Pigeage
In den ersten Wochen seines Werdens trägt Rotwein gern ein lustiges Hütchen – und zwar aus Trester. Während der Maischegärung bleiben nämlich Saft und Beeren erst einmal zusammen, damit möglichst viel Farb- und Gerbstoffe aus den Beerenhäuten im Wein landen. Um eine möglichst optimale Extraktion sicherzustellen, werden die Trauben dazu zu Beginn meistens angequetscht. Ausnahme: Macération Carbonique
Durch das Kohlendioxid, das mit der Gärung entsteht, verhalten sich die Beeren, wie die Gurkenscheibe im Gin Tonic: Sie steigen nach oben. So bildet sich ein Tresterhut, der immer wieder unter die Oberfläche gedrückt werden muss. Dieses Herunterdrücken nennt man Pigeage. Traditionell geschieht das mit Hilfe von langen Stäben. Die Häufigkeit und die Art und Weise der Pigeage hat einen großen Einfluss auf die spätere Tannin-Struktur des Weins – genau wie der Zeitraum, in dem Beeren und Saft zusammenbleiben, die Maischestandzeit.
In einigen südlichen Weinbauregionen, wie in Portugal um Porto, hat sich eine besonders archaische Form der Pigeage gehalten: Dort werden die Beeren in flachen Bottichen, den Lagares mit den bloßen Füßen gestampft. Für Menschen mit ausgeprägtem Hygiene-Fimmel geht lecker ganz sicher anders. Sinn macht diese Technik trotzdem: Denn der menschliche Fuß ist zwar ausreichend hart und schwer, um die Beeren zuverlässig anzuquetschen. Seine weiche Sohle lässt die Traubenkerne dabei aber völlig unversehrt. Die harten und bitteren Tannine der Kerne kommen so nicht in den Most.
Bei der Weinproduktion im industriellen Maßstab stampft heute natürlich niemand mehr per Hand oder gar mit dem Füßen (allenfalls vor Ärger). Stattdessen wird der Most im Tank kurzerhand maschinell von unten nach oben gepumpt. Remontage heißt diese Technik. Für auf höchste Qualität bedachte Winzer ist sie ein absolutes no-go. Denn jedes Pumpen bedeutet Stress für den Wein. Qualitätseinbußen sind unvermeidlich. Nicht umsonst gibt es Weingüter, deren Keller so gebaut und konzipiert sind, dass die Trauben von der Anlieferung bis kurz vor die Füllung einzig und allein durch die Schwerkraft bewegt werden.