftsbaulichen Veränderungen mit dem Zweck, schlecht zugängliche oder nur händisch zu bewirtschaftende Weinbauparzellen durch Wegebau und Zusammenfassung zu größeren Flächen zusammenzufassen. Dass dessen Geist weniger vom aufrichtigen Umgang mit dem Verbraucher geprägt war, sondern im Wesen eher eine rosstäuscherhafte Gebrauchtwagenverkäufer-Mentalität aufwies, erkennt man nirgendwo so gut, wie an der Großlage. Die Tatsache, dass diese seelen- und ausdruckslose Weinflächenkonglomerate, deren Fläche zum Teil größer ist, als anderenorts ganze Weinbaugebiete, in der Art ihrer Bezeichnung für den Laien durch nichts von hoch- und höchstwertigen Einzellagen zu unterscheiden sind, spricht eine deutliche Sprache, wessen Interessen das Gesetz vor allem diente. Die Folge war, dass Deutschland für rund 20 Jahre – Ausnahmen bestätigen die Regel – ins untere Mittelmaß abrutsche und die Weine vor allem auf Quantität denn auf Qualität getrimmt wurden. Der verheerende internationale Erfolg der Liebfrauenmilch, die im Ausland zum Synonym für deutschen Wein wurde, hat sehr viel mit dieser Gesetzgebung zu tun.