Blanc de Noir(s)
Der sprichwörtliche schwarze Schimmel ist ein Widerspruch in sich. Ein Ding, das es nicht geben kann. Außer beim Wein; denn da findet man ihn tatsächlich. Und zwar in Form von weißen Weinen, gekeltert aus roten Trauben. In Frankreich heißen diese Weine Blanc de Noirs, wörtlich übersetzt also Weißer von Schwarzen.
Wie das geht? Auch der Saft fast aller roten Rebsorten ist zuerst einmal weiß. Die Farbe steckt bei fast allen Sorten ausschließlich in den Beerenhäuten. Presst man rote Trauben also sehr, sehr behutsam und minimiert ihre Kontaktzeit mit dem Most (a.k.a. —> Maischestandzeit) – zack, ergibt das einen Weißwein! Genauer gesagt weiß aussehenden Wein, denn weinrechtlich ist die Bezeichnung Weißwein Weinen aus weißen Rebsorten vorbehalten.
Im Glas scheint aber auch der Albino unter den Weinen weiß. Zuweilen mit amtlichem Goldgelb, manchmal mit schon kupfern schimmernden Reflexen. Die Grenzen zum deutschen Weißherbst sind da fließend. Sogar beide Angaben zusammen sind auf der Flasche möglich. Roséfarben darf der Blanc de Noirs aber nicht sein. Und auch nicht heißen. Logisch, wäre ja sonst auch ein Rouge de Noirs. Eine Besonderheit ist dabei der Œil de Perdrix, das Auge des Rebhuhns. Das ist ein Blanc de Noirs, der ganz leicht roséfarben schimmert, aber noch nicht wirklich als Rosé bezeichnet werden kann. Er ist so hell wie die Augen des Rebhuhns und kommt als Spezialität noch in der Schweiz und ganz selten in der Champagne vor.
Àpropos Champagne … eine traditionell große Rolle spielen die Blanc de Noirs beim Champagner. Denn immerhin zwei von den drei meistverwendeten Rebsorten für französischen Edelprickel sind rot: Pinot Noir (a.k.a. Spätburgunder) und Pinot Meunier (a.k.a. Schwarzriesling oder Müllerrebe). Weiß gekeltert sind die beiden in der Startaufstellung nahezu jeder Standard-Cuvée – als unverzichtbare Spieler, zuständig für Körper und Substanz. Bei manchen Spitzenchampagnern kommen sie sogar sortenrein auf die Flasche.
In Deutschland kommen in den letzten Jahren viele Blanc de Noirs Stillweine auf den Markt. Leider sind nicht alle davon große Klasse. Gute Erzeuger keltern aus gesundem Traubenmaterial aber feinen Stoff für den Alltag. Mit moderater Säure – und dafür um so üppiger mit Würze, Kraft und Schmelz.